Sonntag, 1. Januar 2023

Udorallala: Die Wespe

Der Trainingsanzug, der Lech - Walesa - Gedächtnis - Schnurrbart: Florian Lukas ist Eddie die Wespe, Zonendödel und abgehalfteter Darts-Profi. Zusammen mit seiner Frau Manu ( Lisa Wagner, hier am besten mit Lady-Bug Strumpfhose in blauen Lackstiefeln) und dem Ziehsohn Kevin fahren Sie in ihrer alten VW Karre durch die ganze Republik, um in Spielhallen oder ähnlichen Lokalitäten an Dart Turnieren teilzunehmen, wo dem Sieger schon mal 500 € winken.
Als Eddie endlich begreift, dass Manu ihn mit Kevin betrügt, kriecht er bei seinem alten Kumpel Nobbe unter. Der „Nobbinator" (wunderbar gegen den Strich von Ulrich Noethen gespielt) haust in einer Kleingartenkolonie, selbstverständlich stilecht mit den qualmenden Kraftwerkstürmen im Hintergrund.
Genau wie sein Rauhaardackel trägt er eine goldene und dicke Metallkette um den Hals, zu dieser noch Siegelringe an jedem Finger. Wie ihr seht, wird hier kein Klischee ausgelassen. Aber genau deshalb füllen die liebevoll gezeichneten Charaktere die Story mit menschlicher Wärme aus.
So muss sich Eddie notgedrungen als Staubsaugervertreter verdingen, da er nunmehr Manu mit ihrem Sonnenstudio im Plattenbau nicht mehr auf der Tasche liegen kann. Einzig Kevin ist mir zu flach gezeichnet, aber er bleibt ja eh nur eine Randfigur.


Ganz im Gegenteil zu Nobbe; Ulrich Noethen macht die Rolle des sichtlich abgehalfterten Alkoholikers sichtlich Spaß. Er gibt ihn mit einer Spielfreude, mit der er einige der anderen Charaktere glatt gegen die Wand spielt. Allein sein erster Auftritt ist sehenswert.
Wunderschön, wie er stinkbesoffen in der Bar eines abgewrackten Hotels auftaucht, in dem ein Dart-Turnier stattfindet. Auf die Frage von Eddie: „Wo schläfst du?" antwortet er nur lapidar mit „Ich trinke noch schnell nen Kurzen und dann mache ich die Bedienung klar".
Da diese auf den Spruch nicht abfahren wollte, musste Nobbe notgedrungen bei Eddie schlafen. Als Dank säuft er Eddie zum Abschied noch das Rasierwasser aus, danach wackelt er zu Fuß von dannen, ohne sich das Dart-Turnier anzuschauen.
Später, als er zum Trainer von Eddie mutiert, ist Nobbe dagegen trocken. So dürfen wir eine herausragende Szene mit Tiefgang erleben, als Nobbe und Eddie zum Qualifikationsturnier in einer wirklich abgeranzten Raststätte fahren.
Nobbe schmiert sich noch Eukalyptusöl unter die Nase, weil er den schweren Alkoholgeruch, der in der Halle des Dart Turnieres schwebt, nicht anders ertragen kann. Irgendwelche Leute schieben ihm einen Plastikbecher mit Bier hin, den er nur mit großer Kraftanstrengung wegschieben kann.
Nobbe klammert sich am Wasser fest, auf dem Weg zum Klo verliert er auch noch seine Pillen, die er gegen das starke Verlangen nach Alkohol einschmeißen muss. Die Katastrophe ist vorprogrammiert. Kurz vor dem entscheidenden Sieg gegen Kevin dreht sich Eddie um und sieht, wie Nobbe einen Plastikbecher Bier auf Ex runterschlorkt.
Eddie lässt alles stehen und liegen und eilt Nobbe zu Hilfe, der bewusstlos auf dem Boden liegt. Hier wird das Hohelied der Freundschaft gesungen. Das Wohl seines Freundes ist Eddie wichtiger als die Wiederaufnahme der zwischenzeitlich verkorksten Karriere, für die er mit Nobbe so hart trainiert hatte.
Es sind diese berührenden Momente der Serie, die uns allen bewusst machen sollten, was wir mit dem Untergang der DDR verloren haben. Das westliche Business Geseiere ist dem Ossi halt ein Gräuel.
Manu hat hier eine starke Szene, als sie das abgefuckte Gelaber einer Gruppe von gestylten Business-Frauen nur mit dem Exen eines Bieres erträgt und dann fluchtartig diese Gruppe verlässt.
Hierzu passt auch die sichtlich gelangweilte Lisa, die in einer großen Villa haust (Synonym für Wessi?) und den von Manu verlassenen Eddie zu sich ins Bett zieht. Bizarr ist dann die Szene in Lisas Sauna, in der Eddie und Nobbe nackt auf die Dartsscheibe werfen, während Lisas Ehemann sich dazu gesellt.
Typisch westliche Dekadenz: Dass Eddie seine Frau vögelt, interessiert ihn nicht die Bohne. Erwähnenswert ist noch der windige türkische Staubsauger-Händler Mucki, für den Eddie irgendwann arbeiten muss. Erst baggert er Manu an, dann wird er von Eddie und Nobbe beklaut und schlägt am Ende Eddie deshalb auf die Fresse.
Auch Mucki merkt man an, dass ihm die ostdeutsche Herzlichkeit fehlt. Diese Serie ist für Dartsliebhaber eh Pflicht, ist aber auch ohne Bezug zu diesem Sport sehr sehenswert. Hier wird einer von mir heutzutage schmerzlich vermissten Kneipenkultur ein schönes Denkmal gesetzt.
Passenderweise hat Sky die zweite Staffel am 15 Dezember zum Start der Darts WM zum Streamen ins Netz gestellt. Leider ist Nobbe nicht mehr dabei. Lapidar wird er als verstorben erwähnt, nachdem er mit Eddie am Schluss der ersten Staffel wegen des Einbruchs in den Bau gegangen war.
Hatte Ulrich Noethen keinen Bock mehr? Schade, zumal Meret Becker als Eddies durchgeknallte Bewährungshelferin zwar lustig ist, ihren Charakter aber nicht zum Strahlen bringen kann.
Beim Schreiben dieser Zeilen hatte ich lediglich die erste Folge der neuen Staffel gesehen, daher kann ich zum Auftritt von Peter Lohmeyer noch nichts sagen. Aber natürlich ist das ein Jammern auf hohem Niveau. Es bleibt auch so eine sehenswerte deutsche Serie, die wohl nicht im Free-TV laufen wird.
Wie bei ZE Network gibt es auch hier vereinzelt politisch unkorrekte Passagen, wie im richtigen Leben halt. Eben das passt zumindest nicht zu ARD und ZDF, wo mehr und mehr gegendert wird. Eine volle 180, diese Serie.

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