Samstag, 21. Januar 2023

Hartmudo: Superwumms

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Inzwischen war es schon nach Neun Uhr geworden; wir fuhren erst einmal nach Hause, um etwas zu essen und die Katzen zu füttern. Meine blutbeschmierte Hillbilly Jacke legte ich sofort beiseite. Beim Verlassen der HEH Klinik hatte ich bereits größte Schwierigkeiten gehabt, die Jacke wieder anzuziehen.
Ansonsten ließ ich aber alles an: Sowohl den Pullover als auch die Jeans und die Schuhe mit den Blutstropfen darauf. Denn wir mussten nach kurzer Zeit ja wieder los - zu einem HNO-Arzt. Und während ich Schwerstarbeit auf der Toilette (später mehr dazu) verrichten musste, versuchte meine Löwin, einen sofortigen Termin bei einem HNO-Arzt zu bekommen.
Dies wiederum erwies sich als schwierig. Meine HNO-Ärztin, zu der ich in der Vergangenheit immer gegangen war, hatte angeblich noch nicht einmal für Notfälle einen sofortigen Termin zu vergeben. Die Klinik in der Holwedestraße hatte ebenfalls sofort abgewunken. Die wollten einen vorherigen Besuch bei einem HNO-Arzt zur Voraussetzung machen. Als auch der HNO-Arzt meiner Löwin nicht zu erreichen gewesen war, ergab sich das Rätsels Lösung dank eines Telefonats mit Pocke, dass ich zeitgleich geführt hatte.
Denn dieser war bereits durch meine Löwin von dem Malheur informiert worden, weil wir doch eigentlich mittags schwimmen gehen wollten. Sein von ihm empfohlener HNO-Arzt mitten in der Innenstadt hatte tatsächlich noch Kapazitäten frei. Da hieß es, schnell loszufahren.
Nach einigem Hin und Her zog ich dann doch eine Jacke - meine rote Regenjacke - an, weil meine Löwin mich ohne Jacke nicht hinfahren wollte. Es war ja auch kalt und regnerisch draußen. Ich wollte auf eine Jacke verzichten, weil ich eh in keine Jacke reinkam.
Dabei hatte meine Löwin eigentlich recht; ich musste mir halt nur helfen lassen. Das fiel mir schwer. So hilflos wie an diesem Tag hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.
Schweigend fuhren wir zum HNO-Arzt, während es auf der Straße weiterhin ungemütlich nieselte. Meine Löwin ließ mich an der Ecke Friedrich-Wilhelm-Straße raus, um einen Parkplatz zu suchen. Missmutig stapfte ich durch den Nieselregen zum Arzt. Die Passanten starrten mich neugierig an: Mit meiner Schlägervisage konnte ich doch glatt in einer Geisterbahn auftreten. Wahrscheinlich dachten einige, dass ich mich geprügelt hätte. Sollen sie; man kann ja auch fragen, dann hätte ich es auch erklärt.
Kurz darauf stand ich vor der Tür der Arztpraxis. Mühsam nestelte ich die FFP2 Maske aus meiner Jacke, mit einer Hand ist das ganz schön ätzend. Nachdem ich mich am Tresen angemeldet hatte, bekam ich auch schon das Klemmbrett mit den üblichen Zetteln zum Ausfüllen in die Hand gedrückt.
Logischerweise tauchte jetzt das nächste Problem auf, da ich mit dem bandagierten rechten Arm schwerlich schreiben konnte. Obwohl ich eigentlich Linkshänder bin, schreibe ich mit rechts. In der Grundschule war 1967 Schreiben mit der linken Hand eben nicht angesagt gewesen. Wenigstens wurde meine krackelige Handschrift bei der Rückgabe der Formulare von der Arzthelferin nicht moniert
Zu meiner großen Freude wurde ich bereits nach überraschend kurzer Wartezeit aus dem Wartezimmer direkt vor das Arztzimmer gerufen. Hört sich erstmal gut an, ist allerdings auch nichts anderes als ein weiterer Wartebereich. Denn nachdem meine Löwin kurze Zeit später gekommen war und sich neben mich gesetzt hatte, konnte ich noch eine ziemlich lange Zeit warten, ehe ich zum Arzt hineingebeten wurde.
Der Arzt las sich den Befundbericht des Krankenhauses emotionslos durch; die mitgebrachte CD mit den Röntgenbildern wollte er sich nicht einmal ansehen. Vorsichtig säuberte er die Wunde in der Nase und fragte mich mit monotoner Stimme, ob ich das Gefühl hätte, dass meine Nase im Vergleich zur Zeit vor dem Unfall schief sei.
Dies konnte ich aufgrund der Schwellung nicht einwandfrei feststellen, aber mich beschlich schon der Eindruck, dass meine Nase leicht nach rechts verschoben war. Der Arzt wies mich darauf hin, dass ich noch eine Woche Zeit hätte, bis ich mich entscheiden müsste, ob meine Nase wieder gerade gerichtet werden sollte oder nicht. Bis dahin hätte ich demnach noch Zeit.
Er kontrollierte, ob ich noch weitere Schäden am Kopf erlitten hatte. So musste ich mit nach vorne gestreckten Armen auf der Stelle gehen. Da wollte er meinen Gleichgewichtssinn testen. Den Kopf gerade halten und mit den Augen seinen Finger folgen - dies war eine weitere Übung, bei der ich bestätigen konnte, dass ich den Finger nicht doppelt sah.
Übrigens schaute er erst in beide Ohren sehr genau hinein, bevor er sich mit dem entsprechenden Gerät dem Innenleben meiner Nasenlöcher widmete. Ach, eins habe ich jetzt doch glatt vergessen: Ganz am Anfang der Untersuchung schob er mir noch ein Coronateststäbchen in den Rachen hinein. Ich hätte beinahe gekotzt. Ob das mit Corona jemals aufhört?
Im Wartezimmer trugen die Patienten alle eine Maske - auch die Arzthelferinnen. Allerdings bekam ich sehr schnell mit, dass die Arzthelferinnen die Maske wegließen, wenn es schnell gehen musste und sie von einem Zimmer zum anderen eilten. Konsequenz sieht anders aus. Der Arzt verzichtete selbst übrigens komplett auf eine Corona-Maske. Es ist ja nicht so, dass ich dieses Verhalten von Arzt und Belegschaft Scheiße finde - eher im Gegenteil; es fiel mir nur einfach auf.
Zur Sicherheit lies ich im Nebenraum noch einen umfangreichen Hörtest über mich ergehen. Der HNO-Arzt wollte wohl ausschließen, das auch dort ein Schaden aufgetreten war. Wie zu erwarten gewesen war, ergab der langwierigen Hörtest keinerlei Schaden. Doch das meine Hörfähigkeit dank des jahrelangen Konsums lauter Musik suboptimal ist, war für mich nicht wirklich eine große Überraschung.
Der HNO-Arzt verschrieb mir Nasenspray zum Abschwellen sowie Bepanten-Salbe und Vaseline zur Pflege der Schleimhäute. Das alles sollte ich dreimal täglich nehmen und am nächsten Tag wiederkommen.
Nebenan in der Apotheke besorgten wir die Medikamente, danach fuhren meine Löwin und ich nach Hause. Auf der Arbeit hatte ich schon am frühen Morgen (irgendwann zwischendurch halt) angerufen und mich krank gemeldet. Die Krankmeldung galt erst einmal für eine Woche, die Gesundung würde allerdings länger dauern, das war jetzt schon klar.
Total konsterniert saß ich nun mittags in T-Shirt und Jogginghose vor dem Fernseher und grübelte so vor mich hin. Ich versorgte meine Nase mit den Salben und dem Spray, während sich meine Löwen rührend um das jammernde Elend kümmerte und mit Speis und Trank versorgte.

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