Sonntag, 16. Oktober 2022

Udorallala: Top Songs 17/?

Im Dudel-Radio spielen sie gerne die Hits der 70er oder 80er, doch „meine“ Hits sind da nie dabei. In loser Folge schreibe ich deshalb über einzelne Songs und warum sie so wichtig, bahnbrechend oder anders wie bedeutend sind. Für mich, für Dich, für uns alle.
Ding Dong – That`s my Song!

Mittagspause - Herrenreiter
Mit einem hoppelnden Schlagzeug, tiefergelegter Rhythmusgitarre und schriller Leadgitarre fängt er an. Langsam, monoton, kriecht der unharmonische Sound in den Gehörgang. Und dann legt Peter Hein los. Verzweifelt schreit er seinen kurzen Text ins Mikro. Immer begleitet von dieser atonalen Gitarre. Das Schlagzeug ist irgendwie hintendran und die Rhythmusgitarre erinnert an Bauhaus oder Joy Division. Wenn da diese Töne der Leadgitarre nicht wären…
„Hoch zu Ross den Bundesgeier am Gewand
Herrenreiter haben wieder zu sagen im Land
Schwarz der Himmel unserer Zukunft
Rot die Erde der Vergangenheit
Gold die Zähne unserer Väter
Jetpiloten werden plötzlich schwach in den Hüften
Herrenreiter mit Spielzeugpistolen in den Lüften.“
Es klingt gewaltig nach Übungsraum. Nach Leuten, die zum ersten Mal ein Musikinstrument in der Hand halten. Diese Art von Aufnahmen war typisch in der Anfangsphase des „Deutschpunks“ Ende der 70er Jahre. Hierbei entstanden eine Vielzahl von Klassikern deutscher Rockmusik; egal ob „Kebabträume“, „Zurück zum Beton“ oder auch „Computerstaat“ – alles in kleiner Auflage veröffentlicht und garantiert nie in den Hitparaden gelandet.
Mittagspause war die wohl wichtigste Gruppe in dieser frühen Phase und zerbrach nach Aufnahme dieser Single, weil Peter Hein und Thomas Schwebel sich auf ihre 1979 gegründete Band „Fehlfarben“ konzentrierten und Bielmeier (Monroe) und Oehlen (der Drummer) ihre Zukunft eben nicht als Musiker sahen. Ihre technischen Unzulänglichkeiten ließen das nicht zu, obwohl Herrenreiter das Optimum an Studioqualität bot, was diese Band in der Besetzung erreichen konnte.
Die Perlen von Mittagspause wie „Innenstadtfront“ oder „X-9200“ waren zuvor noch eine Ecke krachiger gewesen. Ihre Live LP „Punk macht dicken Arsch“, nach Auflösung der Band veröffentlicht, muss man einfach gehört haben, bevor man über die Toten Hosen oder selbst die Ärzte auch nur redet. Die Scheibe kann man ruhig neben die „Ball Pompös“ oder auch „Unbehagen“ stellen. Ich persönlich steh ja noch auf „Pfefferminz“.
Allein wie giftig Hein das „Schwarz – Rot – Gold“ ausspuckt, dazu das Bild der Vergleiche zu den Farben. Das ist kurz, knapp und ein politisches Statement, welches damals notwendig war und heute leider wieder aktuell zu werden droht. Nein, aktuell ist. Kurz gesagt: DIES ist der Song zur momentanen Lage.
In Deutschland. Ach ja, wie sahen denn die deutschen Charts beim Veröffentlichungsdatum dieser Single aus - im Oktober 1979? Da war Cliff Richards mit „we don’t talk anymore“ auf Platz 1 angesagt. Es folgten Boney M mit „El Lute“ und Racey mit „Boy oh Boy“. Bester deutschsprachiger Titel war Peter Maffay auf der 6. „So bist Du“ - U-huhu....
Meine Güte, „Das Lied von Manuel“ (Manuel & Pony) auf der 11, Peter Alexander beschwört „Schwarzes Gold“ auf der 18. Dann Michael Holm mit der deutschen Version von „El Lute“, Howard Carpendale kurz dahinter....
Hier hatten Mittagspause selbstverständlich keine Chance, zumal das quasi hauseigene Rondo-Label nicht über die Vertriebsmöglichkeiten wie die Industrie verfügen konnte. Und ich wage es zu bezweifeln, das der öffentlich-rechtliche Rundfunk diesen Song mit dem subversiven Text über den Äther verbreitet hätte.
Herrenreiter ist - genau wie „Computerstaat“ von Abwärts - das zeitlose Vermächtnis des Deutschpunks und heute aktueller denn je. Zieht Euch das rein, Ihr Grünen-Wähler da draußen an den Smartphones!

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