Mittwoch, 19. Oktober 2022

guterPlatzzumBiertrinken: Jahresurlaub 1/2

Dienstag, 23. August. Ich befinde mich mitten in meinem Jahresurlaub von zwei Wochen. Heute wurde es mal wieder Zeit für eine Tour, denn mir schwirrt sehr viel im Kopf herum. In erster Linie wegen der Arbeit.
Vorhin hatte ich einen Termin bei meiner Rheumatologin zum Labor und zum Rezept abholen, meine Spritzen sind alle. Bei strahlendem Sonnenschein fuhr ich kurz vor 10 Uhr von zu Hause los. Stellenweise brannte die Sonne erbarmungslos herab, zum Glück wehte größtenteils ein kühler Wind, der mir das Treten in die Pedale erleichterte.
Entspannt wickelte ich das Programm bei der Rheumatologen ab und besorgte mir die Spritzen in der Apotheke nebendran. Und jetzt ab! Wo sollte es an diesem schönen Tag hingehen, morgens um halb elf in Deutschland? Ich benötigte einen Supermarkt mit Kühlschrank, so viel stand schon mal fest.
Und am frühen Morgen hatte ich mir den Ölper See als Pausenziel auserkoren - das musste ich jetzt nur noch verbinden. Ich entschied mich für die kürzeste Lösung und steuerte den Edeka an der Hamburger Straße an. Da ich auf dem Einbahnstraßenstück der Wendener Straße auf dem Fußgängerweg gen Norden fuhr, fiel mehr zum ersten Mal auf, dass dort offensichtlich eine Menge Cafes und Imbisse mit Außenbewirtschaftung existieren. Weil ich hier jedoch normalerweise nicht entlangkomme, war mir dies komplett neu.
Bei Edeka besorgte ich noch Schoki für Mary, die nächstes Wochenende auf unsere Katzen aufpassen wird. Am wichtigsten allerdings war der Griff in den Kühlschrank. Wolters. Dose. Kalt. Drei halbe Liter. Dazu gönnte ich mir noch ein Seelachsbrötchen von der Fischtheke als Unterlage für die Wolters.
Schnell erreichte ich die Uferstraße und hielt auf dem Weg zum Ölper See schon mal nach einer Bank im Schatten Ausschau. Ich wollte weder in der kraftvollen Sonne des Spätsommers noch auf einer ungemähten Wiese sitzen, deshalb fuhr ich an vielen Gelegenheiten vorbei, bis ich den Ölper See erreichte, wo ich mir diese wunderschöne Stelle am See auf einer Bank im Schatten ergattern konnte.
Und puff! - schon war die erste Dose geöffnet. Herrlich, diese Ruhe. Endlich kann ich meine Gedanken ordnen. Denn bislang war der Urlaub gut verplant gewesen. Donnerstag und Freitag waren wir mit Mary und Charles in Berlin gewesen, wo wir schöne - jedoch auch anstrengende - Tage erlebt hatten.
Das Frühstück unter der Reichstagskuppel, die Schifffahrt über Spree und Landwehrkanal oder auch der Besuch im Spandauer Outlet am Ende jener Tour hatten mich schon auf andere Gedanken bringen können. Ach, ich vergaß den Besuch im Berliner Zoo am Donnerstag. Brütende Hitze, aber doch immer wieder schön.
Samstagabend gab Berta ein Essen in Wolfs Gasthaus anlässlich ihres Geburtstages für die Familie aus, da waren wir natürlich auch mit dabei. Sonntag Nachmittag durften wir uns "Barfuß im Park" im Heinrich im Stadtpark geben. Meine Löwin, Mary und Charles waren weniger begeistert über das Stück als ich.
Dieses mittlerweile klassische Stück enthält keine Schenkelklopfer, ist aber wie viele Bühnenstücke von Neil Simon mit einer versteckten Sozialkritik versehen. Ihm ging es immer wieder um dieselbe Thematik: Die früher noch vorhandene amerikanische Mittelklasse, welche sich naserümpfend von "asozialen Elementen" abgrenzen möchte auf der einen und der spontane wie emotionelle Außenseiter auf der anderen Seite, welcher dem stocksteifen Bürohengst der Mittelklasse aufzeigt, dass ein Leben ohne Macken und Albernheiten öde und fade ist.
Wo ich dies gerade hier schreibe, schenkt mir diese Einschätzung Kraft für die Herausforderungen in nächster Zeit. Am Montag war eine Fahrt in den Vogelpark Walsrode mit Dora und Herbert geplant. Dora sagte aber Sonntagabend ab, weil es ihr das Wetter zu drückend und schwül war. Okay, komm Dicka - jetzt zur dritten Dose.
Letzte Woche Mittwoch, meinem letzten Arbeitstag vor dem Urlaub, lud mich mein Teamleiter zum halbjährlichen Personalgespräch ein. Im August wollte er diese Gespräche mit allen Teammitgliedern führen und da ich ja in den Urlaub gehen würde, fing er auch gleich mit mir an. Und er kam auch gleich Kringe rüber.
Er hatte Angst, dass ich psychisch zusammenbrechen würde und wollte mir seine Hilfe bei einem Arbeitsplatzwechsel anbieten. Ihm war zu Ohren gekommen, dass ich Hilfe meiner Kolleginnen abgelehnt hatte, weil ich die "Sache gegen die Wand" fahren wollte. Tatsächlich hatte ich mich wohl so geäußert, aber wie auch mein Teamleiter wusste, hatte dies einen komplett anderen Hintergrund.
Denn ich will mich vor allem nicht kaputt machen lassen, eher lasse ich die Arbeit gegen die Wand fahren. Das ist ja nun etwas Anderes: Nicht bewusst und mit voller Absicht gegen die Wand fahren lassen, sondern als letzte Möglichkeit, bevor ich selbst kaputt gehe. Falls manche Leute diesen Unterschied nicht erkennen können, tun sie mir leid.
Doch ich erklär dies mal "from the beginning": Anfang Juli bat mich mein Teamleiter, auf das Home-Office vorübergehen zu verzichten, weil er selbst endlich in seinen wohlverdienten Jahresurlaub ging und von den anderen Kolleginnen die meisten krank oder selbst in Urlaub gewesen waren.
Ich war zu dem Zeitpunkt der einzige erfahrene Kollege, welcher noch verfügbar war und sollte die jungen Kollegen bei ihrer Arbeit unterstützen. Daher wäre meine Anwesenheit unbedingt erforderlich. Dies sah ich ein und erfüllte ihm diesen Wunsch, obwohl ich es personalrechtlich nicht hätte machen müssen.
Dazu muss man wissen, dass ich selbst in einem Dreierteam arbeite. Zum Zeitpunkt jenes ersten Gespräches war die eine gerade in eine fünfwöchige Reha und die andere in ihren vierwöchigen Jahresurlaub gestartet. Ich gönnte Ihnen dies, musste aber feststellen, dass ausgerechnet jetzt Berge von Post mit Rentenänderungen und Betriebskostenabrechnungen des größten Vermieters von Salzgitter eintrudelten.
Hatte ich schon erwähnt, dass meine Vertreterinnen und ich seit zwei Jahren ein nicht besetztes Sachgebiet zu dreiviertel ständig vertreten? Der Gerechtigkeit halber will ich die Tatsache, dass auch die anderen Kollegas mit ständigen Vertretungen übermäßig stark belastet sind, nicht unter den Tisch fallen lassen.

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