Dienstag, 30. August 2022

Uncle Fester: grad gelesen August 2022

Juli Zeh - Neujahr
So zwischendurch wollte ich endlich ein Geburtstagsgeschenk (von Wolfgang) abarbeiten und wurde bei der Lektüre wahrlich nicht enttäuscht. Mit knapp 190 Seiten hat Frau Zeh 2018 zwar einen kurzen Roman abgeliefert, dafür aber einen atmosphärisch dichten Pageturner abgeliefert. Der Inhalt ist gleichermaßen faszinierend wie kurz. Dieser kurze Inhalt wird aber so packend und in all seinen Längen doch unwiderstehlich ausgebreitet, dass ich „Neujahr“ bereits nach 4 – 5 Tagen aufgesaugt hatte.
Henning ist mit seiner Frau Theresa und den beiden Kindern nach Lanzarote in den Urlaub geflogen. Er ist das absolute Weichei. Seine Frau arbeitet voll (überwiegend Home Office), während er halbtags (auch Home Office) als Lektor von Sachbüchern im Verlagswesen arbeitet, damit er sich um die Kinder kümmern kann. Hier kommt mein Feindbild – der Grünen Wähler – zum Vorschein. Dazu hat er noch ein Problem mit „Es“ – mit diesem Hilfsmittel personalisiert er seine Panikattacken, die ihn quälen.
Auf Lanzarote hat er sich gegen Ende des Urlaubs nach einem Streit mit Theresa endlich sein Rad geschnappt und radelt den Berg hinauf zum Dorf Fuentes. Im Rückblick erinnert er sich an das Geschehen an dem Silvesterabend. Da tanzte seine Frau fröhlich beschwingt mit einem Franzosen, während der eifersüchtige Henning auf die Kinder am Nebentisch aufpassen musste. Nachdem die Kinder im Bett waren, kam es zwischen den Eheleuten zum Streit.
Erst jetzt zeigt Henning endlich mal eigenen Willen und radelt immer weiter den Berg hinauf, bis er – von Panikattacken gequält – endlich ein Haus mit einer deutschen Künstlerin erreicht. Die von ihr bearbeiteten Steine sowie ein abgedeckter, tiefer Brunnen lösen bei ihm alte Erinnerungen aus. Denn er war hier schon einmal. „Es“ zeigt sich.
Jetzt kommt der zweite, förmlich nervenzerfetzende Teil des Romans. Vielleicht 30 Jahre früher. Der kleine 5 jährige Henning verbringt mit seinen Eltern und der jüngeren Schwester (2 Jahre) Luna den Sommerurlaub auf Lanzarote – in dem schon erwähnten Haus mit dem Brunnen. Folgendes Bild: Henning sieht zufällig, wie der Gärtner Noah nackt auf seiner Mutter liegt und holt seinen total bekifften Vater, weil er Angst hat, das das „Monster“ Noah seine Mutter frisst. Noah flieht, die Kinder müssen ins Bett und die Eltern streiten sich in der Nacht. Lautstark.
Am nächsten Morgen sind die Eltern verschwunden und der kleine Henning muss sich 2 Tage um die kleine Luna kümmern, die alles vollkackt. Höchst eindringlich schildert Frau Zeh den Überlebenskampf der alleingelassenen Kinder, die den Orangensaft sogar vom Boden ablecken. Als Henning meint, das Monster aus dem Brunnen würde ihre Eltern gefangen halten, fällt Luna beim „Befreiungsversuch“ beinahe in den tiefen Brunnen. Nur dank des zufällig herbeigeeilten Noah wird das Unglück verhindert.
Die Auflösung der Abwesenheit der Eltern klärt sich erst 30 Jahre später. Nach dem Urlaub wieder zu Hause, telefoniert Henning mit seiner Mutter. Ihr Mann Werner hatte sich noch in der Nacht von seiner Frau nach deren Seitensprung getrennt und ist mit dem Auto abgehauen, um allein zurückzufliegen. Die Mutter lief hinterher, organisierte einen Motorradfahrer, um sich mit ihrem Mann auszusöhnen. Unfall, 3 Tage Koma. Aber das beendet Hennings Panikattacken noch nicht.
Erst als er seine Schwester Luna, die sich bei seiner Familie eingenistet hatte, rausschmeißt, ist er frei. Sein Problem war die selbst auferlegte Verantwortung für die im Leben gescheiterte Schwester.
Kurz und knackig kommt die Lösung daher. Und ich weiß immer noch nicht, ob ich begeistert oder enttäuscht bin. Beides, würde ich sagen.

A.G. Riddle - Die Ceres Mission
Sein Atlantis-Zyklus hatte mich vor 6 Jahren richtig beeindruckt, daher freute ich mich auf diesen Einzelroman besonders. Klimakrise einmal anders, dachte ich. In diesem Roman erkaltet die Erde mangels Sonneneinstrahlung.
Zur Handlung: der Biologe und Robotikspezialist James sitzt am Anfang des Romans im Knast. Warum, erfährt der Leser erst gegen Ende des Romans. Ein sicherlich interessantes Stilmittel, jedoch ist die Auflösung erwartbar und es fehlt damit der Aha-Effekt.
Die Astronautin Emma hingegen ist Leiterin der ISS Station und untersucht die Ursache für die mangelnde Sonneneinstrahlung auf der Erde, die zur Erkaltung führt. Die Kontinente vereisen zusehends und die bewohnbare Fläche wird immer kleiner, Milliarden Menschen werden sterben müssen.
Das hier in diesem Roman aber nur am Rande, womit sich der Autor viele Möglichkeiten zu einer vielschichtigen Handlung genommen hat. Als Emma herausfindet, dass eine wabenförmige Solarzelle die Erde vor der Sonnenstrahlung abschirmt, wird die ISS auch sofort durch Laserbeschuss der Aliens zerstört. Doch die Rettung für Emma naht.
NASA Direktor Fowler hat James aus dem Knast geholt und ein Astronautenteam zur Untersuchung der Solarzelle ins All geschickt. James kann Emma retten und zusammen fliegen Sie mit dem Team der Pax der Solarzelle entgegen, um herauszufinden, ob die Aliens friedlich oder feindlich gesinnt sind.
Feindlich! Die Pax bricht auseinander, doch ein Rettungsmodul mit James und Emma kann zur Erde gelangen, um die Menschen zu warnen. Die Situation auf der Erde ist zwischenzeitlich eskaliert, die Menschheit ist in drei Machtblöcke zerfallen.
Der Atlantikpakt in der eisfreien Wüste von Tunesien, die Russen und Inder in der iranischen Wüste sowie Chinesen und Japaner im Pazifikpakt im australischen Outback. In Tunesien plant James unterirdische Kavernen für die Reste der Menschen zum Schutz vor der Kälte auf der Erdoberfläche.
Das kommt in diesem Roman leider viel zu kurz, schade. Emma wiederum schafft es, dass sich James mit seinem Bruder Alex endlich aussöhnen kann. Der Streitpunkt ist Oscar, ein offensichtlich künstliches Lebewesen, welches von James erschaffen wurde und ihn schließlich in den Knast gebracht hatte.
Witzig hieran ist lediglich die Stelle, in dem Riddle mit dieser Figur spielt und den Leser glauben lässt, Oscar sei der schwule Liebhaber von James. Selbstverständlich haben sich James und Emma ineinander verliebt und natürlich schaffen die beiden es, die drei verfeindeten Pakte zur Zusammenarbeit zu bewegen.
Unter der Führung von James starten nun neun Raumschiffe, um die auf dem Asteroiden Ceres vermutete Basis auszuschalten. Aha, deshalb heißt der Roman Ceres Mission! Und natürlich überleben nur James und Emma den Kampf mit der riesigen Roboterspinne, die dann auch noch mit beiden kommuniziert.
Der "Sammler" arbeitet im Auftrag des Rasters, einer Galaxien überspannenden Entität, welche das Universum beherrscht. A la "Widerstand ist zwecklos" versucht der Sammler, James zum Beitritt zu überreden, aber der bleibt standhaft und die 30 Atombomben zerstören den Sammler. Selbstverständlich kommen unsere US-amerikanischen Helden zum Happy End auf die Erde zurück.
Für die zu erwartenden stärkeren Sammler wird Ihnen schon etwas einfallen. Als im Schlusssatz Emmas Schwangerschaftstest auch noch positiv ausfällt, habe ich das Buch zusammengeklappt und gedacht: War ja nett, aber da hätte Riddle erheblich mehr draus machen müssen.
Ich kann mir nicht helfen, aber das Ganze wirkt wie ein nachträglich aufgepimptes, weil ursprünglich gescheitertes Erstlingswerk eines Erfolgsautors.

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