Mittwoch, 24. Juni 2020

Uncle Fester: grad gelesen Juni 2020


Terry Pratchett & Stephen Baxter - Die lange Erde
Vor Jahren hatte ich angefangen, mir diese insgesamt fünfbändige Reihe zu kaufen, aber immer wieder liegen lassen. Nicht einmal Pratchetts Tod vor 5 Jahren konnte mich motivieren, war ich doch von seinen Scheibenwelt Romanen irgendwann gelangweilt. Jetzt endlich habe ich mir ein Herz genommen und lese alle Fünf hintereinander weg.
Einige Jahre in der Zukunft: In Madison, der Hauptstadt von Wisconsin, stellt der Wissenschaftler Willis Linsay eine bahnbrechende Erfindung - den Wechsler - ins Netz. Dieser einfache technisch Apparat, der eigentlich der Black Corporation (Elon Musk lässt grüßen) gehört, ermöglicht das Wechseln in Parallelerden.
Wie an einer Kette aufgereiht, erstrecken sich diese in westlicher und östlicher Richtung in Paralleluniversen und sind menschenfrei. Da man lediglich die Bauanleitung, einige Drähte und eine Kartoffel (!) als Energieträger benötigt, kann jedes Kind den Apparat leicht herstellen. In der Folge kommt es verständlicherweise zu einem Goldrausch, der wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich zu Veränderungen führt. Da haben Pratchett und Baxter wahrlich ein tolles Szenario entwickelt, Hut ab!
Hauptperson des Zyklus ist der am „Wechseltag“ 13jährige Waisenjunge Joshua Valiente, der im Waisenhaus von Madison unter der Obhut von Schwester Agnes aufwächst und an jenem ersten Tag vielen Kindern das Leben rettet, weil diese auf „West 1“, der ersten Parallelerde, gestrandet und orientierungslos sind.
Joshua ist ein natürlicher Wechsler - er braucht keinen Apparat zum Wechseln - und nutzt dies in den folgenden Jahren leidlich aus. Als mittlerweile junger Erwachsener lernt er später auf einer der Erden die burschikose Sally Linsay, Tochter des Erfinders, kennen. Auch sie ist ein natürlicher Wechsler und äußerst tough. Sie kennt alle und jeden in den Parallelwelten, insbesondere die Elfen und Trolle.
Die Trolle sind allesamt natürliche Wechsler und haben durch ihren Singsang ein Netzwerk über sämtliche Erden aufgebaut. Die Elfen dagegen sind mit Vorsicht zu genießen und den Menschen gegenüber eher misstrauisch. Bei den Trollen ist das Gegenteil der Fall; sie unterstützen die menschlichen Siedler, wo es nur geht.
Wichtig für die Reihe ist noch die künstliche Intelligenz Lobsang, die von der Black Corporation geschaffen worden war und angeblich ein transformiertes Bewusstsein eines tibetanischen Taxifahrers darstellt. Tatsächlich taucht er in den späteren Büchern als tibetanischer Mönch auf, spricht aber auch gern aus dem Off.
Lobsang überredet Joshua, mit ihm und dem Luftschiff Mark Twain die Erden Richtung Westen zu erforschen; hierbei taucht Sally in die Story ein. Es ergibt sich wider Erwarten aber keine Liebesgeschichte hieraus, denn Joshua verliebt sich am Ende dieses Buches in Helen Green, die anfangs die Odyssee ihrer Familie zur Erde West 101.754 mittels eines Tagebuchs beschreibt. Auch die Familie Green stammt ursprünglich aus Madison.
Fehlt nur noch die Polizistin Monica Jansson aus eben diesem Madison, die in diesem Roman lediglich dadurch auffällt, weil sie Joshua am Wechseltag als natürlichen Wechsler erkennt und über den Zyklus hinweg mit ihm und den anderen Hauptpersonen in Kontakt bleibt.
Der erste Roman endet mit der Zerstörung von Madison auf der ursprünglichen Erde - die auch Datum genannt wird - mittels einer Atombombe. Täter war der Jugendliche Rod Green (natürlich Helens Bruder), der wie viele andere Menschen nicht wechseln kann und sich einer militanten wie rassistischen Splittergruppe angeschlossen hatte, die aus Angst vor den Umwälzungen und dem daraus resultierenden wirtschaftlichen Niedergang der Datum Erde Attentate verübt.
Viele Menschen sterben und Joshua entzweit sich am Ende mit Lobsang, der das Attentat auf seine Heimatstadt hätte verhindern können, es aber nicht tat. Ein stringenter Handlungsablauf ist in diesem Abenteuerroman nicht darstellbar, dazu passiert zu viel. Auf jeden Fall motivierte mich der erste Band, den Zyklus mit Genuss weiter zu lesen.
Pratchetts Fantasie und Baxters Sinn für technische Feinheiten geben hier eine starke Mischung ab, auch wenn dies ewige „schüchterner Junge und starkes Mädchen“ Gemache, wie man es aus Mortal Engines oder den Tributen von Panem her kennt, so langsam nervt. 

 
                                                   

Terry Pratchett & Stephen Baxter - Der lange Krieg (lange Erde 2)
Jahre sind vergangen und Joshua hatte sich mit Helen auf West Eine-Million-irgendwas-und-mehr zurückgezogen, um eine Familie im Ort Weiß-der-Kuckuck-wo zu gründen, als überraschend Sally auftaucht.
Auf einer Welt (über 2 Millionen West) wurden Trolle gequält. Sie sollen in der „Lücke“, einer Alternativwelt, in der die Erde selbst nicht mehr existiert, ein Raumfahrtprogramm umsetzen. Als die Trolle sich weigern, tötet eine gefangen genommene Trollmutter einen Wärter in Notwehr und löst damit eine Hasswelle auf der langen Erde gegen die Quälerei aus. Die Mutter namens Mary wird zur Symbolfigur der Gegenbewegung, zu der auch Sally zählt.
Joshua soll wie weiland Davy Crockett die Machthaber auf der Datum um Präsident Crowley von der Notwendigkeit einer fairen Behandlung der Trolle überzeugen. Crowley und Co sehen die Trolle lediglich als Tiere, dabei sind diese ähnlich intelligent wie die Menschen, kommunizieren jedoch anders.
So brechen Joshua und Sally zur Datum auf. Helen kommt mit dem Sohn David ebenfalls mit, weil sie Joshua nicht allein ziehen lassen will. Aber nicht wegen dieser Spannungen verlässt Sally auf Welt West 5 diese kleine Reisegruppe. Sie sammelt dort die pensionierte Polizistin Monica Jansson ein, um mit ihr zusammen Mary und ihr Kind aus dem Verlies zu befreien.
Die Trolle bleiben jedoch immer noch verschwunden, so dass Lobsang Joshua schließlich beauftragt, Sally und vor allem die Tolle zu suchen. Ohne Helen, aber mit Bill Chambers, einem erfahrenen „Streuner“ der langen Welten, macht er sich auf die Suche. Auf einer der Welten treffen sie den Kobold Finn McCool, der gerne Kinks hört und Informationen verkauft.
Auf Erde West 1.617.524 finden beide schließlich eine Zivilisation von Beagles vor, die aufrecht stehen können und mehr oder weniger in matriarchisch organisierten Rudeln leben. Dorthin haben sich die Trolle zurückgezogen.
Auf die Beagles waren Sally und Monica zuvor gleich nach der Befreiung getroffen. Als Joshua und Bill dort endlich eintreffen, wird Joshua sogleich von den Beagles überwältigt und mit einer Armbrust derart verbunden, dass sich ein Bolzen in sein Herz bohrt, falls er wechseln sollte. Die anderen werden auch inklusive McCool festgesetzt.
Die Menschen sollen den Beagles Strahlenwaffen besorgen, damit dieses Rudel der Beagles Krieg gegen andere Rudel führen kann. Als Dank für die besorgten Waffen wird Joshua zwar laufen gelassen... aber nur mit dem Bolzen vor dem Herz. Der Beagle namens Schneeball will ihn jagen und töten. Eine große Ehre für Joshua, der gern darauf verzichten würde und Glück hat, dass sich die Rudelführerin Li Li erbarmt und ihm lediglich das linke Handgelenk abbeißt.
Joshua bleibt also am Leben.
Maggie Kauffman ist Kapitän des Luftschiffes USS Benjamin Franklin und soll im Auftrag von Crowley mit einer Flotte von Kriegsschiffen die lange Erde abklappern und die Ansprüche auf das amerikanische Territorium auf den bewohnten Erden sichern. Zudem hat sich noch eine Unabhängigkeitsbewegung um Jack Green, den Vater von Helen, gebildet.
In Walhalla, 1,4 Millionen Erden von Datum entfernt, kommt es am Ende zum „Showdown“ dieses zum langen Krieg hochgeschriebenen Konfliktes, bei dem auch am Ende kein Schuss fällt. Die militärische Machtdemonstration von Kauffman läuft ins Leere, da sich die Separatisten einer Festnahme jeweils schnell durch Wechseln entziehen. Somit verpufft dieser „Krieg“ und der Leser fragt sich verwundert, warum dieses Buch so heißt.
In weiteren Nebenhandlungen erkunden 2 chinesische Luftschiffe die Ost-Welten bis zuer Welt Ost 20 Millionen. Leutnant Wu Yue-Sai und die junge, hochintelligente Roberta Golding werden in den nächsten Bänden noch eine Rolle spielen, aber hier treibt dieser Erzählstrang die Geschichte nicht voran und ist eigentlich überflüssig.
Ähnlich unwichtig ist die Wiederbelebung von Schwester Agnes als Gegenspielerin wie auch Partnerin von Lobsang, damit dieser geschmeidig bleibt sowie Nelson Azikiwe, der sein Kirchenamt aufgibt und Lobsang sucht.
Ganz zum Schluss sorgt ein Vulkanausbruch im Yellowstone Nationalpark auf der Datum dafür, dass ganz Nordamerika unbewohnbar wird. Ganz so nebenbei verstirbt Monica Jansson an einer Krankheit, an der sie bereits seit Jahren gelitten hatte.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass in den einzelnen Welten viel Potential für gesonderte Handlungen steckt, dieses aber durch die Flut an Einfällen förmlich begraben wird.

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