Dienstag, 23. Juni 2020

Hartmudo: Mutter


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Auf die erneuten Vorwürfe von Sunny in der WhatsApp vom 19. Februar antwortete ich dann nicht einmal mehr. Es war mir zu doof. Berta gab mir da Recht; ich hatte sie gleich nach den Nachrichten angerufen und ihr den Vorfall geschildert. Da hatten wir auch gleich wieder eine Stunde oder so Gelegenheit, über Sunny abzulästern und unser Mütchen zu kühlen. Dass sich meine Löwin und auch Bud unser dauerndes Gewinsel nicht mehr anhören konnten, kann ich heute sehr gut verstehen.
Am nächsten Tag kam von Sunny dann noch ein lang gezogenes „Dankeschööööön", aber darauf reagierte ich erst recht nicht. Mir reichte es jetzt so langsam. Wenn, dann sollte sie sich doch an Berta direkt wenden. Jetzt hieß es halt lediglich zu warten, dass der Makler einen Käufer für Mutters Wohnung findet, damit wir die leidige Angelegenheit endlich hinter uns bringen konnten.
Und tatsächlich: Anfang März meldete sich der Makler bei uns, weil er einen Interessenten an der Hand hatte. Ein Arzt wollte die Wohnung für seinen Sohn kaufen, Termin der Besichtigung von Mutters Wohnung durch Dottore und seinen Filius sollte Sonntag, der 12. März sein. Endlich war ein Ende in Sicht. Natürlich waren wir alle 3 an diesem Termin wieder präsent. Mit einiger Anstrengung schafften wir es auch, uns einigermaßen zivilisiert zu benehmen. So als ob es nie einen Streit zwischen uns gegeben hätte.
Denn es stand ja auch eine Menge auf dem Spiel. Berta und mir war die ganze Zeit klar gewesen, dass es schwierig werden würde, einen Käufer zu diesem Preis zu bekommen. Ich denke, selbst Sunny durfte das zwischenzeitlich begriffen haben, dass wir uns noch lange Zeit mit der Verwaltung der Wohnung beschäftigen konnten, falls der Dottore kalte Füße bekommen sollte. Wir hofften somit das Beste.
Der Doktor hatte wohl auch schon eine andere Wohnung in dem Haus gekauft gehabt. Seine Frau und er kannten sogar den Makler. Das wäre mal wieder ein Grund für ein wenig Paranoia bei uns Geschwistern gewesen, doch so ein Feeling kam bei uns gar nicht erst auf, weil wir bereits im Vorfeld vom Makler signalisiert bekommen hatten, dass der Doktor für 120.000 € bereits zugestimmt hatte.
Nicht mal Sunny hatte mehr gemeckert! So redeten wir nett miteinander belangloses Zeug. Der Dottore stellte natürlich die von mir mehrfach, gerade Sunny gegenüber, angesprochene schwache elektronische Verkabelung, sprich FI-Schalter, heraus. In epischer Breite schilderte er die von ihm beabsichtigte Verkabelung bis hin zum separaten Stromzähler im Keller, der ja mittlerweile seit kurzem gesetzlich vorgeschrieben ist.
Dazu die ganzen Stemmarbeiten in der Wohnung.... Es sollte ja auch in jede Ecke jedes Zimmers eine Mehrfachsteckdose installiert werden. Sein Filius würde dort sicherlich alle möglichen elektrischen Geräte anschließen wollen, genau so, wie ich es die ganze Zeit schon gesagt hatte. Das dies einen hohen Aufwand darstellt und allein schon über 10.000€ kostet, bestätigte er uns nochmal. Selbstverständlich würde er die meisten Arbeiten selbst durchführen (er ist Dottore, er kann alles!), doch Kosten entstehen hierfür auf jeden Fall.
Er meinte noch, dass bei Renovierungen bzw. Sanierungen von Wohnungen immer unerwartete Kosten entstünden, aber er nutzte die Gelegenheit nicht zum Feilschen. Ich gehe auch heute noch davon aus, dass ihm der Makler vorher den Deal zwischen ihm und uns Geschwistern erklärt hatte. Unter 120.000€ hatte unser Makler kein Mandat von uns erhalten. Sicherlich befürchtete der Dottore, dass andernfalls noch irgendein neuer Interessent auf den Plan treten könnte.
Sollte Sunny also doch Recht gehabt haben, dass der Preis zu niedrig angesetzt war? Ich sage hierzu nur: Scheiß drauf, wir hatten jetzt bereits wieder Wochen warten müssen, bis sich der Dottore gemeldet hatte. Berta, Sunny und ich - da waren wir uns wahrscheinlich einig - wollten nur noch einen sauberen Abschluss der leidigen Nachlassverwaltung unserer Mutter.
Der Dottore war also zum Kauf bereit. “Freundschaftlich” schüttelten wir uns zum Abschied die Hände. Der Dottore musste nur noch die Finanzierung mit seiner Bank durchsprechen. Berta würde ihm noch die bei ihr liegenden Unterlagen wie z. B. die Protokolle der letzten Eigentümerversammlungen zur Verfügung stellen. Eine Rißzeichnung hatte sie bereits dabei, die konnte er gleich zur Bank mitnehmen. Bei diesen Formalitäten fühlte sich Sunny wie immer nicht angesprochen. Das kam für Berta und mir wahrlich nicht unerwartet.
Kurz vor dem Termin war uns bereits eine Einladung zur nächsten Eigentümerversammlung der Wohnanlage zugeschickt worden. Mein Vorschlag, dass der Dottore bzw. seine Frau daran schon mal teilnehmen könnten, wurde von dem Ehepaar dankbar aufgegriffen. Vom Filius ist mir nichts in Erinnerung geblieben. Der war bei der Wohnungsbesichtigung wie später beim Notar nicht ein Mal dabei gewesen.
Als wir Geschwister nach dem Termin auseinandergingen, geschah dies mit spürbarer Erleichterung, aber ohne große Worte. Jeder von uns wird hinterher 3 Kreuze gemacht haben, dass wir diese Begegnung unfallfrei über die Bühne bekommen hatten. Wir alle werden wohl auch den Abend mit einem großen Seufzer der Erleichterung beendet haben, da bin ich mir sicher.
Ich selbst hatte noch ein wenig am Bierchen genuckelt.

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