Dienstag, 21. Januar 2020

Hartmudo: Vitalium 21

Bedienungsanleitung...

21
Der alte Bergmann war schwer zu verstehen, so wie er nuschelte. Aber ich konzentrierte mich und ging etwas näher ran, dann ging das schon. Endlich hatten wir den Besucherstollen Scholmzeche / Aufrichtigkeit betreten. Dieser stellt eine besondere Sehenswürdigkeit im Ort Bad Lauterberg dar, denn dieser war als Eisenstein Versuchsstollen zum Auffinden von Eisenerz in den Fels getrieben worden. Bereits am Anfang des 18. Jahrhunderts wurde dieser in reiner Handarbeit, nur mit Schlägel und Schlageisen, auf eine Höhe bis zu 4 Metern und einer Breite von 1,5 Metern „aufgefahren.“
Eine besondere Begebenheit aus der Historie habe ich mir interessiert gemerkt. Kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs hatten sich ca. 2000 Bewohner von Bad Lauterberg, darunter alle Frauen und Kinder, in diesen Stollen aus Angst vor den Russen geflüchtet. Dort mussten sie 3 Tage und 2 Nächte ausharren, bis Entwarnung gegeben werden konnte, weil schließlich doch die Amis eher als die Russen in Bad Lauterberg einmarschiert waren. Während die 2000 Menschen im Stollen ausgeharrt hatten, musste dem Stollen zusätzlich Luft mittels Sauerstoffflaschen zugeführt werden, weil die dort immer vorhandene natürliche Belüftung nicht mehr ausreichte.
Innerhalb der Dreiviertelstunde klapperten wir den gesamten Stollen ab. Wir sahen alte wie verrostete Loren und Werkzeug der Bergarbeiter, selbst ein hölzernes Fördergerüst war noch vorhanden und wohl auch betriebsbereit. Dazu war der Stollen zwar durch elektrische Grubenlampen an der Decke ausgeleuchtet, aber man konnte unschwer erkennen, dass die Kurverwaltung dieses Besucherbergwerk wohl schändlicherweise verkommen lässt. Einige der Grubenlampen waren schlichtweg defekt. In diesen dunklen Passagen machten sich die Plastehelme zum Glück bezahlt, denn mehr als einmal blieb ich an der Decke hängen.
Es stimmt einen wirklich traurig, dass dieses Museum lediglich durch die ehrenamtlichen Helfer am Leben erhalten wird. Die Helfe werden auch nicht jünger; Nachwuchs ist nicht in Sicht. Meine Löwin war richtig erbost, wie dämlich die Kurverwaltung hier agiert. So ein Besucherbergwerk ist doch auf jeden Fall als touristisches Ziel förderungswürdig.
...für die Loren

Als ich gegen Ende der Führung mit dem Bergmann der Gruppe etwas hinterher hinkte, obsiegte meine Neugier und ich fragte ihn nach seinem Alter. Zu meinem nicht geringen Erstaunen belief sich sein Alter auf 92 Jahre; dafür war er dann doch noch rüstig. Als ich ihm den Grund unseres Aufenthaltes in Bad Lauterberg nannte, meinte er nur lakonisch: “Mit dem Fasten und so nem Krams kann ich nichts anfangen. Ich habe viel Alkohol getrunken, viel fettes Fleisch gegessen und bin auch 92 Jahre alt geworden.“ So lautete sein Statement nach einem langen Leben voller Mühsal.
Am Ende verabschiedeten wir uns sehr herzlich von ihm und wünschten ihm weiterhin gutes Gelingen. Patti saß bereits mit Cooper auf der Parkbank neben den Einstieg zum Stollen. Meine Löwin wirkte etwas ungehalten, was aber lediglich an der kalten Luft im Stollen lag. Ihr war schweinekalt gewesen. Jetzt benötigte sie dringend einen Tee.
Noch immer zeigte sich die Sonne von ihrer besten Seite und schien kräftig vom Himmel. Bei diesem Wetter wollten wir gerne draußen bleiben und suchten nach einer Möglichkeit, den Tee in einem Cafe mit Außenplätzen zu uns nehmen zu können. Da mussten wir erst den Kurpark komplett durchqueren, ehe wir auf der anderen Seite fündig wurden.
Dort befindet sich die Sebastian-Kneipp-Promenade, die den Kurpark zur Innenstadt hin begrenzt. Wir gingen durch die Eingangshalle des Parkhotels Weber-Müller bis zu der Außenterrasse, wo wir uns an einem schönen Holztisch niederließen. Meine Löwin konnte hier sogar eine Decke über ihre kalten Beine werfen.
Patti bestellte sich einen Tomatensaft, auf den sie einen richtigen Japp hatte. Einen Napf mit Wasser gab es für Cooper, der Rest von uns freute sich auf einen Becher Pfefferminztee. Auf dieser Sonnenterrasse konnten wir die vergangene Woche entspannt Revue passieren lassen. In dieser angenehmen Atmosphäre ließ es sich hervorragend chillen.
Nach dieser Pause hatte Pocke noch ein Ziel vor Augen. Am Vortag hatte er in einem Schuhladen schöne Mokassins von Bugatti entdeckt, die er nun zu kaufen gedachte. Patti ging derweil mit Cooper direkt zum Appartement zurück, meine Löwin und ich gingen noch ein Stück mit Pocke mit. weil wir auch noch mal gucken wollten.
Bevor auch wir uns aufteilten, kamen wir an einem Lebensmittelgeschäft vorbei. Dieser Laden war tatsächlich noch unabhängig, gehörte ergo keiner Kette an. Dieser Einsatz verdiente selbstverständlich unsere Unterstützung; da mussten wir rein. In den halbleeren Regalen gab es alles, was man für den Urlaub in einer Ferienwohnung schnell noch mal besorgen muss. Das ging vom Klopapier über Spülmittel bis zur abgepackten Wurst und Brot von Harry. Doch auch Obst und Gemüse waren hier erhältlich.
In einer Spezialitätenecke fand Pocke noch einen Aquavit aus dem Harz, den er da nicht stehen lassen konnte. Meine Löwin und ich begnügten uns mit zwei Päckchen Tee von Goldmännchen, damit wir den Ladenbesitzer wenigstens etwas unterstützten. Pocke musste sich nun beeilen, um seine Schuhe noch vor Ladenschluss kaufen zu können. Meine Löwin und ich waren dagegen vom Kaufrausch verlassen und machten uns auf den Weg zurück ins Vitalium. Schnell noch die Beute im Auto verstaut, dann gingen wir in den 3. Stock auf unsere Zimmer.
Die verbleibende Zeit bis zum Abendessen wollten wir nutzen, um schon mal unsere Koffer zu packen, damit wir am nächsten Morgen nach dem Aufstehen schnell frühstücken und gleich nach Braunschweig zurück fahren können. Ich brauchte nach dieser Packaktion lediglich die Badartikel und meine Schlafmaske zu verpacken, der Rest war im Koffer oder ich würde es kurz reinschmeißen.
Bestens vorbereitet erschienen wir daher um 18.00 Uhr zum letzten Abendessen in Bad Lauterberg. Meine Löwin und ich waren jetzt die einzigen Heilfaster am Tisch. Wir erfreuten uns an der wässrigen Excelsiorsuppe und den Orangenschnitzen. Dazu gönnten wir uns ein Glas mit Bittersalz. Dieses stürzte ich mittlerweile mit einem Viertelliter Wasser auf Ex hinunter, ohne das Gesicht verziehen zu müssen. Danach gönnte ich mir noch eine Portion Honig und ab dann hieß es einfach nur warten...
Pocke und Patti wurden dagegen fürstlich versorgt. Pocke bekam zwar auch nur einen Brei, aber immerhin Kohlenhydrate. Für Patti war ihr leckeres Gemüsegericht wieder überproportioniert, so dass sie es nicht aufessen konnte. Bei diesem Anblick ritzten meine Finger neue Kerben unter die Tischplatte, als ich die nicht verzehrte Hälfte dieser Köstlichkeit betrachtete.
Wie am Vorabend gingen Patti und Pocke gegen 19.00 Uhr in die Sauna, während meine Löwin und ich es uns am Kartenspieltisch im vorderen Speisesaal bequem machten - natürlich nach unseren Toilettengängen. Wir schafften gerade eine Partie „Take Five“, als Patti und Pocke schon mit der Sauna fertig waren und sich zu uns gesellten.
Auf Wunsch von Pocke versuchten wir uns dieses Mal an einem anderen Spiel. Meine Löwin machte uns mit einem Spiel namens „Herzeln“ bekannt, dass sie aus ihrer Kindheit von der Verwandtschaft aus Schleswig-Holstein kannte.
Gemütlich

Dieses Kartenspiel kann man getrost als Vorstufe zu Skat oder auch Doppelkopf bezeichnen, was vor allem das Interesse von Patti weckte, die ja immer wieder Doppelkopf lernen möchte. Bei diesem schönen Spiel kam sie dann sehr gut zurecht und gewann eine Vielzahl an Spielen. Mit der Zeit wurde sie immer besser. Pocke dagegen verlor alle vier Runden, ließ sich aber davon nicht den Abend verderben.
So hatten wir an unserem Abschiedsabend sehr viel Spaß und noch mehr Kräutertee. Erst weit nach 23.00 Uhr beendeten wir den Spieleabend, den wir in Braunschweig durchaus einmal wiederholen könnten. Noch auf dem Flur verabschiedete ich meine Löwin ob der fortgeschrittenen Stunde. Es folgte mein üblicher Toilettengang und noch etwas Zeit des Lesens in meinem Buch. Diesmal stellte ich mir den Wecker auf 5.40 Uhr, damit ich für den letzten Auftritt der Frau mit dem Wickel bereit wäre.

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