Mittwoch, 15. Januar 2020

Hartmudo: Vitalium 19


19
„Guten Morgen!“ Fröhlich begrüßte mich die Frau mit dem Wickel, als sie um Viertel nach Sechs ins Zimmer stürmte und mich aus sämtlichen Träumen riss. Ihre gute Laune verflog jedoch schlagartig, als ich ihr sagte, dass ich vor dem Wickel zunächst einmal pinkeln müsste, weil ich andernfalls keine halbe Stunde durchhalten würde.
„Ich habe sie extra zum Schluss vorgesehen. aber gut, machen Sie“, grummelte die Frau mich an. Da konnte ich nicht wirklich drauf wechseln. Noch beim Pinkeln dachte ich, dass sie an den vorherigen Tagen doch immer noch früher erschienen war und ich da sogar schon wach war. Was wollte sie eigentlich? Aber egal, Tag geht los.
Dann war sie endlich verschwunden und ich konnte die nächste halbe Stunde noch entspannt in meinem Buch lesen. Hinterher saß ich wie an den letzten Tagen auch auf dem Klo und daddelte „Angry Birds Go“, um mir danach die Zeit mit dem Schreiben dieser Story zu versüßen.
Meijne Löwin und ich trafen uns heute etwas früher, also noch vor Acht, da wir heute unseren Arzttermin zum abschließenden Gespräch hatten. Deshalb spülten wir den Karottensaft mit einem Tee sehr fix hinunter und vergaßen darüber, die Heilerde zu uns zu nehmen. Ich verrate es mal: Wir haben es überlebt.
Mittendrin in unserem Frühstück tauchten Patti und Pocke am Tisch auf. Wir diskutierten kurz darüber, ob wir nachmittags an unserem letzten Tag spazieren gehen oder doch wie geplant das Bergwerk besuchen wollten. Wir bevorzugten das Bergwerk, ließen uns eine endgültige Entscheidung aber offen.
Pocke hatte vor seinem Platz eine Kerze stehen, da er nun mit dem Fastenbrechen beginnen würde. Die Servicekraft brachte ihm zur Belohnung seiner Mühen eine leckere Hirsegrütze und zündete nebenbei die Kerze feierlich an. Das ganze Procedere wirkte einfach nur noch niedlich auf mich, fast so wie an einem Kindergeburtstag.
Geburtstag! Im Hinausgehen gratulierten wir noch der Hausdame zu ihrem Geburtstag, den sie mit einigen anderen Mädels anging. Die Hausdame war dennoch ganz bei der Sache und riet uns, zum Arzttermin im Bademantel zu erscheinen, weil wir ja auch die Waage betreten müssten. Schnell gingen wir hinauf auf unsere Zimmer, um uns umzuziehen. Mein Termin beim Arzt war für 8.30 Uhr vorgesehen, meine Löwin würde eine Viertelstunde später drankommen. Da wir gemeinsam im Aufenthaltsraum aufliefen, war sie sicherlich etwas früh erschienen. Der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen, dass Patti und Pocke gleich nach meiner Löwin terminiert waren.
Meine Löwin erwähnte gerade, dass sie nachmittags wohl doch lieber den Gang zur Odertalsperre an der Oder entlang in Angriff nehmen würde statt ins Bergwerk zu gehen, weil es draußen dank Sonnenscheins nach einem schönen Tag aussah, als der Doktor mich in sein Zimmer bat.
Prompt vergaß ich beim Eintreten sogar meinen Zimmerschlüssel. Sorgen brauchte ich mir deswegen selbstverständlich nicht machen. Meine Löwin war ja da. Dr. Hönck von Plachy befragte mich zuerst nach meinem Befinden. Dies war richtiggehend gut, wie ich ihm freudig berichten konnte.
Im weiteren Verlauf schilderte ich ihm meine zukünftige Planung. Zuhause würde ich noch weiterhin fasten, um zu sehen, ob ein Fasten auch während der Arbeit funktionieren würde. Denn dann möchte ich im Herbst das Fasten noch einmal angehen und im nächsten Jahr sehr gern wieder das Vitalium besuchen.
Der Doktor blieb erst einmal stumm. Ja, er wirkte sogar geschockt, was mich etwas irritierte.
Und anstatt auf meine Planung einzugehen, fragte er mich überraschenderweise, ob ich auch gewandert wäre und wenn ja, wohin.
Wahrheitsgemäß berichtete ich ihm von unserem Gang um den Wiesenbeker Teich und natürlich dem Aufstieg zum Bismarckturm. Der Doktor zeigte sich baff erstaunt, dass ich den steilen Aufstieg geschafft hatte. Er fügte auch noch an, dass er sich nicht vorstellen könne, das ich neben der Arbeit noch fasten könne.
Danach folgte die Stunde der Wahrheit; ich musste mich wie in „the biggest Looser“ auf die Waage begeben. Der Doktor schob die Regler hin und her und blieb bei fantastischen 104,5 kg stehen. Da war nicht nur er begeistert. Ich für mein Teil war mehr als zufrieden und wusste in diesem Moment, dass sich all die Anstrengungen gelohnt hatten.
Jetzt konnte ich ihm auch meine größte Sorge schildern. Ich erklärte dem Doktor, warum ich den für diesen Tag geplanten Wechselbrustguß nicht machen wollte. Schon beim Beinguss hatte ich einen empfindlichen Schmerz im Unterschenkel verspürt. Dank meines eklatanten Bluthochdrucks befürchtete ich bei einem Guss über die Brust das Schlimmste.
Der Doktor zeigte für meine Bedenken vollstes Verständnis und meinte nur, dass sich niemand in der Kur quälen sollte, da die ganze Woche ja auch der Entspannung dient. Er bot mir alternativ einen moderaten Wechselbrustguss mit lauwarmen statt kalten Wasser oder den beliebten Wechselarmguss an. Da ich doch ein wenig Action erleben wollte, entschied ich mich für den Wechselarmguss. Danach war meine Session beim Doc beendet.
Draußen im Aufenthaltsraum schnappte ich mir meinen Schlüssel, den meine Löwin bereits eingesteckt hatte, ohne es zu merken. Voller Glück flog ich fast in mein Zimmer und zog mich schnell noch einmal um. Kurzentschlossen streifte ich meine Badeshorts über, weil ich nach dem Guss das Schwimmbad aufsuchen wollte. Um Punkt 9.00 Uhr stand ich im Keller bei der Bademeisterin auf der Matte.
In dem Raum der Anwendungen mit den Güssen geriet ich augenblicklich in einen Stau, weil sich irgendwelche Leute vor mir offenbar verspätet hatten. Bis ich endlich 10 Minuten später dran kam, unterhielt ich mich kurz mit der korpulenten Dame, die ein Problem mit ihrem Asthma hat. Immerzu braucht sie deshalb frische Luft und hatte deshalb in den Tagen zuvor das Fenster aufgerissen. In Wartezimmern bei ihren Ärzten würde sie auch andauernd die Fenster aufreißen. Dauernd müsste sie sich darüber aufregen, weil die Kranken meinen, im Mief sitzen zu müssen statt frische Luft zu tanken.
Ganz vorsichtig versuchte ich ihr klarzumachen, dass Zugluft bei schweren Erkältungen für normale Menschen einer Gesundung entgegensteht, was sie aber nicht im Mindesten interessierte. Zum Glück war sie jetzt endlich an der Reihe, ehe wir uns noch richtig in die Haare kriegen würden.
Sie brauchte wirklich nicht lange; danach war ich an der Reihe. Dann hieß es wieder... „tiiief ein-at-men... uuund aus-at-men!“. Dieser Wechselarmguss war mal so richtig entspannend, weil ich überglücklich war, dass mir der Heiß-Kalt-Effekt an meinem Oberkörper erspart blieb. Da war mir richtig ein Stein vom Herzen gefallen. Mich hatte das doch mehr beschäftigt, als ich mir selbst gegenüber zugegeben hätte.
Glücklich verabschiedete ich mich und ging gleich hoch ins Schwimmbad. Da ich laut Waage viereinhalb Kilo abgenommen hatte, war ich natürlich entsprechend euphorisch unterwegs. Im Becken drehte meine Löwin bereits einsam ihre Runden, denn auch heute hatten wir das Becken für uns allein. Wie sie mir berichtete, hatte sie 3 kg verloren. Doch da sie vor der Fastenkur Wassertabletten zu sich genommen hatte und deshalb zu wenig Wasser im Körper aufwies, war dieser etwas schlechtere Wert gegenüber meinem erklärlich, zumal ich eh in einer anderen Gewichtsklasse spiele. Laut dem Doktor entsprach der Wassermangel meiner Löwin so ein bis zwei Kilogramm, die ihr Körper sich jetzt dank des vielen Tees und den abgesetzten Wassertabletten zurück geholt hatte. Als positiven Nebeneffekt bezeichnete meine Löwin ihre nunmehr straffere Haut.
Wir wollten mit Pocke und Patti noch auf den Markt in der Innenstadt gehen, deshalb blieb ich diesmal nicht ganz so lange im Becken und begab mich vorzeitig auf mein Zimmer zum Umziehen. Ich wartete dort auf meine Löwin, die mich gegen halb Elf abholen wollte. Sie machte ihre Stunde im Becken voll; meine Löwin liebt es, wenn sie das Schwimmbecken für sich alleine hat und ungestört plantschen kann.
Bereits kurz nach 10.00 Uhr war ich vollständig bekleidet. Das sich Pocke per Whatsapp gemeldet und Patti sogar angerufen hatte, bekam ich gar nicht mit, da ich zunächst dringend auf die Toilette musste. Zuguterletzt hatte ich begriffen, dass die Klobürste in dieser Woche zu meinem Freund geworden war. Nach dem Klo antwortete ich auf Pockes Anfrage, der sich mit uns um 10.00 Uhr treffen wollte. Zur Antwort konnte ich ihm lediglich halb Elf oder kurz danach bieten; deshalb sollten wir dann im Appartement vorbeischauen, wenn wir so weit waren. Ein Rückruf bei Patti erübrigte sich damit.

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