Samstag, 18. Januar 2020

Hartmudo: Vitalium 20


20
Bis mich meine Löwin endlich abholte, verdaddelte ich die Zeit mit dem täglichen Lesen der Nachdenkseiten und dem Versenden eines dort gefundenen Beitrags über Fake News an die BiRe-Gruppe. Diese News werden pikanterweise gerne von unseren Leitmedien wie Spiegel, FAZ oder auch der Süddeutschen versandt. Konkret ging es um Meldungen über Venezuela, mit denen versucht wurde, einen Staatsstreich zu unterstützen.
Meine Löwin war tatsächlich sehr schnell gewesen und schon 10 Minuten nach halb Elf bei mir. Schnurstracks brachen wir zum Appartement auf. Alle zusammen gingen wir dann zum Markt in die Innenstadt. Cooper war wieder mal frohgemut und lief freudig auf und ab, als er meine Löwin und mich sah. Auch Pocke machte einen fröhlichen Eindruck, zumal er sogar 5 kg abgenommen hatte. Patti dagegen hatte ich nicht mehr nach ihrem Gewicht gefragt, weil sie wohl eher mehr als weniger Gewicht auf die Rippen bräuchte.
Der Markt befand sich an der Kirche - wo auch sonst - und war eher klein zu nennen. Dennoch fanden meine Löwin und ich bei zwei Händlern eine gute Auswahl an Gemüse, welches wir nach kurzem Nachdenken einkauften. Ein Händler überraschte uns völlig, weil er nicht nur die uns bekannten rote und weiße Beete feilbot, sondern selbst orange oder gar längliche Beete im Sortiment hatte. Zu meinem nicht geringen Erstaunen schlug meine Löwin unmittelbar zu und kaufte eine ganze Ladung an Beete, die sie normalerweise hasst wie die Pest. Sie erklärte es mit einem schönen Rezept, bei dem die Beete im Backofen zubereitet wird. Da war ich mal gespannt.
Wir rundeten unseren Einkauf mit Sellerie, Tomaten, roten Zwiebeln und frischem Knoblauch ab. Dieser wird laut dem Verkäufer wie Lauch vom Stück abgeschnitten. Spätestens da hatte er uns überzeugt. So waren wir also mit reichlich gesundem Gemüse gesegnet und hielten nach unseren Mitstreitern Ausschau.
Wir entdeckten Patti und Pocke etwas weiter weg an einem Wurststand. Dort hingen sie mit Cooper ab und schauten interessiert in die Auslage. Normalerweise gibt es auf dem Markt immer etwas zum Probieren. Die werden doch wohl nicht... Nein, taten sie nicht. Wie am Vortag beim Pferdeschlachter kauften sie lediglich Ware ein. Am Schluss besorgte sich Pocke noch Brot für den nächsten Tag zuhause; danach waren wir durch und gingen zurück ins Vitalium, weil es nunmehr Zeit fürs Mittagessen war. Unsere zahlreiche Beute verstauten wir wie üblich in unseren Autos auf dem Parkplatz.
Meine Löwin nahm meine Jacke mit in den dritten Stock, als wir kurz darauf im Vitalium eingetroffen waren. Denn zu meiner Freude war die neue Rechnung endlich da. Die wollte ich gleich bezahlen, damit das vom Tisch ist. Leider hing die Sekretärin noch am Telefon. Zusammen mit einer anderen Frau, die ebenfalls zahlungswillig war, wartete ich vor dem Büro bzw. der Rezeption im Flur vor dem Speiseraum. War eh ein Zimmer.
Da wir unverrichteter Dinge dort herumstanden, schaute ich vorsichtshalber mal in die Rechnung hinein und war entsetzt. Die Sekretärin hatte schlampig gearbeitet; lediglich die Arztkosten und die Anwendungen hatte sie dazu addiert. Diese Kosten, von denen ich nicht alle von meiner Krankenkasse und der Beihilfe ersetzt bekomme, würde ich so „on Top“ bezahlen. Da hätte sie die Rechnung gar nicht erst ändern müssen, wenn ich am Ende dasselbe wie meine Löwin bezahle, also den Preis für Touristen aus dem Internet.
Mein Puls stieg rasant an, ich war offenbar mehr als sauer. Mit aller Kraft zwang ich mich zur Ruhe. Das kriege ich auch ohne Muskelentspannung a la Jacobson hin. Die andere Frau hatte derweil das Büro betreten, ich würde gleich dran sein. Meine Löwin lief schon zum Essen an mir vorbei; ein Lächeln bekam ich gerade noch so hin. Hauptsache ruhig. Es wäre kontraproduktiv gewesen, wenn ich die Sekretärin angebrüllt hätte. Aber ich nahm mir fest vor, das Vitalium zukünftig zu meiden, sollte ich hinterher dank eines Fehlers der Sekretärin bei den Kosten unnötig draufzahlen oder auch nur Stress mit meiner Krankenkasse oder der Beihilfe bekommen.
Mit einem stahlharten Lächeln zeigte ich kurz darauf der Sekretärin die erneut falsche Berechnung, bei deren Anblick sie sich augenblicklich entschuldigte. Sofort war ich ruhiger und verfiel auch gleich wieder in einen moderaten Plaudermodus. Wie mir die Sekretärin erklärte, war sie von einem falschen Tagespreis der Unterkunft ausgegangen, weil sie in ihrer Tabelle verrutscht war. Statt 63 Euro reiner Unterkunftskosten hatte sie mit 77 Euro den Preis zugrundegelegt, bei der sämtliche medizinischen Leistungen eingepreist sind. Der Preis für die Touristen halt.
Sie wollte dies umgehend nochmals korrigieren . Sie erklärte mir, dass ich insgesamt dennoch mehr als meine Löwin (deren Rechnung ich selbstredend übernahm) bezahlen müsste, da Arztkosten und Anwendungen nach der Ärztegebührenverordnung abgerechnet werden. Diese Kosten seien fix. Der insgesamt niedrigere Preis für meine Löwin ist der Tatsache geschuldet, dass man das Angebot für Interessierte, die dies nicht von ihrer Kasse bezahlt bekommen, attraktiv halten müsse. Unverblümt sprach sie noch von einer gesunden Mischkalkulation.
Nun war ich beruhigt und mein Puls lief wieder in normalen Bahnen, so dass ich mich erst einmal zum Mittagessen begeben konnte. Meine Mitstreiter saßen bereits am Tisch. Pocke hatten sie wieder eine brennende Kerze vor die Nase gestellt. Darauf konnte er sicherlich verzichten, nicht aber auf die Gemüsesuppe, die vor ihm stand. Der Unterschied zu der gewohnten Fastensuppe ergab sich durch das unpürrierte Gemüse. Ganze Stückchen also, da waren meine Löwin und ich nicht so komfortabel versorgt. Wir hatten lediglich die schon gewohnte Excelsior Suppe in der Thermoskanne vor unserer Nase stehen.
Patti hatte ja bereits am Abend zuvor geäußert, dass sie die gestiftelten Rüben nicht mehr sehen könne. Sie wiederholte dies und überlegte, am Nachmittag ob des schönen Wetters lieber mit Cooper durch den Kurpark spazieren zu gehen statt mit uns das Bergwerk zu besuchen. Dort wollte sie partout nicht hin. Pocke schlug daraufhin einen Kompromiss vor. Sollte die Führung länger als eine Dreiviertelstunde dauern, würde er sich Patti anschließen, da andernfalls das sonnige Wetter vorbei gewesen wäre. Dies wollten wir eigentlich alle ausnutzen, um uns etwas zu bewegen.
Nach der üblichen Pause zu Mittag dank des Heuwickels gingen meine Löwin und ich zum Appartement, um Pocke zum Besuch des Bergwerks abzuholen. Wir beide wollten das Bergwerk auf jeden Fall besuchen, wenn wir schon mal in Bad Lauterberg sind. Kultur pur, und das satt. Pocke war jedoch dank des Heuwickels sanft entschlummert, so dass wir allein Richtung Bergwerk aufbrachen. Patti wollte noch auf Pockes Auferstehung warten und dann mit Cooper nachkommen.
Meine Löwin und ich gingen deshalb erst einmal los Richtung Kurpark. Die Sonne schien bereits kräftig auf uns herab, als ob der Frühling gerade begonnen hätte. Gerade waren wir an unserem Parkplatz vorbei gekommen, als ich plötzlich auf dem Fußweg ein einsames Haribo Colafläschchen liegen sah.
Das arme kleine Ding! Fast kamen mir die Tränen vor Rührung. Mit letzter Kraft konnte ich mich gerade noch zurücknehmen und ließ sie dort, wo sie lag. Am liebsten hätte ich das kleine Colafläschchen gerettet, indem ich es aufhebe und in meinen warmen Mund schiebe, um es langsam und genüsslich zu zerkauen. Wie wir kurz danach feststellen konnten, plagten meine Löwin ähnliche Gefühle.
Im Kurhaus angekommen, ging meine Löwin zur Frau in dem Kassenhäuschen und informierte sich über den genauen Treffpunkt zur Führung durch das Bergwerk und die Dauer derselben. Tatsächlich konnte ihr die Kassiererin bestätigen, dass die Führung wirklich lediglich 45 Minuten dauern würde. Bezahlen müssten wir die Führung direkt am Treffpunkt bei dem alten Bergmann, der die Führung durchführen würde.
Sofort griff ich zu meinem Smartphone, um Pocke per Whatsapp zu briefen. Gleich danach brachen wir zum Treffpunkt auf. Dieser befand sich laut der Kassiererin am Ende des Kurparks hinter den Tennisplätzen. Obwohl ich leicht verunsichert ob der korrekten Richtung war, gingen wir strammen Schrittes los. Spätestens vor der kleinen Brücke - diese sollten wir noch überqueren - war ich beruhigt. Hier waren wir richtig, da war mir klar und deutlich bewusst. Denn hier war ich bereits vor ein paar Tagen mit Cooper und dessen Herrchen / Frauchen gewesen. An das Schild vorm Eingang des Stollens konnte ich mich wieder erinnern.
Noch bevor wir die Brücke betraten, rief ich Pocke direkt an, um zu horchen, was nun Trumpf war. „Bleib da stehen, wir sehen Euch. Sind 100 Meter entfernt.“, sagte er gleich. Und tatsächlich: Kurz blickte ich in Richtung des Vitaliums, da sah ich sie schon. Über den Rasen kamen sie auf uns zu.
So waren wir alle rechtzeitig angekommen. 14.45 Uhr, da hatten wir sogar noch etwas Zeit, bevor es um 15.00 Uhr los gehen sollte. Gespannt setzten wir uns auf eine Parkbank unmittelbar neben dem Eingang zum Schacht. Pünktlich um 15.00 Uhr kam dann der bereits anvisierte alte Bergmann um die Ecke geschlichen. Offensichtlich war er schon sehr alt und wirkte leicht gebrechlich.
Der Eintritt war mit 3,- € (mit Kurkarte) überraschend günstig. Da hätten wir auch mehr gezahlt. Nach dem Bezahlen bat uns der Bergmann, die Parkas zu schließen, weil es im Stollen erheblich kälter sein sollte als draußen bei dem milden Wetter. Als wir uns dann mit den anderen 10 Teilnehmern dieser Führung im Vorraum versammelten, teilte der Bergmann noch jeweils einen gelben Schutzhelm aus Plaste an jeden aus. Dies war durchaus sinnvoll, wie wir später noch merken sollten. Zusätzlich teilte er noch 3 Taschenlampen aus; eine davon konnte meine Löwin ergattern.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen