Donnerstag, 23. Mai 2019

Hartmudo: Mutter


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Die Tage gingen so dahin, doch der 5. Dezember und damit das Treffen mit dem Makler in Mutters Wohnung rückte immer näher. Und 2 Tage vorher war dieser Termin noch nicht Thema, als meine Löwin und ich mit Berta und Bud den Weihnachtsmarkt in Wöltingerode besuchten. Nein, keine Bange, wir vermiesten uns den Besuch im Kloster nicht durch endloses Grübeln darüber, womit Sunny uns am Montag überraschen könnte.
Ganz entspannt klapperten wir den Weihnachtsmarkt ab, wobei wir uns den Eintritt erspart hatten, weil wir noch vor Besetzung der Kassen am Eingang, also vor 10.00 Uhr, in Wöltingerode waren und die ersten Buden quasi mit eröffneten. An diesem sonnigen Dezembertag checkten wir in Ruhe die einzelnen Stände ab, bis sich der Weihnachtsmarkt so nach und nach füllte.
Der Eierpunsch war lecker, ebenso der beliebte Nonnenzipfel. Letzterer ist ein Gläschen mit dem allseits beliebten Zimtlikör des Klosters - warm natürlich - mit einer Sahnehaube obendrauf. Ist leider sehr schnell alle, das Glas. Aber einer musste reichen, ich wollte mich schließlich nicht schon morgens abschießen.
Nachdem wir den Weihnachtsmarkt einmal komplett durchlaufen hatten, fuhren wir zurück. Abends spielten wir dann noch bei uns Karten, jetzt kam dann doch, mal so zwischendurch, wieder das leidige Thema um den Streit mit unserer Schwester auf den Tisch. Wie so häufig in jenen Wochen konnten Berta und ich es nicht lassen. Wir sinnierten über Sunny's Verhalten und redeten uns gegenseitig in eine trübe Stimmung.
Zum Glück bremsten Bud und meine Löwin uns beide wieder ein. Sie erinnerten uns daran, das wir selbst schuld daran sind, wenn Sunny uns vor sich her jagt. Schließlich sind wir zu zweit, wir müssten Sunny nur mal konsequent die Grenze zeigen. Und genau damit hatten beide Recht.
Wenn Berta und ich von Anfang an einen klaren Kurs gesetzt hätten, anstatt uns von Sunny mit ihren Ausbrüchen emotionell in die Ecke stellen zu lassen, wäre Sunny wohl nicht so wie ein Zäpfchen abgegangen. Aber es brachte jetzt nichts, vergangenen Gelegenheiten hinterher zu trauern. Vor allem nicht irgendwelche Geschichten aus der Kindheit, wo meine Schwestern sich nicht so gut verstanden hatten, wie ich immer geglaubt hatte. Wir hatten uns während der letzten Wochen in die sprichwörtliche Ecke drängen lassen und darüber hinaus auch noch eine breite Angriffsfläche geboten, weil wir uns auf das gegenseitige Anbrüllen einließen und dadurch selbst „Dreck am Stecken" hatten.
Dankenswerterweise retteten Bud und meine Löwin den Abend, weil sie uns zur Ordnung riefen. Wie am Vormittag auch verbrachten wir einen unbeschwerten Abend, ohne weiter an Montag zu denken und hatten eine Menge Spaß beim Kartenspielen. Ich denke, dieser Tag hatte vor allem Berta gut getan.
Am Montag, dem 5. Dezember, trafen wir uns um 15.00 Uhr zum Termin mit dem Makler in der Wohnung. Ich kam natürlich wieder kalt und direkt von der Arbeit, also vom Bahnhof mit der Straßenbahn. Da der Makler noch absent war, nickte ich nur kurz grüßend in Richtung von Sunny und Reiner, die in ihrem Wagen saßen. Ich stellte mich an die Karre von Berta und Bud, was Sunny sicherlich wieder als einseitige Parteinahme gewertet hatte, aber scheiß drauf. Wer Fronten aufmacht, darf sich nicht wundern, wenn sie sichtbar werden.
Zum Glück ließ uns der Makler nicht allzu lange warten. Sein Auftritt war dann auch standesgemäß: Er fuhr in einem Zweisitzer vor, BMW oder Daimler. Am Steuer saß die langhaarige Blondine, wahrscheinlich seine Sekretärin - oder doch seine Freundin? Sie selbst blieb im Wagen sitzen, sie wirkte eh nicht so, als ob lange Erklärungen ihre Stärke wäre.
Der Makler stieg aus und kam mit seinem Mäppchen unter dem Arm auf uns zu. Jung sah er aus, aber auch kompetent und doch erfahren. So ein Mann könnte nebenbei Versicherungen verkaufen! Als er mir direkt gegenüberstand und die Hand lächelnd in meine drückte, hatte ich noch kurz die Idee, dass er sich auch gern mal die Nase pudert.
Zusammen stiegen wir die Treppen bis zu Mutter's Wohnung im dritten Stock hinauf. Reiner kam auch mit, Bud blieb deshalb ebenfalls nicht im Auto. Sunny erklärte dem Makler beim Hinaufgehen noch, was zur Wohnung mit dazugehört. Also ein Kellerraum und eine Speicherkammer unter dem Dach. Wir Geschwistern vermeideten das Gespräch untereinander, da war Funkstille angesagt. Der gesamte „Small Talk" lief ausschließlich mit dem Makler.
In der Wohnung inspizierte der Makler als erstes die einzelnen Räume. Sofort fiel ihm etwas wesentliches ins Auge, das ich beim Renovieren unserer Wohnung vor dem Einzug selber kennenlernte. Für die gesamte Wohnung gab es lediglich 3 Sicherungen, ein FI-Schalter als zusätzliche Absicherung fehlte gänzlich.
Was war das 2006 für eine Arbeit gewesen. Sicher, wir hatten über die Firma meiner Löwin einen guten Bauelektriker an der Hand, der wie ein Pferd ackerte und auch dementsprechend kostete. Tatsächlich war der Mann sein Geld wert. Damit will ich sagen, dass der fehlende FI-Schalter den Verkaufspreis drücken würde. Denn wer will denn heute noch eine Wohnung beziehen, die dermaßen schlecht abgesichert ist?
Wenn der Fernseher läuft, die Waschmaschine noch dazu, dann springt die Sicherung raus, wenn der Wasserkocher angemacht wird. Oder die Mikrowelle. Für höchstwahrscheinlich junge Käufer, die mindestens einen Desktop PC am Start haben, die PlayStation nicht zu vergessen, ist das natürlich das absolute Horrorszenario, wenn der Rechner oder die Konsole abkackt, weil sich die Sicherung verabschiedet.
Der neue Eigentümer würde die Elektrik zwingend machen müssen. Dazu - wie gesagt, ich kenne das - werden in der gesamten Wohnung die Leitungen neu gelegt, sprich: Die entsprechenden Kanäle unter Putz werden mit einer Hilti hineingefräst und anschließend zugespachtelt. Und selbstverständlich gehört an jede Wand eine Dreifachsteckdose!
Daraus folgt, dass die gesamte Wohnung quasi von Grund auf saniert werden müsste. Das bedeutet viel Zeit, viel Arbeit und noch mehr Geld. Die Notwendigkeit dieser Arbeiten riss ich kurz an, aber weder Sunny noch Reiner zeigten sich davon beeindruckt. Sowohl an diesem Nachmittag als auch später übergingen sie diesen Punkt, wenn ich ihn erwähnte, weil sich dies logischerweise negativ auf den Preis auswirkt.
Sunny war ja so zentriert auf die 145.000,-€ Verkaufspreis, die ihr von Dörtes Freundin eingeredet wurde, dass sie gar nicht mehr klar denken konnte. Und von Reiner, der ja für Siemens Gleisanlagen bei der Bahn erneuert und wartet, hätte ich mir da ein wenig Unterstützung erhofft. Gerade er müsste es doch verstehen! Vielleicht hat er es später mit Sunny auch besprochen, schließlich wurde Sunny später doch vernünftig. Aber er hätte seinen Senf als Fachmann auch Berta und mir gegenüber absondern können.
Das relativ große Wohnzimmer schien dagegen noch ein Aktivposten zu sein. Das Zimmer könnte man durch eine Zwischenwand teilen. Ursprünglich war dies wohl auch so gewesen, das konnte man anhand eines entsprechenden Trägers in der Decke noch sehen. Außerdem konnte der Makler hinter dem Schrank im Flur noch die eingestellte Platte aus Fermacell zur Ausfüllung des Türbogens ertasten. Auf der anderen Seite, also im Wohnzimmer, befand sich an der Stelle dieser Wand zufällig der große Wohnzimmerschrank.
Spätestens beim Ausräumen der Möbel hätten wir das sicherlich auch entdeckt.

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