Mittwoch, 1. November 2017

Contramann: kurz gesehen im November

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundespraesident-frank-walter-steinmeier-ein-mutmacher-gegen-die-angstmacher-a-1134212.html
Frank-Walter Steinmeier – ein Mutmacher gegen die Angstmacher. Au Weia! Ein Signal gegen die Rechtspopulisten? Meine Güte, ausgerechnet Steinmeier. Der Kommentator Kuzmany wollte nach der Wahl des Bundespräsidenten allen Leuten einen entschlossenen Steinmeier verkaufen, der den vielen Menschen, die die Aufnahme von Flüchtlingen durch ihr Engagement unterstützt hatten, Mut und Bestätigung gibt.
Jenen Frank-Walter Steinmeier, dem zuvor als Außenminister das Schicksal der syrischen Flüchtlinge, die seit Jahren in Lagern in der Türkei wie in Jordanien hocken, herzlich egal war. Als die UN bereits Ende 2014 vermeldete, dass die Mitgliedsstaaten ihren Obulus zum Unterhalt dieser Flüchtlinge nicht oder nur spärlich gezahlt hatten und die Unterstützung dieser Flüchtlinge derart zurückgefahren werden musste, das eine Versorgung nicht mehr gewährleistet war. Auch Deutschland war hier ein säumiger Zahler.
Desweiteren war Steinmeier auch am Deal Merkels mit Erdogan beteiligt; die offenen Arme Deutschlands entpuppten sich so als hohle Phrase, wenn Geld für die Zurückhaltung von Flüchtlingen gezahlt wird. Nein, Mut fällt mir bei Steinmeier eher nicht ein.
Ich denke eher an seine Beteiligung an der Hartz IV Gesetzgebung.

http://www.focus.de/politik/deutschland/kritik-an-den-linken-nahles-aeusserte-zweifel-an-rot-rot-gruenem-buendnis-im-bundestag_id_6667358.html
Kurze Zeit nach dem Kommentar kam noch Frau Nahles aus dem Dickicht nach vorne und äußerte ihre Kritik an einem rot-rot-grünem Bündnis im Bundestag. Hierbei bitte ich zu beachten, dass rein rechnerisch eine solche Koalition im alten Bundestag von 2013 bis 2017 eine Mehrheit gehabt hätte. Damit wären soziale Projekte, für die Frau Nahles in diesem Focus Artikel auch eintritt, mühelos durchsetzbar gewesen.
Mindestlohn und Begrenzung der Managergehälter werden von Frau Nahles hier benannt. Dies sind auf alle Fälle alte Forderungen der Linken, Frau Nahles. Aber halt, die Linke würde ja eher die SPD bekämpfen als die Konservativen. Ich war beim Lesen dieses Artikels schlicht erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit Frau Nahles hier die Tatsachen verdreht.
Es war doch die SPD, die permanent auf die Linke eingedroschen hat. Wenn es nicht so wäre, hätte Frau Nahles mit der SPD z.B. den Mindestlohn schon sehr viel früher im Parlament durchsetzen können, wenn dies der SPD so wichtig wäre. Dazu hätte es allerdings Mut erfordert; eine Eigenschaft, die der SPD wohl abhanden gekommen ist.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/die-linke-klare-siegerin-im-fuehrungsstreit-ist-sahra-wagenknecht-a-1173514.html#ref=meinunghpmobi
In der Linken brodelt es nach der Bundestagswahl 2017. Die Partei konnte zwar leichte Zugewinne erzielen, ist aber nicht mehr drittstärkste Partei im Parlament, sondern die schwächste. Viele Linke geben hieran Sarah Wagenknecht die Schuld, weil sie angeblich „rechts geblinkt“ und in der Flüchtlingsfrage AFD Positionen angenommen hätte.
Nun wollten die Parteivorsitzenden Kipping und Riexinger ein vorrangiges Rederecht bei Beiträgen der Linken im Parlament bekommen, was eigentlich wohl doch eher Sache der Fraktionsführung im Parlament und damit von Wagenknecht und Bartsch, den beiden Spitzenkandidaten im Wahlkampf, wäre.
Und während insbesondere Wagenknecht für eine konsequent andere Politik mit klassischen linken Ansichten wie höherer Steuern, insbesondere einer „Reichensteuer“, steht und einen Austritt Deutschlands aus der NATO bei Einbeziehung der Russen in einen europäischen Nichtangriffspakt fordert, versuchen Kipping wie Riexinger die Linke mehr in Richtung einer Realpolitik zu ziehen.
Die Partei soll koalitions- und damit regierungsfähig werden. Dazu würde die Parteispitze auch Kompromisse eingehen. Wir haben hier also wie weiland bei den Grünen einen Richtungsstreit zwischen Realos und Fundis vor uns. Zunächst konnte Wagenknecht ihre Position unter Androhung ihres Rücktrittes behaupten. Was mich jedoch nachdenklich wie traurig stimmt, ist der Umstand, dass sich mit der TAZ und dem Neuen Deutschland die beiden führenden Medien in politischer Nähe der Linken auf Wagenknecht ungestört einhämmern.
Dass jemand wie Kuzmany dies auch tut – geschenkt. Aber die immer lauter werdenden Stimmen der Realos in der Partei, die eher eine SPD Linie anstreben, lassen mich um die meiner Ansicht nach letzte Möglichkeit fürchten, der Republik wieder eine Alternative zum bisher üblichen Mainstream zu geben. Als Mainstream gilt für mich die Sicherstellung und der primäre Schutz der Wirtschaftslobby, notfalls auf Kosten der Allgemeinheit. Die soziale Marktwirtschaft der 70er Jahre ist auf den Hund gekommen. Während für die Infrastruktur wie Straßen, Schulen und andere öffentliche Einrichtungen spätestens seit der Wiedervereinigung kein Geld übrig ist, brauchte der deutsche Bundestag 2008 keine 48 Stunden, um Milliarden an Bürgschaften für die stolpernde Finanzindustrie zu garantieren.
Für mich ist das schlichtweg Kapitalismus in seiner reinsten Prägung. Und Wagenknecht auf ihre Kritik an der Flüchtlingspolitik zu reduzieren und in die rechte Ecke zu stellen, ist genau die Methode, mit der sich die Linke ins Abseits stoßen wird. Leute wie Kipping oder Riexinger sind politisch eher farblos und werden problemlos die Reste der Linken in die SPD überführen bzw. sich selbst, um weiterhin im offenbar lukrativen Politikzirkus mitzuspielen.
Ich will jetzt nicht schon wieder über das Für und wieder der Aufnahme von Flüchtlingen spekulieren. Das führt zu nichts und lenkt von den wesentlichen Punkten ab. Wesentlich ist hier die zunehmende Abhängigkeit der Politik von der Wirtschaft; die Rückversicherung der notwendigen Regierungserklärung zum VW Skandal des Ministerpräsidenten Weil bei VW soll hier als sichtbarer Schocker genügen.
Ich für mein Teil möchte dies nicht. Sollte die Linke jetzt auch noch vorm Mainstream kapitulieren, bliebe als einzig wählbare Alternative wirklich nur noch die Partei. Wir reden da dann aber eher über ein Kritisieren politischer Begebenheiten a la Anstalt oder Heute Show statt alternativer Lösungsansätze für politisches Handeln.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/brasilien-83-politiker-unter-korruptionsverdacht-a-1138801.html
Abschließend noch ein Beispiel für die Folgen bei erfolgreicher Beseitigung missliebiger linker Politiker. 2016 noch wurde die eher links orientierte brasilianische Präsidentin Rousseff wegen Korruptionsverdacht ihres Amtes enthoben.
Anfang 2017 sind neben ihr noch 82 weitere Politiker wegen Korruptionsverdacht von Ermittlungen des brasilianischen Generalstaatsanwalt bedroht. Der Baukonzern Odebrecht hatte wohl Politiker in großem Maßstab bestochen. Mitte April wurde der Konzern dann in einem international koordinierten Verfahren von einem Gericht in New York (aha!) von über 2,4 Milliarden Dollar verdonnert.
Die Verfahren gegen die Politiker laufen wohl noch. Interessant finde ich, dass gerade Politiker, die Rousseff zu Fall gebracht hatten, selber in den Skandal verwickelt sind. Wenigstens konnten sie noch verhindern, dass Rousseff ihre Hilfsprogramme für die Favelas von Rio de Janeiro weiter fortführt.

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