Mittwoch, 8. November 2017

H Lecter: Onkel Hotte 11/x

11
Nach der glorreichen Versöhnung „bei Rosi" gingen wir durch die laue Luft an den mittlerweile geschlossenen Fresstempeln entlang in Richtung Taxistand. Es muss also schon weit nach Mitternacht gewesen sein, denn die Cita war richtiggehend tot. Alles war still, die Grillen zirpten friedlich vor sich hin. Ein sanftes Lüftchen umspielte unsere mit Jever gefüllten Astralkörper.
Da! Auf einmal hörte ich aus dem Basement vertraute Klänge. Erst ganz leise. Dann, beim Näherkommen, immer lauter, drang dieses bestimmte Stück in mein Ohr. Dieser Song, einer ihrer Besten. Ach, was sag ich: Der Beste!
„Gimme all Your Lovin', all your Hurts and Kisses too...". ZZ Top, da wurde ein Schalter in meinem Hirn umgelegt. Den ganzen Urlaub hatte ich nur Schlager oder übelsten Techno über mich ergehen lassen müssen. Und da erklang am späten Abend - oder frühen Morgen - einer meiner absoluten Lieblingssongs. Das war deutlich: Da musste ich jetzt hin. Sofort! Da gab es nichts zu überlegen, mein Entschluss stand unwiderruflich fest.
Es gibt diese Situationen im Leben, da musst Du dahin. Kein Überlegen, kein Zögern. Onkel Hotte und Wastl kamen sicherlich auch allein zurecht, da sie sich gerade ausgesöhnt hatten. Und auch ich würde nachher allein zum Taxistand finden, um mich zum „Balkon" zu meiner Matratze kutschieren zu lassen.
Überschwänglich verabschiedete ich mich von Onkel Hotte und Wastl und stieg zum Basement hinab. Beide wollte selbstverständlich nicht mit, denn Rockmusik war so gar nicht ihr Ding. Aber meins. Ach, was hatte ich gute Mukke die Tage über vermisst. Gleich würde ich endlich diese Kneipe entern. Mir war in diesem Moment klar, das eine solche Kneipe mir in diesem Urlaub noch gefehlt hatte.
So witzig es bisher auf Granni auch gewesen sein mag - es ist einfach nicht meine Welt gewesen. Ich war zwar nicht zum ersten Mal auf Granni gewesen; und auch nicht zum letzten Mal. Aber bei jedem Aufenthalt auf der Insel, besonders in den Kneipen, war Schlager angesagt. Wolle Petry, bis der Arzt kommt.
Überall nur diese Party-People, gerade auch in oder vor den Discos war das Techno Gewummer unüberhörbar. Für Onkel Hotte war das einfach nur Krach, keine Musik. Und er war, so schräg sich das heute auch anhören mag, mir näher als diese jungschen Spaßtouristen, die zwar soffen wie die Löcher, aber deren geistige Beschränktheit permanent durchschien.
Leider war nicht einmal Mike ein Freund der Rockmusik, er konsumierte Schlager als auch AC DC. Hauptsache, es gab Alkohol zu saufen. Und Spaß. Das war bei mir selbst in den 90ern noch anders gewesen, auch wenn ich zu der Zeit kaum noch Musik gehört hatte. Aber schließlich hatte ich mich über Rockmusik sozialisiert. Das legt man nicht mal so eben einfach ab. Ich denke, das Mike und mich diese Diskrepanz langfristig voneinander entfremdet hatte. Das Mike jetzt schon seit 7 - 8 Jahren tot ist, finde ich dagegen trotzdem schade. Am Ende seines Lebens hatten wir wenigstens bei Pedder noch alle zwei bis drei Monate eine Saufrunde. Doch das gehört hier jetzt nicht hin.
Wie elektrisiert nahm ich Stufe um Stufe zum Eingang in Angriff. Die Musik wurde immer lauter; es zog mich förmlich in den Laden. Ich war sozusagen im Auftrag des Herrn unterwegs. Die Musik allein berauschte mich noch einmal mehr. Und die Theke sog mich magisch heran. Jetzt endlich schloss sich der Kreis. Alle Erlebnisse in diesem Urlaub führten zu dieser Kneipe, dieser Theke... und dieser langhaarigen Blondine?
Doch gemach, zuerst brauchte ich einmal etwas zu trinken. Ich hatte jetzt auf einmal richtig Blut geleckt. Und... besondere Momente erfordern besondere Getränke. Mein Drink war jetzt Gin Tonic. Endlich, am letzten Abend dieses Urlaubs, ließ ich mir all die Geschehnisse noch einmal durch den Kopf gehen. In dieser Umgebung fühlte ich mich einfach nur wohl. Meine Fresse, was hatte ich diese Atmosphäre vermisst!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen