Freitag, 8. September 2017

H Lecter: Onkel Hotte 10/x

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Die Cita ist ja als Einkaufszentrum vorwiegend für die Touristen gedacht, welches terrassenförmig angelegt ist und überwiegend Kneipen und Essläden beherbergt. Vom „Pflaumenbaum" hatte ich bereits berichtet, da waren wir an diesem letzten Abend des Urlaubs aber nicht.
Stattdessen waren Wastl, Hotte und ich „bei Rosi". Hier gab es aus Deutschland importiertes Jever und als besondere Attraktion frisch aufgeschnittenen Serrano. Ich trank also mal nen Schluck Jever, nahm nen Bissen vom Baguette und schob mir anschließend eine Scheibe Serrano in den Mund. Seit diesem Abend kenne ich den Unterschied zwischen Serrano aus der Plastepackung im Supermarkt und der dickeren, weil mit der Hand und nicht Maschine geschnittenen Scheibe vom Schinken direkt.
Mein Trinktempo steigerte sich an diesem Abend noch einmal, denn ich wurde Zeuge und Adjutant des Versöhnungsgespräches zwischen Onkel Hotte und Wastl. Dieses Gespräch war am Ende unseres Urlaubs zwingend erforderlich, da Hotte dem Wastl am ersten Abend Schläge angedroht hatte, dies aber glücklicherweise nicht in die Tat umsetzen konnte. Es erwärmte mein Herz, dass ich mit dazu beitragen konnte, dass die zwei Schwerenöter Missverständnisse ausräumten und sich wieder vertrugen.
Vor wie nach diesem Gespräch habe ich die beiden zusammen eigentlich nur kabbelnd erlebt; Wie Feuer und Wasser waren die beiden. Wenn Wastl über Onkel Hotte erzählte, schlug da immer so eine unangenehme Häme durch. Als ob er ihn aufs Tiefste verachten würde. Umgekehrt war es natürlich haargenau so. Sicherlich gifteten sich beide niemals wirklich bösartig an, den ersten Abend im „Balkon" einmal ausgenommen.
Vorher hatte ich - wie die anderen auch - die ewigen Streitereien, Pöbeleien und Nickligkeiten als Show zwischen den beiden abgetan. Die brauchten das, um sich interessant zu machen. Ich kenne einige dieser Art von Leuten und habe diese wegen dieser Fähigkeiten auch immer sehr gern. Aber die gerade noch abgebogene Schlägerei des ersten Abends, die ich persönlich ja leider aus „gesundheitlichen" Gründen verpasst hatte, zeigte mir und auch Mike, mit dem mich seinerzeit eine, wie sich später herausstellte, eher flüchtige Freundschaft verband, dass dies ewige Angiften zwischen Onkel Hotte und Wastl eben doch nicht nur eine Show war.
„Bei Rosi" hatten wir drei so einige Jever verhaftet. Schnell dämmerte mir, dass der ganze Streit vom ersten Abend, den ich gegen Ende bekanntlich verpasst hatte, weil zumindest ein Ohr von der Theke zugehalten wurde, ein großes Missverständnis beinhaltete.
Onkel Hotte und ich hatten in den vergangenen Tagen bereits mehrfach geargwöhnt, dass wir bewusst in das Nebengebäude vom Balkon abgeschoben worden waren, weil die anderen, also Mike, Wastl und der Krankenkassenangestellte nebst ihren Frauen nichts mit uns zu tun haben wollten, galten wir doch in deren Augen als erbarmungslose Säufer.
Der geneigte Leser wird während der Lektüre dieser Reisebeschreibung bereits festgestellt haben, dass dies in keinster Weise zutraf. Wir tranken unsere Mixgetränke ab Mittags immer gesittet. Auch hatte ich damals noch nicht geschnarcht, nicht einmal, als mich am ersten Abend die Müdigkeit direkt an der Theke übermannte. Und dass sich Onkel Hotte an jenem Abend schwankend und lallend vor dem Wastl aufgebaut haben soll, mag ja sein. Eine Pöbelei im übelsten Gossenjargon, wie Wastl meinte.
Eine Folge des Alkoholgenusses, zweifelsohne, aber ist man deshalb gleich ein Säufer? Onkel Hotte schilderte Wastl noch einmal die Szene am frühen Abend nach der Ankunft, als die Mannschaft Onkel Hotte und mich an der Theke sitzen ließ und sich an einem Tisch versammelt hatte, an dem für uns keine Stühle oder sonst ein Platz mehr frei waren.
Wer jetzt denkt, dass Wastl dies als Zufall hingestellt und uns Paranoia unterstellt hatte, um das Missverständnis aufzuklären, der kennt den Wastl nicht. Dessen Erklärung zu dem Vorgang der Nichtbeachtung am ersten Abend war ebenso lapidar wie einleuchtend: „Ihr beide sauft doch sowieso nur und habt eh schon an der Theke gesessen. Was wollt Ihr denn da noch an einem Tisch sitzen?"
Ja wenn Wastl das so erklärt... Das hatten wir natürlich verstanden, die ganze Geschichte war gar nicht böse gemeint gewesen. Das reichte selbst Onkel Hotte als Entschuldigung, zumal Wastl dies mit einem augenzwinkernden Lächeln erklärte. Da konnte Hotte dem Wastl nicht mehr böse sein. Auf einmal waren die zwei „ein Kopp, ein Arsch".
Die Stimmung wurde von Minute zu Minute besser und auch ich fühlte mich gut. Dazu griff ich immer gerne in den Serrano hinein und orderte noch das eine oder andere Jever von Rosi, denn die Wirtin hieß natürlich so. Endlich hatten sich Wastl und Onkel Hotte ausgesprochen, das tat den beiden sichtlich gut.
Als sich beide schließlich am Ende umarmten und beruhigten, war die Versöhnung besiegelt und ich etwas erleichtert und zufrieden. Derart beseelt, verließen wir die Kneipe und gingen zum Taxenstand, um zum „Balkon" zurück zu fahren.

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