Freitag, 29. Juli 2016

Contramann: kurz gesehen im Juli

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/amoklauf-in-muenchen-die-stadt-trauert-die-stadt-gafft-a-1104435.html
Als ich am frühen Abend des 22. Juli zufälligerweise den Fernseher einschaltete, blinkte mir auf allen Hauptkanälen die Meldung über diesen Amoklauf im Einkaufszentrum des Olympiaparks von München entgegen.
Der RTL Reporter saß wohl in einer Telefonzelle und gab einen telefonischen Bericht über Dinge, die er von der Position nun wirklich nicht beurteilen konnte. Da wurden gleich Erinnerungen an den schmierigen Reporter in „Stirb Langsam 2“ wach. Erst war unklar, ob überhaupt jemand gestorben war, dann waren es erst 3, später 6 Tote.
Tatsächlich waren es 9, mit dem Selbstmord des Attentäters letztendlich 10 Leichen. Heute wissen wir, das der 18jährige Deutsch-Iraner als Einzeltäter unterwegs war, die Schätzungen an jenem Freitag gingen von bis zu 3 Tätern aus. Die schnellen Berichte live vor Ort sah ich mir mehr oder weniger verwundert an, entsetzt und fasziniert zugleich.
In der ARD hatten sie doch tatsächlich einen Dussel mit Laptop im Studio, der die Tweets der Polizei (!) vorlas und auch ansonsten alle möglichen Meldungen über Twitter zum Besten gab. Irgendwelche Leute, die am Viktualienmarkt Schüsse gehört haben wollten, seierten diesen Quatsch prompt bei Twitter ab.
Und genauso armselig wie dieser Auftritt gerieten die Kommentare des zugeschalteten Terrorismusexperten der ARD aus Berlin. Meine Güte, ich kenne von RTL die Adels- wie auch Society Experten, aber ein Terrorismusexperte… Angewidert schaltete ich nach einer halben Stunde ab. Die Moderatoren in den Studios fabulierten und spekulierten frisch drauf los, ohne sich auf irgendwelche Fakten stützen zu müssen. Ihr Versuch, diese Spekulationen sehr vorsichtig zu formulieren, um sich Hintertürchen für eventuelle Fehlspekulationen offen halten zu können, war erbarmungswürdig.
Und dieser SPON Artikel am Sonntagmorgen ist auch nicht besser. Anfangs beklagen die beiden Kommentatoren noch die Vielzahl der Gaffer und Schaulustigen. Diese waren bereits am frühen Freitagabend zu sehen gewesen, da übrigens hauptsächlich aus dem Bereich der professionellen Medienindustrie. Die Paparazzi wirkten da sehr verstörend.
Schlimm wird dieser SPON Artikel in dem Moment, wo der Focus zum Wohnort des wahrscheinlichen Amokläufers wechselt. Da werden sogar die Nachbarn ausgefragt und mit hochwichtigen Einzelheiten zitiert: „Ich habe einmal meine Wellensittiche in ihrer Wohnung fliegen lassen. Wir haben Fußball im Park gegenüber gespielt.“
Voyeurismus at his Best, das der Spiegel mal so tief sinken könnte. Unfassbar.
Jetzt spekuliert mal Contramann: Bei diesem Amoklauf handelt es sich meiner Meinung nach um einen verwirrten Einzeltäter, genau wie beim „Axeman“ im Regionalzug bei Würzburg. Hier besteht kein direkter Zusammenhang zum Islamischen Staat. Beide Attentäter sind mit ihrem Hass und den Frust auf diese Gesellschaft ins Internet geflüchtet und haben dort auf den Seiten des IS ihre muslimischen Wurzeln wieder entdeckt.
Beide Täter sind in dieser Gesellschaft nicht glücklich gewesen und hatten sicher auch keine Chance, das zu ändern. Solche Looser sind für den IS als nützliche Idioten willkommen.Einige Kommentare der letzten Tage vertraten die Auffassung, das diese Täter auch ohne Einfluss des IS ausgerastet wären.
Das bezweifle ich stark, denn selbst die Faschos als eine andere große Gruppierung agiert nicht so aggressiv wie der IS. Dennoch bezeichne ich beide Täter als Amokläufer, einen direkten terroristischen Hintergrund sehe ich hier nicht. In diesem Fall leider, denn Einzeltäter wie diese sind gar nicht vorhersehbar. Davor kann man sich nicht schützen.

http://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2016-07/cristiano-ronaldo-hass-fussball-em
Ein wunderschöner Artikel über Cristiano Ronaldo. Darüber, wie dieser Mann die Fans bei der Fußball EM polarisierte. Dank seiner extrovertierten Auftritte entlud sich gerade während dieser EM eine große Hasswelle über ihn. Als Krönung hierbei ist das üble Einsteigen von Payet im Endspiel anzusehen.
Als der Franzose in Ronaldo ohne Rücksicht auf dessen Gesundheit hineinsprang, da gab es für diese Aktion noch Beifall von den Rängen. Als der weinende Ronaldo wenige Minuten später vom Platz getragen werden musste, ist dem einen oder anderen bestimmt noch einer abgegangen.
Schön, das das Zeit Magazin diese Szene in einem anderen Licht betrachtet. Denn da wie auch später im Spiel konnte man sehen, das ihm seine erzwungene Auswechslung persönlich sehr nahe ging. Ob er tatsächlich weinte, weil er seiner Mannschaft nicht mehr helfen konnte oder weil er die Chance auf den Titel, den er schon seit 12 Jahren haben will, schwinden sah, sei dahingestellt. Nein, halt!
Es ging ihm um die Mannschaft. Wer gesehen hat, wie er sein Team nach dem Führungstreffer am Spielfeldrand anfeuerte, sollte, falls er nicht vor Hass total verblendet ist, erkannt haben, das der mehrfache Weltfußballer innerlich ein kleiner Junge geblieben ist, zugegebenermaßen mit einem übergroßen Ego.
Aber hey, scheiß drauf! Wir Deutschen haben da mit dem Chipsfrischmann Schweinsteiger lediglich einen Langweiler zu bieten, bei den anderen Teams sieht das ähnlich aus. Während der EM bin ich jedenfalls zum Ronaldo Fan mutiert. Arrogant ist er sicherlich, aber ein Typ. Da kommt von unserem Team gerade mal Boateng mit.

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/die-ruhe-waehrend-der-em-2016-gebt-mir-fussball-zurueck-a-1102541.html
Margarete Stokowski schreibt schon seit längerem verkopfte Kolumnen bei Spiegel Online. Dieser hier ist die absolute Härte, hier spricht sie allen Fußballhassern aus der Seele. Ihre Einlassung, dass sie Weizenbier trinkt, werte ich mal als plumpen Versuch, nicht als tumbe Emanze zu erscheinen.
Dass sie sich freute, dass die Straßen während der EM leer sind und sie endlich in Ruhe im Supermarkt einkaufen konnte, ist aber nur ein müdes Argument für das Abfassen dieses Artikels. Wenig Inhalt, nichts neues wird hier erzählt.
Ich möchte mein Geld auch einmal so leicht verdienen wie Frau Stokowski. Mal eben zwischen 2 Weizenbieren irgendwelchen Stuss schreiben und dabei eine Gruppe von Menschen in die Ecke stellen. Eine Frau Stokowski möchte ich jedenfalls nicht als meine Nachbarin haben.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/spd-sigmar-gabriel-setzt-sich-mit-ttip-kurs-durch-a-1067477.html
Auf dem Parteitag stellten sich die SPD Mitglieder mehrheitlich hinter den Kurs von Gabriel und Stegner. Pro TTIP, angeblich, um die Standards der Chinesen zu verhindern.
Geschichte wiederholt sich. 1914 stimmten die Genossen den Kriegskrediten zu. Knapp über 100 Jahre später opfern sie die Selbstbestimmung der Bürger, repräsentiert durch den Staat, zugunsten einer ungezügelten Wirtschaftsmacht der internationalen Großkonzerne.
Armselig.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/ceta-wie-sich-das-europaparlament-selbst-entmachtet-a-1101560.html
Zuerst wollte die EU Kommission das CETA Abkommen mit den Kanadiern in Eigenregie abschließen, ohne die zwingend vorgeschriebene Zustimmung der nationalen Parlamente. Erst im letzten Moment hatte Herr Juncker ein Einsehen. Angesichts des drohenden EU Austritts der Briten wollte er den EU Gegnern wohl nicht noch mehr Munition in die Hand geben. Irgendwann merkt es eben selbst der größte Idiot, das in der EU Kommission nicht die Interessen der Bürger, sondern die der multinationalen Konzerne vertreten werden.
Natürlich kann man das auch anders sehen, ist ja ein freies Land hier. Dieser Spiegel Kommentar möchte die Argumente liefern, warum das CETA Abkommen für Europa sinnvoll ist und es deshalb gerechtfertigt ist, dies über die EU Kommission durchzuboxen.

http://www.heise.de/tp/artikel/48/48395/1.html
Telepolis ist immer dann gut, wenn es um allgemeine Grundsätze geht. Hier geht es ums Eingemachte, während der große Gesamtüberblick oftmals beim Tagesgeschehen auf der Strecke bleibt. In diesem lesenswerten Beitrag geht es um die allgemeine Politikverdrossenheit.
Im Laufe der Jahrzehnte sind vor allem die großen Volksparteien immer konturloser geworden. Durch den Einfluss der unterschiedlichsten Interessenverbände wie Arbeitgeber oder Gewerkschaften werden grundsätzliche Positionen nach und nach aufgeweicht. Dazu werden diese im Rahmen von Koalitionen so weit verbogen, um wenigstens andere wichtige Positionen durchsetzen zu können.
Vor allem die Mittelschicht wendet sich mittlerweile vom politischen Geschehen mit Grausen ab. Einfachere Gemüter wenden sich dagegen den schnellen Lösungen dank markiger Sprüche zu, als Beispiel sei hier die AfD genannt.
Gegen Ende dieses Beitrags zieht der Kommentator das Resümee, das die Demokratien als politisches System vor dem Ende stehen, wenn sie hier nicht gegensteuern. Schließlich sei Donald Trump mit seinen Sprüchen von Mussolini oder Hitler nicht mehr weit entfernt.

http://www.heise.de/tp/artikel/48/48777/1.html
Dieser Artikel macht mir wirklich Angst. Eine Studie der Universität Oxford kommt zu dem Schluss, das in den USA bis 2030 47% der Arbeitsplätze aufgrund der fortschreitenden Automatisierung verloren gehen werden.
Selbst in den Büroberufen schreitet die Automation weiter fort. Was bleibt, sind schlecht bezahlte Jobs für Hilfsarbeiten. Der angeblich händeringend gesuchte Facharbeiter wird ja nicht wirklich benötigt.
Hierauf könnte man als Gesellschaft nur mit starken Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich reagieren. Denkbar wäre auch eine Art Maschinensteuer, damit die eingesparten Personalkosten wenigstens zum Teil der Allgemeinheit zugute kommen.
Das passiert natürlich nicht – lies hierzu den vorherigen Beitrag. Hoffentlich muss ich den großen Crash nicht mehr erleben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen