Samstag, 8. November 2014

H Lecter: Weg nach Salzgitter 5/5

Nach der sehr anstrengenden Tour nach Jugoslawien brauchte ich zuhause erstmal einige Zeit, um wieder in den Alltag zu kommen. Das Citycarfahren ging sofort wieder los, das war kein Problem. Doch das Praktikum im Jugendamt mußte ich noch nacharbeiten.
Üblicherweise machten die Studenten seinerzeit eine Gruppenarbeit daraus. Das heißt, sie teilten sich die Arbeit derart auf, das jeder nur 4-5 Seiten schreiben mußte und dann war es gut. Summasummarum wären das vielleicht 10 Stunden Arbeit gewesen.
Leider kam ich in keine Gruppe mehr rein, weil ich einen entsprechenden Termin bei der FH versäumt hatte. Ich sollte hier vielleicht noch erwähnen, dass ich nach dem Urlaub zusätzlich down war, weil ich nach meiner Rückkehr aus Jugoslawien feststellen mußte, dass Cindy sich in meiner Abwesenheit mit so nem Nick-Cave-mäßigen Typen eingelassen hatte, in den sie schon lange verliebt war.
Aha. Das erzählen sie dann immer. „Aber wir bleiben doch gute Freunde?“
Bier, Schnaps, Raketen. Da hatte ich erstmal etwas zu verdauen und an das Studium dachte ich zuletzt. Ist natürlich ganz klar mein Fehler gewesen, aber die Alternative zur Gruppenarbeit war mir vorher nicht klar. Und die war keinem klar, denn darüber hatte auch keiner was von gepfiffen bei den diversen Vorbesprechungen zu den Praktika.
Die Alternative zur Gruppenarbeit bestand nämlich in einem Praktikumsbericht. Den hätte ich mir gänzlich alleine aus den Fingern saugen müssen. Mindestens 15 Seiten mit Schreibmaschine – das war die Ansage des betreuenden Profs. Ich schätze mal, das er sich auch mit der Ausbildungsstelle der Stadt Braunschweig unterhalten hatte und das dies eine Art Retourkutsche für mein ungebührliches Verhalten war. Damit wären wir wieder bei der inoffiziellen Personalakte.
Erneuter Zeitsprung. Sommer 1985. Ich war noch beim Bund und wollte bei der Stadt Braunschweig einfach mal nachhaken, ob ich mich dort auf eine Stelle bewerben könnte. Schließlich hatte ich bis Sommer 1984 die Ausbildung zum Verwaltungswirt FH (Urkunde habe ich Mitte der 90er erhalten) bei der Stadt Braunschweig erfolgreich absolviert. Man kann auch kommunaler Verwaltungsbeamter sagen, Sachbearbeiter als Tätigkeit.
Hoffnungsvoll machte ich also einen Termin mit der Ausbildungsstelle bei der Stadtverwaltung aus und saß dann bei einem „ordentlichen“ Sachbearbeiter, dieser gebügelt und gestriegelt.
„Nein, das brauchen Sie gar nicht erst zu versuchen. Auswärtige stellen wir sowieso nicht ein,“ erklärte er mir zuckersüß.
So ein Wixer. Ich hatte gerade mal 12 Monate vorher bei der Stadt die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Das noch in einem Rutsch, also ohne durch eine der Prüfungen zu fallen, was eine Verlängerung der Ausbildung zur Folge gehabt hätte. Ich habe aber trotz meines Ärgers nichts weiter dazu gesagt und bin gegangen.
Hier war bestimmt schon die inoffizielle Personalakte zu Rate gezogen worden, war ich doch gerade zum Ende meiner Ausbildung hin nicht gerade ein Musterbeamter. Mein schlechter Notenschnitt (4,3) kam natürlich auch nicht unbedingt positiv an. Mich aber deshalb als Auswärtigen zu bezeichnen, halte ich selbst heute noch für eine Frechheit.
Überhaupt würde ich mir heutzutage so etwas nicht mehr bieten lassen, dafür habe ich beruflich schon zuviele Nackenschläge erlebt. Damals habe ich ja noch viel mit mir machen lassen.
So auch nach dem Tiefschlag mit dem Praktikumsbericht für die Fachhochschule. Ich bin nach dem Gespräch mit dem Prof ohne weiteren Kommentar nach Hause gegangen und habe das Gelände der Fachhochschule für Sozialpädagogik danach nur noch für die jeweils notwendigen Inmatrikulationen betreten.
Die brauchte ich wegen meines Vaters, da er nur so die 400,- DM von der Steuer absetzen konnte, mit denen er mich monatlich unterstützte. Einen weiteren Schein brauchte ich ebenfalls noch. Und das war denn auch der Grund für meine Exmatrikulation irgendwann 1988.
Ich galt nämlich mit der Inmatrikulation automatisch als angemeldet für die noch abzuleistende Prüfung. War mir seinerzeit eh alles Wurst. Nach dem 3. Mal Nichterscheinen war ich ergo endgültig durchgefallen und sie konnten mich rauskegeln.
Mein Vater war sehr betrübt und stellte folgerichtig auch seine Unterstützung ein, was ich auch damals schon in Ordnung fand. So dicke hatten es meine Eltern nun wirklich nicht. Ich reagierte darauf mit einer zusätzlichen Schicht auf`m Bock in der Woche und hangelte mich dann mehr oder weniger durch.
Da gab es dann auch häufig den Klassiker zu essen: Toastbrot mit Frischkäse von Aldi. Am Bier oder gar Raketentreibstoff hätte ich nun wirklich nicht sparen können. Das Ganze lief noch durch bis Ende 1990, weil dann Uli und Jenny – unabhängig voneinander – mich beiseite nahmen und Aktion einforderten.
„Entweder voll bei City Car als Unternehmer einsteigen oder einen anderen Job suchen. Aber so geht das mit Dir nicht weiter.“ So unisono der Tenor. Und nur dank dieser Tritte in den Arsch habe ich mich dann berappelt und mich erneut für eine Stelle im öffentlichen Dienst beworben.
Beim Landkreis Helmstedt zuckte ich noch zurück, weil ich schon auf der Fahrt dorthin merkte, das die weite Strecke mir nicht gefallen würde.
Eine Stunde Fahrtzeit; das erinnerte mich an Hildesheim und ging schonmal garnicht. Obwohl es mir egal sein konnte, da ich ja keine Arbeitslosenhilfe bekam: Zu sagen, ich will den Job nicht machen, weil mich die Fahrtdauer zu sehr an Hildesheim erinnerte, wollte ich dann doch nicht.
Hinzu kam, dass die Kommission, die mir gegenüber saß, mich total an die Mannschaft vom Straßenbauamt erinnerte. Sie saßen mir gegenüber etwas erhöht; Es war wohl wirklich eine Richterbank! Dazu diese wirklich grauen Menschen, denen die sprichwörtliche Beamtenmentalität förmlich anzusehen war. Ganz schrecklich, da bekam ich richtig Angst.
Ich erzählte der Mannschaft, dass ich nach jahrelangem Haschkonsum meine Sucht überwunden hätte und jetzt eine neue Herausforderung suche. Nach einem insgesamt sehr freundlich geführtem Gespräch wollte sich der Personalchef wieder bei mir melden. Auf seinen Rückruf warte ich heute noch.
Aber bei der Stadt Salzgitter hatte ich dafür mit meinem Faible fürs Soziale und einer Tätigkeit im Sozialamt Glück. Keiner wollte wirklich diesen Job und ich hatte trotz meines schlechten Leumunds die passende Qualifikation.
Am 19.8.1991 habe ich schließlich bei der Stadt Salzgitter als Sozialhilfesachbearbeiter angefangen. Zuerst als Angestellter mit nem Zeitvertrag für nen Jahr, weil es sonst für die Stadtverwaltung zu risikovoll gewesen wäre.
Verständlicherweise.
Wider Erwarten schlug ich gut ein und erhielt nach dem Jahr den Beamtenstatus, den mein Vater für mich schon immer erträumt hatte. Schade, dass er dies nur noch ein Jahr erlebt hatte.
Aber ich bin heute noch hier und werde es noch die nächsten 12-15 Jahre sein.
Sozialamt halt.

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