Dienstag, 8. Juli 2014

H Lecter: Weg nach Salzgitter 3/5

Jetzt war das Praktikum also geschafft, so dass ich nunmehr auch in den Urlaub fahren konnte. Endlich, mein erster Urlaub nach 6-7 Jahren überhaupt!
Zuletzt hatte ich ja von einer gewissen „Amtsmüdigkeit“ aufgrund meiner Erfahrungen im Praktikum beim Jugendamt berichtet. Oh, da fällt mir noch einer ein….
Erneuter Zeitsprung ins Frühjahr 1986.
Nach der Bundeswehrentlassung Ende Dezember 1985 war ich natürlich wieder arbeitssuchend und erhielt Arbeitslosenhilfe. So ab März oder April 1986 habe ich dann im Straßenbauamt Hildesheim gearbeitet. 30 Stunden pro Woche, aufgeteilt auf 4 Tage. Mehr war damals bei der Arbeitsmarktlage nicht drin.
Mit meinem Opel Kadett C Coupe bin ich seinerzeit 4 Tage in der Woche nach Hildesheim geeiert. Von der Nußbergstr. aus über die A39 bis Baddeckenstedt und dann A 7 oder ganz profan die B 1 über die Dörfer. Je nachdem, wo ich vorher nächtigte, war das Eine kürzer als das Andere.
Auf dem Rücksitz noch 2 Lautsprecherboxen, die normalerweise an HiFi Anlagen angeschlossen wurden. Unbefestigt. Die Dinger lagen einfach auf dem Rücksitz. Vorne eingebaut hatte ich einen Cassettenabspieler mit ordentlich Kawumm. Laut mußte es ja sein, am besten im Sommer Fenster runtergekurbelt und den Arm rauslegen. Schwarze oder verspiegelte Sonnenbrille, Kippe im Maul und Stranglers, Cramps und Co in größtmöglicher Lautstärke auf der Anlage. Schwarzgelbes Ringelshirt ohne Arme – also Muscleshirt. Könnt ich heute nicht mehr anziehen.
Mein Arbeitsgebiet bestand aus der Bereinigung der Eigentumsrechte nach Straßenausbauten des Bundes oder Landes innerhalb von Ortschaften. Ich kaufte und verkaufte winzigste Grundstücke. Das kleinste Flurstück war 0 qm groß, das Größte 25 qm. Nach einem Ausbau wurde alles neu vermessen und dann mußten die Eigentumsverhältnisse begradigt werden. Denn andernfalls hätten einige Stücke einer solchen Straße den anliegend wohnenden Bauern gehört usw.
Ich machte also immer Termine mit den Bauern, verhandelte und war dann mit den Käufern/Verkäufern beim Notar, um den Vertrag zu beurkunden.
Schön das Bild, wie ich bei dem 25 qm Grundstück mit der Bäuerin im Garten war und die Entschädigung für die Bäumchen und Blumen aushandelte. In der Hand hielt ich einen Versandhauskatalog für Pflanzen und die Bäuerin sagte mir, um welche Pflanzen es sich jeweils handelte. Ich selbst hatte ja sowas von keine Ahnung …
Das war in der ganzen Zeit das einzig wirklich anspruchsvolle Kauf-/Verkaufsgespräch meiner dortigen Tätigkeit. Bei den meisten anderen Verträgen waren die Fahrtkosten ja schon höher als der Wert des Grundstücks.
Zugegebenermaßen erzählte ich bei der Einstellung, das ich mir einen Umzug nach Hildesheim vorstellen könnte. Hatte ich zwar nicht wirklich vor, aber wenn das auf Dauer geklappt hätte … wer weiß?
Das Angebot mit der 4 Tage Woche kam mir dann entgegen. Mein Büro mußte ich mir noch mit nem Typen teilen, der mit mir zusammen eingestellt wurde. Auf 100% übrigens. Der spielte natürlich Tischtennis im Verein; Genau wie unser zuständiger Sachgebietsleiter. Heißa, da hatte man sich immer etwas zu erzählen.
Auch ansonsten verstanden sich alle prächtig. Ich war da der einzige Fremdkörper, der trotz aller Kontaktversuche immer ein Fremder blieb. Einzig die beiden Mitarbeiter, die für meinen Kollegen und mich die Zuarbeiten erledigten, verhielten sich mir gegenüber aufgeschlossen und scherzten auch mal.
Der ganz große Wendepunkt zum Negativen war allerdings Tschernobyl. Ich weiß noch, als der Reaktorunfall dort passierte, das wir am nächsten Tag zum Frühstück irgendeines Kollegen zusammensaßen. Tschernobyl wurde erwähnt und ich sah meine Chance gekommen, endlich auch einmal etwas zum allgemeinen Smalltalk beitragen zu können. Bislang saß ich nämlich eher wie Pik 7 da und kriegte kein Bein auf die Erde.
Ich hatte wohl 2 – 3 Sätze gesagt – endlich! – da unterbrach mich mein Sachgebietsleiter: „Ach, Tschernobyl. So ein Thema am Morgen….“
„Wie war denn das Training gestern abend ?“ Mein Kollege sprang intuitiv sofort in die Bresche.
Ich dagegen schaute mal wieder in die Röhre und die Gespräche liefen wieder mal an mir vorbei. Danach war die Sache, rein zwischenmenschlich betrachtet, für mich gegessen. Die Art und Weise, in der mich die meisten Kollegen seinerzeit behandelt hatten, würde ich heute auf alle Fälle als Ansatz eines Mobbings bezeichnen. Den Begriff kannte ich damals allerdings noch nicht.
Von Tag zu Tag fuhr ich mit immer weniger Lust nach Hildesheim. Zweimal hatte ich in jenem Sommer noch die Nacht an der Kieskuhle komplett durchgemacht, bevor ich nach Hildesheim fuhr. Einmal ist mir die Karre auf dem Weg verreckt. Bud mußte mich roundabout 50 km abschleppen.
Das meine Arbeitsleistung unter dem für mich schlechten Arbeitsklima litt, würde ich, rückblickend betrachtet, so sehen. Ich kriegte aber auch nicht ein Fitzelchen Unterstützung durch die „alten Hasen“. Mein Kollege scherzte und freute sich, dass es nur so eine Freude war. Einzig die Zuarbeiter hatten sich mir gegenüber stets fair verhalten.
Heute bin ich davon überzeugt, dass eine Festanstellung über die Probezeit hinaus für mich nicht wirklich vorgesehen war. Sie hatten einfach den Kollegen und mich einstellen können und geguckt, wer dort am Besten reinpaßt. Da ich nicht aus Hildesheim kam, hatte ich von Haus aus schon nach kurzer Zeit schlechte Karten. Ich hatte zwar die bessere Vorbildung als mein „Konkurrent“, was wohl auch für meine ursprüngliche Einstellung sorgte, aber das wars denn auch schon.
Friß oder stirb und tschüß. Der Amtsleiter teilte mir – zu seinem Bedauern – nach 5einhalb Monaten mit, das ich über die Probezeit hinaus nicht beschäftigt werden könnte. Der Verwaltungsberuf wäre wohl nichts für mich, meinte er fürsorglich. Er empfahl mir eine Tätigkeit im handwerklichen Bereich, der Dussel.
Nach dem Gespräch mußte ich zu meinem großen Ärger feststellen, das irgendjemand in meinen Akten Vorgänge bearbeitet hatte, ohne dies mit mir abzusprechen. Das bedeutet eindeutig, das sie mir schon vor dem Gespräch nicht trauten bzw. mir nichts zutrauten und mich einfach übergangen hatten. Der eine Zuarbeiter hatte mir das im Vertrauen dann auch bestätigt.
Heute würde ich ein derartiges Verhalten Mobbing nennen, damals kannte ich den Begriff noch nicht. Für die restlichen Tage habe ich mich dann krank schreiben lassen, weil es so selbstverständlich keinen Sinn mehr machte, dort unnötig lange zu verweilen.
Die Mannschaft dort wollte mich einfach nicht haben, Punkt. Am allerletzten Tag habe ich es mir allerdings nicht nehmen lassen, dem Amtsleiter und allen Anderen freundlichst nochmals persönlich die Hand zu schütteln und ihnen alles Gute zu wünschen. Die betretenen Mienen mit dem stellenweise doch schlechten Gewissen waren mir eine Genugtuung.
Noch heute denke ich mit Zorn an diese 5einhalb Monate und die dort arbeitenden Idioten zurück. Wie gesagt – nur die Zuarbeiter hatten sich anständig, die Anderen schäbig verhalten.

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