Stephen Baxter - Sternenpforte und Sterneningenieure (Artefakt-Zyklus)
Man gut, dass ich Stephen Baxter noch mal eine Chance gegeben habe. Denn in diesem zweibändigen Zyklus zeigt er sich nämlich von seiner besseren Seite. In parallel existierenden Welten / Universen hatte er sich ja bereits zusammen mit Terry Pratchet im Zyklus „der langen Sonne" ausgetobt.
Hauptperson im Artefakt-Zyklus ist der NASA Pilot Reid Malenfant, welcher im Jahr 2019 mit dem Space Shuttle abgestürzt war und über 400 Jahre später aus dem Kälteschlaf geholt wurde, weil er von seiner Frau Emma Stoney einen Notruf erhalten hatte.
Das merkwürdige daran ist, dass Emma -selber Astronautin der NASA - bei einem Flug zum Marsmond Phobos im Jahr 2004 verunglückte und seitdem als verschollen galt. Und die Menschheit im 25. Jahrhundert hatte die Raumfahrt bereits aufgegeben, so dass für eine bemannte Mission zur Rettung der anscheinend wieder aufgetauchten Emma eigentlich nur Malenfant in Frage kam, zumal er direkt angesprochen war.
Malenfant bekommt sehr schnell mit, dass sich die Welt in 400 Jahren stark verändert hatte. Nach diversen Umweltkatastrophen hat sich die Bevölkerungszahl auf der Erde rapide verringert; mächtige künstliche Intelligenzen haben zusätzlich dafür gesorgt, dass sich der Planet wieder ins Gleichgewicht begeben konnte.
Zwei Personen sind es, die Malenfant bei seinem langwierigen Aufwachprozess unterstützen. Da ist zum einen der Androide Bartholomew, der Malenfant mit Rat und Tat zur Seite steht, damit dieser sich im 25. Jahrhundert zurechtfinden kann. Und dann noch das hochintelligente Mädchen Deirda, welche quasi als Bürgin für ihn Verantwortung übernimmt.
Wie Malenfant schnell lernt, managen die künstlichen Intelligenzen den Planeten relativ unabhängig; die immer weiter abnehmende Population der Menschheit interessiert sich nicht mehr für Fortschritt, geschweige denn Raumfahrt und Forschung. Jeder übt den Beruf aus, zu dem er Lust hat (der nötige Input wird durch KI sichergestellt), oder macht nichts.
Entsprechend groß ist Malenfants Frustration, als er feststellen muss, dass er von den künstlichen Intelligenzen nur aufgeweckt wurde, um ein besseres Hologramm seiner Frau aus seinen Erinnerungen schaffen zu können. Dies will er nicht akzeptieren und besetzt mit der Hilfe von Bartholomew einen Fernsehsender. Dank einer emotionalen Ansprache kann er die Unterstützung von der Bevölkerung erhalten, so dass ein altes und stillgelegtes Weltraumprogramm wieder neu aufgelegt wird.
Die Menschen hatten nicht zuletzt deshalb das Interesse am Weltraum verloren, weil sie dem Untergang des Planeten entgegensehen. Jenseits von Neptun zieht der riesige Planet Persephone seine Bahn und wird in wenigen hundert Jahren von einem ungebundenen Planeten, dem "Zerstörer", getroffen werden und in der Folge alles Leben m Sonnensystem auslöschen. Dies will Deirda verhindern.
Doch zunächst steuern sie den Marsmond Phobos an, wo sie tatsächlich die noch lebende Emma retten können. In einem tiefen Loch durch den Mond gerät das Raumschiff unserer Helden nach Überschreiten einer merkwürdigen Barriere in eine riesige Höhle, welches das Artefakt darstellen soll. Diese Höhle war der Grund für Emmas Absturz.
Dort können sie nicht nur Emmas Kopiloten Arkadi retten, denn beim Überlegen, wie sie die Höhle verlassen können, kommt ihnen ein riesiges Raumschiff der Briten (!) unter Leitung des Wing Commanders Lighthill zu Hilfe. Dass mit ihm noch Malenfants ehemalige Kopilotin Nikola auftaucht, macht das Ganze endgültig verwirrend.
Zumindest für Malenfant. Denn in dieser Höhle treffen sich mehrere Parallelwelten; und das noch zu unterschiedlichen Zeiten. Mal 2004, mal 2019. So stammt diese Emma Stoney aus einer anderen Realität. Ach ja: In jeder Realität ist die Geschichte anders abgelaufen, deshalb das britische Raumschiff.
Und Emma ist aus "unserer" Realität - Malenfant nicht, was ja bereits schon vorher durchgeschimmert hatte. Baxter hat hier den Ansatz aus dem Zyklus der langen Sonne erfolgreich übernommen. Mit jedem neuen Charakter wird die jeweilige Historie erzählt. Und jedes mal hatte ich die alternative Realität mit Interesse gelesen.
Mit vereinten Kräften versuchen unsere Helden, Persephone dank der auf dem Planeten vorhandenen Raketentriebwerke gegen den Zerstörer zu lenken, scheitern aber. Die These lautet, dass irgendeine Alienrasse (die Sterneningenieure) die Planeten in mehreren Zeitlinien in unserem Sonnensystem verschiebt. Zum Schluss - Cliffhanger! - fliegen unsere Helden wieder ins Artefakt, um die Erde in einer anderen Zeitlinie retten zu können.
Zweiter Band: Malenfant ist mit den anderen auf einem bewohnbaren Planeten Persephone gestrandet. Die Erde ist ein toter Planet, während sich Persephone an der Position des Mars befindet. Nicola ist beim Absturz gestorben, Lighthill blieb mit dem Raumschiff Charon in der Umlaufbahn und bricht zur Erforschung der Erde auf.
Die Überlebenden auf dem Planeten treffen sehr schnell die Gruppe des Neandertalers Ham, die von der russischen Kosmonautin Irina Wiktorenkowa angeleitet werden. Auch ein russisches Raumschiff aus dieser Zeitlinie war auf einem Hochplateau bei der Erforschung des Artefakts abgestürzt und hatte dort ihr Lager aufgeschlagen.
Die Russen haben es sich gemütlich gemacht - ihnen fehlte ein funktionierendes Gefährt, um von dem Planeten wieder verschwinden zu können. Irina war mit Ham und seiner Sippe aus dem russischen Lager weggegangen. Wie sich erst nach und nach herauskristallisiert, hatten die Russen verschiedene Gruppen von Vorfahren bzw. Seitenlinie des Homo Sapiens versklavt, da sie nicht genug Personen zur Landwirtschaft zur Verfügung hatten.
Der Engländer Josh baut schließlich die Rakete, mit der unsere Helden Persephone verlassen können, stirbt aber selbst vor der Fertigstellung. Mit Lighthill fliegen sie durch den nächsten Tunnel auf Titan in die nächste Realität. Auch dort existiert Persephone, bewohnbar. Mit einem Mond namens Demeter, welcher eine menschliche - britische - Kolonie beherbergt.
Die Welten im Multiversum, welches Baxter hier aufzeigt, sind vielfältig und immer wieder neu, gerade was die geschichtlichen Unterschiede angeht. Dies macht auch den zweiten Band zum Pageturner. Leider wird es gegen Ende dann eher spirituell.
Malenfant läßt sich in den großen Computer des Eismondes hochladen. Es stellt sich heraus, dass sich das Leben im gesamten Universum lediglich auf der Erde entwickelt hatte. Am "Ende des Universums" hatte ein Michael aus Afrika (!) die Multiversen geschaffen. Und dieser Michael - der Computer auf dem Eismond - fliegt am Ende mit Deirda zu den Sternen.
Ich hatte dann schon den Eindruck, dass diese packende Geschichte auf den letzten vielleicht 50 Seiten ein anderes Ende verdient gehabt hätte. Aber wahrscheinlich wollte Baxter einfach nur zu einem Ende kommen, um sich anderen Projekten widmen zu können. Schade. Der wirre Schluss verhindert einen sauberen Abschluss dieser Miniserie.
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