Sonntag, 10. März 2024

Hartmudo: Superwumms

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Montag, 13. Februar. Endlich. 08.30 Uhr, mein lang ersehnter Termin beim Neurologen im Schlosscarree. All meine Hoffnungen der letzten Wochen hatte ich in die Behandlung durch den Neurologen gesteckt. Er würde mir helfen, meine Ängste würden verschwinden und ich könnte endlich wieder in mein Leben einsteigen.
Nachdem ich an diesem Morgen aufgestanden war, ließ ich die vergangenen Wochen schnell Revue passieren. Sieht man einmal von dem sehr nervigen Nasenbluten ab, welches mich seit dem Unfall häufig ereilte und mich zur Enthaltsamkeit beim Ausschnauben der verstopften Nase zwang, ging es mir rein körperlich wieder gut.
Und zwar immer dann, wenn ich nach dem Aufstehen und unruhigen Staksen über den Flur unserer Wohnung so halbwegs wieder in die Spur kam. Das dauerte mit schöner Regelmäßigkeit bis zur Mittagszeit. Erst dann fiel die bleierne Schwere mit gedrückter Stimmung von mir ab - wenn ich denn Termine hatte und die Wohnung verlassen musste.
Lag das vielleicht doch an der frischen Luft, welche meine Nasenschleimhäute schnell abschwellen ließ? Frohgemut und tief durchatmend saß ich im Bus zum Schloss Carree, gönnte mir sogar noch einen Kaffee beim Bäcker.
Im Wartezimmer der neurologischen Praxis herrschte reges Treiben, einen Sitzplatz erwischte ich zum Glück trotzdem. Nach einer angemessenen Wartezeit holte mich der Arzt persönlich ab und führte mich in sein Zimmer dieser Gemeinschaftspraxis.
Er bat mich um Schilderung meiner Beschwerden - dem kam ich gern nach. In der gebotenen Kürze, aber auch mit der mir eigenen Ausführlichkeit, spulte ich die Geschehnisse seit dem Unfall ab. Die Reaktion des Arztes überraschte mich vollkommen: Warum ich bei ihm vorstellig geworden sei? Schließlich sei er Neurologe und kein Psychotherapeut.
Da war ich richtig konsterniert; der Arzt hatte mir soeben den Boden unter den Füßen komplett weggezogen. Ich erklärte ihm, dass ich schon alle möglichen körperlichen Beeinträchtigungen durch den Unfall abchecken wollte, bei ihm die neurologischen Aspekte.
Außerdem erhoffte ich von ihm Ratschläge, besser noch eine Behandlung meiner psychischen Einschränkungen, sprich meinen Ängsten und den Panikmomenten des Nachts, wenn ich nicht mehr schlafen konnte und mich deshalb tagsüber immer so matt und dumpf fühlte.
Der Arzt fragte mich noch nach Taubheitsgefühlen im Handgelenk, prüfte dann meine Reaktionen mit dem Hämmerchen und meinte dazu nur, dass er neurologisch keine Beeinträchtigungen feststellen könne und erklärte sogleich seine Unzuständigkeit.
„Oder leiden Sie unter Depressionen? Dann könnte ich Ihnen Antidepressiva verschreiben." Ich kam mir vor wie im falschen Film. Ängste und Panikattacken hatte ich mir bereits selbst attestiert. Aber Depressionen?
Wahrheitsgemäß sagte ich ihm, dass ich dies nicht wüsste und mir eigentlich von ihm eine Diagnose und darauf basierende Ratschläge erhofft hatte. Wenn ich gewusst hätte, das er lediglich Beeinträchtigungen des Nervensystems, die sich in Kribbeln oder Taubheitsgefühlen äußern, behandelt, hätte ich mir diesen Termin ersparen können.
Der Arzt war an meinen Einwänden nicht interessiert und beharrte auf seiner ursprünglichen Einlassung, dass er Neurologe sei. Ich sollte es doch Mal bei einem Psychotherapeuten versuchen, dann beendete er diese Farce und bat mich hinaus.
Draußen musste ich mich erst einmal sammeln. Was war da nur gerade passiert? Das Licht am Ende des Tunnels, welches mir in den letzten Wochen Zuversicht verliehen hatte, stellte sich nun als der Zug heraus, der auf mich zurast.
Doch ehe mich augenblicklich Angst und Panik ergreifen und lähmen konnten, hatte ich das Glück, dass ich noch einen Termin vor der Backe hatte. Der Sohn von Charles, Phineas Freak, hatte mich ein paar Tage zuvor angerufen und um Ratschläge gebeten, weil er Bürgergeld beantragen wollte. Das ist zwar nicht ganz meine Baustelle, aber ich erklärte mich selbstverständlich sofort zu einem Gespräch bereit.
Nach dem Termin beim Psycho Doc wollte ich ihn anrufen, so dass wir uns auf einen Kaffee treffen könnten. Da wär ich dann auch sicher gut drauf, so mein ursprüngliches Kalkül. Geschenkt. Und natürlich rief ich Phineas Freak gleich nach dem unrühmlichen Verlassen der Arztpraxis an und verabredete mich mit ihm auf einen Kaffee im Bäckereicafe um die Ecke für 10.00 Uhr.
Bei Kaffee und Kuchen plauderten wir eine geraume Zeit lang über seine finanziellen Nöte, aber auch über dies und das. Nun gut, er brauchte für die Beantragung beim Jobcenter nicht wirklich meinen Rat, da er auch ohne amtliche Unterstützung sein Leben und vor allem die dazu nötige Kohle organisieren kann.
Um es vorwegzunehmen: Mein Rat, Bürgergeld vorsichtshalber zur finanziellen Absicherung der Wohnungsmiete (Phineas Freak hatte da gerade keinen Job, nur noch Ersparnisse) zu beantragen, setzte er dank eines neuen Kneipenjobs tatsächlich nicht um. Deshalb mag ich diesen langen Lulatsch so gerne.
Phineas Freak kommt auch ohne Netz und doppelten Boden über die Runden. Da denke ich sofort an meine Zeit als Nachtfahrer bei Taxe und City Car zurück, in der ich neben der Miete noch die Beiträge für die freiwillige Krankenversicherung einfahren musste. Doch ich schweife ab - wir waren beim Kaffee.

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