Freitag, 2. Juni 2023

Hartmudo: Obsidian

In der Nacht vom 24. Mai verstarb unser Kater Obsidian, genannt Obsi. Also exakt drei Wochen nach dem Tod von Tesla. Es gibt da einige Parallelen, auf die ich aber erst ganz am Schluss zu sprechen kommen werde.
Kümmern wir uns zunächst einmal um Obsi. Vor knapp über zwei Jahren hatten wir ihn aus dem Tierheim Salzgitter zu uns genommen, weil unsere Katze Abby sich nach dem Tod ihrer Partnerin Sushi so einsam gefühlt hatte.
Dies mag eine sehr menschliche Sicht über den Gefühlszustand von Katzen darstellen, doch hatten wenigstens wir uns seinerzeit besser gefühlt, als wir Obsi zu uns nach Hause gebracht hatten. Denn wie sich sehr schnell herausstellte, tendierte Obsis Interesse an Abby gegen Null. Obsi ignorierte Abby nach allen Kräften und lief stets grußlos an ihr vorbei.
Und wenn Abby Obsi einfach nur beschnuppern wollte, fauchte er sie an oder fuhr gar die Krallen aus. Uns gegenüber zeigte er sich dagegen stets aufgeschlossen, waren wir doch als Dosenöffner unverzichtbar für ihn. Obwohl Dosenfutter...
Dies war nicht für Obsi gemacht, bereits nach kurzer Zeit mussten wir feststellen, dass Obsi lediglich teures Nassfutter zu fressen bereit war. Als Krönung bleibt festzuhalten, dass er es mit der Zeit geschafft hatte, uns dazu zu bringen, ihm nur noch Hähnchenfleisch zu fressen zu geben. Dieses kauften wir in der Regel bei Lidl. Meine Löwin schnitt dies noch in mundgerechte Häppchen zurecht , erst dann war Obsi bereit, dieses Essen als genießbar anzunehmen.
Obsi steuerte uns ganz raffiniert durch ein Verhalten, welches ihm seinen zweiten Spitznamen “Sir Piss-a-lot" einbrachte. Gewiss, eine Reminiszenz an Two and a half Man. Statt ins neue Katzenklo pisste er einfach auf die Personenwaage im Badezimmer, den kleinen Teppich vor dem Balkon oder auch schon mal an die Haustür.
In meinen Augen wurde Obsi legendär durch seinen Auftritt mit meinen Badelatschen. Er schaffte es doch tatsächlich, derart darauf zu pissen, dass nicht ein Tropfen auf den Teppich hinablief. Und mindestens zweimal schlüpfte ich in Socken in meine Hausschuhe, bloss um festzustellen, dass er sich in denselben erleichtert hatte.
Abgesehen von diesen Misslichkeiten, für die ich ihn oft genug verflucht hatte, war er größtenteils ein besonders lieber und schmusiger Kater. Größtenteils deshalb, weil er schon öfters dazu neigte, nachts um 3 Uhr vor meinem Bett zu stehen und zu jaulen, weil er Hunger verspürte. In diesem Momenten liest er mir keine Chance.
Erst nachdem ich aufgestanden war und ihm etwas zu fressen gegeben hatte, ließ er mich in Ruhe. Zum Glück war die Nachtruhe dann nur in sehr wenigen Nächten vorüber gewesen. Das war es dann auch schon mit den Ärgernissen. Obsi war bereits nach einer angenehm kurzen Eingewöhnungsphase sehr zutraulich gewesen.
Er platzierte sich gern direkt neben uns auf dem Sofa oder der Sitzbank im Esszimmer. Dies galt insbesondere immer dann, wenn wir irgend etwas zu Essen vor uns stehen hatten. Nicht, dass er gebettelt hätte. Aber wenn er realisierte, das er nichts abbekommen würde, ging er mit den Vorderpfoten auf den Tisch und zwang uns dadurch, ihm doch etwas von der Wurst oder dem Käse abzugeben.
Übrigens verschmähte er selbst Tee nicht - Kuchen stand bei ihm ebenfalls auf der Speisekarte. Das Trinken! Obsi war stets durstig und trank - nein soff! - das Wasser direkt vom laufenden Wasserhahn. Für Katzen ist dies ungewöhnlich. Ich denke aber, dass er Probleme mit den Nieren gehabt hatte.
Sei es drum. Trotz geklauter Schnitzel vom Küchentisch oder Verzehr vieler unbeaufsichtigter Würstchen hatten wir ihn ins Herz geschlossen. Obsi genoss es, wenn wir ihn unter dem Hals oder an den Ohren gekrault hatten. Dann schnurrte er immer sehr leise, kaum hörbar, wie es seinem überwiegend ruhigen Naturell entsprach.
Nur Nachts - und dass irgendwann seltener - jaulte und jammerte Obsi, weil er sich wahrscheinlich einsam und verlassen fühlte. Dann schlüpfte er immer in das Bett meiner Löwin und kuschelte sich bei ihr an.
Während der gesamten Zeit bei uns benötigte er Spritzen für seine Schilddrüsenunterfunktion. Zwei mal täglich hatte uns die Dame im Tierheim eingeschärft und wir hielten uns dran. Nun verstarb er also, gut betagt mit 12 Jahren, nach vier oder fünf Tagen, in denen Obsi sich unter dem Bett meiner Löwin verkrochen hatte und nur noch sporadisch zum Fressen hervorkam.
So ging er friedlich und ruhig, bescheiden und tapfer bis zum Ende in den Katzenhimmel. Ich sehe ihn immer noch ungeschützt auf der Ballustrade unseres Balkons sitzen, wie er sehnsüchtig und wachsam die Vögelchen beäugte. Dieses Bild werde ich in Erinnerung behalten.
Und die Parallele zu Teslas' Ableben? Beide hatten sich am Ende ihres Lebens mehr und mehr zurückgezogen und starben dann friedlich für sich allein an dem selbst gewählten Rückzugsort. Wobei wir da bei Tesla über viele Jahre statt 4 - 5 Tagen reden.
Tesla war depressiv veranlagt und hatte Hilfe stets abgelehnt, wenn sie ihm angeboten wurde. Das verbot ihn sein Stolz. In den letzten Jahren sah ich ihn eigentlich nur an Geburtstagen der alten Mannschaft, wo er stets gern gesehen war. Auch ließ er es sich nicht nehmen, die Mannschaft an seinem Geburtstag zu sich einzuladen.
Für Konzerte, Restaurantbesuche oder andere Vergnügungen fehlte ihm das Geld. Ob aus Stolz oder aus Scham - keiner von uns hatte es herausfinden können. Fragen nach seiner momentanen wirtschaftlichen Situation wich er stets aus.
So trauere ich jetzt über zwei geliebte Lebewesen, die zu früh in die ewigen Jagdgründe oder nach Walhalla gezogen sind.

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