Freitag, 21. April 2023

Hartmudo: Superwumms

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Die herbeigerufene Schwester versprach mir, sich darum zu kümmern. Sie wollte eine antibiotische Augensalbe von irgendeiner anderen Station auftreiben und tippte wie ich auf eine stinknormale Bindehautentzündung. Das schlug sich natürlich trotzdem gehörig auf meine Stimmung. Meine Löwin beklagte es auch vollkommen zurecht, dass ich stark abwesend wirken würde.
Doch ich komme da einfach nicht aus meiner Haut. Jeder kleine Rückschlag wird von mir sofort aufgebauscht. Ja, er wiegt schwer, der Fluch in meiner Familie.
Nachdem meine Löwin wieder nach Hause gefahren war und ich eine weitere Runde mit Gerd und Paul im Treppenhaus mit Spazierengehen verbracht hatte, stand ich immer noch ohne Salbe da. Meine Stimmung verdüsterte sich weiter. Aber, oh Glück, kurz vor dem Abendessen erschien die polnische Krankenschwester mit Augentropfen und der antibiotischen Salbe.
Das meine Stimmung da sofort ins Gegenteil umschlug, ist auch ein Charakteristikum, welches mir in die Wiege gelegt wurde. Mit gesegneten Appetit verspeiste ich mein Abendbrot und kam mit Gerd und Paul immer besser ins Gespräch.
Zudem freute sich Paul auf dem letzten Auftritt von Jürgen Drews, welchen die ARD zu einer großen Fernsehshow aufgebläht hatte. Und so ganz nebenbei entwickelte sich hierauf hin ein Gespräch über unsere jeweiligen Musikgeschmäcker.
Status Quo fanden wir natürlich alle gut, doch Gerd und Paul hatten es insbesondere Led Zeppelin oder Pink Floyd angetan. Bei Queen ließen wir alle drei unisono nur die Songs auf den 70er Jahren gelten. So weit waren wir demnach nicht voneinander entfernt, obwohl beide meine notorische Fixierung auf Punk und New Wave nicht teilten.
Bis zur nächtlichen Blutdruckmessung gegen 23 Uhr führten wir so eine mehr als angeregte Unterhaltung, bis die Jungs zur Nachtruhe ihr Licht über dem Bett ausmachten. Das war für mich der Startschuss, um noch einmal das Zimmer zu verlassen, weil ich draußen noch etwas lesen wollte.
Schlafen konnte ich noch nicht, die Jungs wollte ich aber auch nicht weiter stören. Ich fand meinen Platz neben der Geschirrrückgabe gegenüber dem Schwesternzimmer. Die Nachtschwester (in meinem Alter) fragte mich, ob alles in Ordnung sei. Glaubhaft konnte ich ihr versichern, dass ich vor dem Einschlafen lediglich noch etwas lesen wollte.
So dauerte es wohl noch bis zu einer Stunde, ehe ich ins Zimmer zurückschlich, meine „geliebte“ Schlafmaske aufsetzte und mich zum Schlafen hinlegte.
Sonntag, 15 Januar. So gegen 5:30 Uhr stand ich auf. Die Blase drückte, aber ich war begeistert. Ich hatte doch tatsächlich geschlafen. Im Bad wusch ich mich, so gut es mit einer Hand eben ging. Ich war so gut drauf, dass ich die Brötchen sogar selber, wenn auch mit Mühe, aufschneiden und auch schmieren konnte.
Mit großem Genuss aß ich meine Brötchen auf; den Erdbeerjoghurt nahm mir Gerd dankend ab. Ich hatte gerade genug Zeit, um mich bei den Jungs für das schöne Gespräch am Vorabend zu bedanken, als auch schon die Visite und kurze Zeit später eine Schwester mit den notwendigen Entlassungspapieren im Zimmer auftauchte.
Die Zeit des Abschiednehmens war gekommen. Meine Taschen hatte ich selbstverständlich schon gepackt; Paul half mir beim Tragen in die Eingangshalle. Kurz vor dem Ausgang - ich wollte mich gerade von Paul verabschieden - geschah einer dieser Zufälle, wie er in solchen Situationen einfach passieren soll.
Einer dieser Momente, die dich auch in schwierigen Zeiten hoffnungsfroh in die Zukunft blicken lassen. Mitten in der Eingangshalle kam Mahmut auf mich zu. Mit seiner Frau zusammen hatte er in den 90er Jahren das Tantuni betrieben.
In jenem fantastischen kurdischen Restaurant hatte ich mich seinerzeit jeden Dienstag zum Zechen und Essen getroffen, des öfteren setzte er sich zu uns. Ja, wir hatten damals sehr viel Spaß zusammen gehabt.
Kurz musste ich Mahmut vertrösten; denn zunächst verabschiedete ich mich herzlich von Paul und wünschte ihm und Gerd sehr viel Glück für die anschließende Reha. Aber nun zu Mahmut.
Nachdem er sein Restaurant in der Helmstedter Straße vor ein paar Jahren aufgegeben hatte und aus Braunschweig fortgezogen war, hatte er nun im Jugendgästehaus Harz als Koch eine Bleibe gefunden. Ebenso eine neue Liebe. Jetzt befand er sich wegen eines Magengeschwürs im Krankenhaus, auch er wird halt nicht jünger.
Er nahm mir noch das Versprechen ab, ihn dort mit meiner Löwen zu besuchen. Dann verschwand er nach herzlicher Verabschiedung im Fahrstuhl und ich konnte meine Löwin anrufen, auf das sie mich abholen würde.
Auf einmal musste ich feststellen, dass ich doch noch nicht so fit war, wie ich mich fühlte. Ich hatte gerade das Telefonat mit meiner Löwin beendet, als ich mit dem linken Bein am Tisch hängen blieb und nach vorne stürzte. Gerade konnte ich mich noch am Tisch mit meiner frisch operierten Hand abstützen. Zu euphorisch ich gewesen war, noch mehr Glück ich gehabt habe.

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