Freitag, 4. März 2022

Contramann: Krieg in der Ukraine

Vor einer Woche überfiel die russische Armee die Ukraine, seitdem herrscht dort Krieg. Ich war geschockt; damit hatte ich nicht (mehr) gerechnet. Unsere klassischen Leitmedien – egal ob Print oder TV – hatten es bereits seit Wochen prophezeit und herbeigeschrieben.
Wie Ihr in den noch folgenden meiner „Rückblicke“ erkennen könnt, habe ich die ganze Zeit Putin verteidigt und dem Westen die Schuld an der Verschärfung der Lage gegeben. Durch den jetzt doch überraschenden Einmarsch muss ich meine Meinung revidieren, zumindest was die Rolle Putins angeht.
Ansonsten bin ich verblüfft, wie schnell die „Wasserstandsmeldungen“ zur Corona-Pandemie bedeutungslos geworden sind. In den Nachrichten sehe ich nur noch Berichte von der Front und aberwitzige Meldungen, dass die CDU eine Wiedereinführung der Wehrpflicht anstrebt oder deutsche Truppen nach Lettland verlegt werden sollen.
Am krassesten war eine Meldung über mobile Krematorien, welche die Russen zur Vertuschung der tatsächlichen Todesfälle unter der ukrainischen Bevölkerung einsetzen sollen. Solch schrille Töne sollen wohl aussagen, dass der Ivan wieder vor der Tür steht.
Interessanterweise wird das Thema in meinem Kollegen- als auch im Freundeskreis ausgespart. Wo bislang noch auf Whatsapp über Corona leidenschaftlich diskutiert wurde, herrscht jetzt andächtiges Schweigen. Nicht einmal die üblichen Witzchen über Männer- und Frauenverhalten wurden jetzt ausgetauscht.
Ich bilde mir immer noch ein bisschen ein, dass dies daran liegt, das ich schon ab Sommer letzten Jahres einen Krieg im Donbass, ja gar einen Weltkrieg vorausgesagt hatte. Reaktionen darauf hatte ich nicht bekommen. Lediglich ein verdächtiges Ignorieren meiner Befürchtungen, so nach dem Motto: „Der schon wieder mit seinen Verschwörungstheorien, das ignoriere ich einfach mal.“ Aber wahrscheinlich sind alle ebenso geschockt wie ich.
Tja, Leute, und jetzt sind diese Verschwörungstheorien real geworden, wenn auch mit Putin als Bösewicht anders, als ich es gedacht hatte. Offenbar hat Russland mittlerweile gar kein Vertrauen mehr in Zusagen der USA und ihrer Verbündeten; das ganze Elend fing bereits Ende der 90er Jahre an, als der Warschauer Pakt zusammenbrach.
Seinerzeit verzichtete Gorbatschov auf militärische Aktionen – anders als seine Vorgänger – und ermöglichte so letztendlich die deutsche Wiedervereinigung. Dafür verzichteten die USA und ihre Verbündeten auf eine Osterweiterung der NATO, auf dieses Sicherheitsbedürfnis wollten die Russen nicht verzichten. Dies hatten sie dummerweise nicht schriftlich fixiert, jedoch seitdem immer wieder darauf hingewiesen, seitdem die NATO immer weiter nach Osten rückte.
Mittlerweile sind außer Weißrussland und der Ukraine alle ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts mit der NATO verbandelt. Die massive , zumindest finanzielle Unterstützung der USA beim Maidan Umsturz 2014 und das Bestreben der neuen Machthaber, in die NATO aufgenommen zu werden, lässt für die Russen nur den einen Schluss zu, dass die USA sich nicht an getroffene Absprachen halten.
Da war es auch wenig hilfreich, dass der ukrainische Ministerpräsident Selenskij auf der Münchner Sicherheitskonferenz (ohne Russland und China) Mitte Februar die Ausstattung der Ukraine mit Atomwaffen und schon seit geraumer Zeit eine Aufnahme in die NATO forderte. Die Abgabe der Atomwaffen war Vorbedingung für die erstmalige Unabhängigkeit der Ukraine
Die Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages 1994 und die Erklärung als atomwaffenfreies Land 1996 durch die Ukraine ignorierte Selenskij hier völlig. Die anwesenden westlichen Politiker klatschten zu Selenskijs Rede noch fröhlich Beifall. Endlich hatten sie ihr Ziel erreicht, die jahrelanger finanzielle Unterstützung der Ukraine trug endlich Früchte.
Wie weiland in den Indianerkriegen des 19. Jahrhunderts setzten die Amis permanent kleine Nadelstiche, bis Crazy Horse - Verzeihung, Putin - sich gar nicht mehr anders zu helfen wusste, als mit einem Kriegszug die sich abzeichnende Beendigung der Unabhängigkeit Russlands und deren Einkreisung durch die NATO zu verhindern. Und genau wie Crazy Horse im 19. Jahrhundert wird auch Putin scheitern.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr wir uns durch die Medien manipulieren lassen. Im 19. Jahrhundert wurde „der Indianer“ in den Gazetten als blutrünstig dargestellt. Die Steigerung zum Juden als Untermenschen durch die Hugenberg-Presse in der Weimarer Republik war da noch einmal eine Steigerung der Perversion. Das Ergebnis allerdings war gleich: Die Mehrheit der Bevölkerung glaubte es und schlug in die gleiche Kerbe.
Und heute? Der Bösewicht heißt Putin, als ob er ganz alleine gegen die tapferen Ukrainer reitet. Hier benutzen die westlichen Medienschaffenden die seit dem 20. Jahrhundert bewährten Muster: Ein Bösewicht muss her - Kaspar haut dann den bösen Räuber. Putin ist da nur das vorerst letzte Glied einer Kette aus Hitler, Stalin, Khomeini, Saddam Hussein und Osama bin Laden. Diese Liste ließe sich noch beliebig erweitern, das Muster bleibt jedoch gleich.
Hierzu zitiere ich gern noch einmal ein historisches Zitat, leicht abgewandelt: „Den Kapitalismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf“. Das Zitat über den Sozialismus, welches Erich Honecker öfter benutzte, ist lt. Wikipedia als geflügeltes Wort in der Berliner Sozialdemokratie ab 1886 nachweisbar.
Damit habe ich auch die passende Überleitung zur neuen Bundesregierung. 1999 war es eine rot-grüne Regierung, die unter einem grünen Außenminister den ersten Auslandseinsatz (zur Überwachung der Entmilitarisierung bzw. des jugoslawischen Truppenabzugs) der Bundeswehr durchsetzte.
Die innerhalb Jugoslawiens ehemals autonome Region Kosovo hatte sich am 17. Februar 2008 nach einem Parlamentsbeschluss für unabhängig erklärt. Nach einer UN Resolution erkannte eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen den Kosovo als unabhängigen Staat an und in der Folge garantierte die NATO Militärmission KFOR die Unabhängigkeit; die KFOR ist dort noch heute im Einsatz.
Es folgt die Übersetzung für die Ukraine, mit näheren Ausführungen. Nachdem die ukrainische Regierung Russisch als Amtssprache verboten hatte, erklärten sich 2014 die östlichen Provinzen Lubansk und Donbas (Donezk) nach einem Referendum (Volksbefragung) für unabhängig, nachdem eine Teilautonomie der Provinzen von der Zentralregierung in Kiew abgelehnt worden war.
Ich weiß, das dies heute gern anders dargestellt wird, nämlich als heimliche Unterstützung der prorussischen Milizen im Donbas durch Russland. Gern wird auch von Greueltaten dieser Milizen gesprochen, diese wiederum schildern die Situation genau anders herum. Das war übrigens 1999 auch nicht anders.
Dann stell Dir jetzt mal folgendes vor: Mit 1999 vergleichbar erkennt die überwiegende Zahl der Mitgliedsländer der Vereinten Nationen Donezk und Lubansk als unabhängige Staaten an oder sorgt zumindest schon seit 2014 in Verhandlungen dafür, dass beide Regionen eine Teilautonomie erhalten. Abgesichert wird dies durch NATO bzw. UN Einheiten, die für eine Entmilitarisierung der Region oder auch Abzug der Ukrainer sorgt.
Hhm, irgendwie läuft das hier aber anders. Die einzige Parallele, die mir sofort ins Auge fällt, ist, dass die rot-grüne Regierung (diesmal mit Lindners FDP) wieder ein Novum in der knapp 70jährigen bundesdeutschen Geschichte aufstellt: Waffenlieferung in eine Krisenregion, nein: eine Kriegsregion! Und das natürlich einseitig an eine Partei.
Putins Überfall ist schlimm, keine Frage. Aber deutsche Waffenlieferung zum aktiven Kampf gegen Russland? Wie immer gegen Russland! Besser kann man die russische Paranoia im Nachhinein nicht rechtfertigen. Und das noch mit dieser dümmlich vor sich hinstammelnden Schildmaid aus Hannover. 27 Millionen Sowjetbürger verloren im 2. Weltkrieg ihr Leben und schon wieder hetzen Deutsche gegen „den Russen“.
Während das deutsche Parlament letzten Sonntag 100 Milliarden aus dem Sondervermögen bereitstellte und den Wehretat auf 2% des Bundesetats anhob, fand zur gleichen Zeit um die Ecke eine große Friedensdemo statt. Richtig so, wie damals. Gegen den Vietnam Krieg, gegen den NATO Doppelbeschluss, für Nicaragua...
Ihr erinnert Euch doch hoffentlich noch alle. Das alles mündete später zusammen mit dem Engagement für den Umweltschutz in die Gründung der Partei „die Grünen“. Jene Partei, dessen Mitglieder heute im Bundestag die gigantische Wehretatsteigerung abnickten und begeistert Beifall klatschten.
Aus der Gründungszeit ist wohl nur noch der Wunsch nach einem tonnenschweren Tesla übrig geblieben. Und: Asylantenheime ja, aber bitte nicht neben meinem Haus. Was für Heuchler, der selige Karl-Eduard von Schnitzler hätte dies voraussagen können.
Und die aktuelle Friedensbewegung. Da tauchten sogar Plakate mit „Waffen für die Ukraine“ auf, was für ein Desaster. Keiner der Mitmarschierenden distanzierte sich davon. Aber bei den Demos gegen die Corona Maßnahmen waren alle Teilnehmer rechtsaffin, weil diese Idioten dort auch (anonym übrigens) mitmarschierten.
Ich empfehle hierzu folgenden Link:
https://www.heise.de/tp/features/Krieg-in-der-Ukraine-Warum-wir-versagt-haben-6527342.html
Diesem Fazit kann ich mich anschließen.
Es geht hier eigentlich darum, dass die Rüstungskonzerne jetzt riesige Gewinne einfahren und die Demonstranten, aufgehetzt wie in alten Zeiten, mit ihren gut gemeinten Absichten die Eskalation im Donbas unterstützen.
Mal sehen, wer von all den Demonstranten (und Grünen) Flüchtlinge bei sich aufnimmt und zumindest den Lebensunterhalt sicherstellt, und zwar jahrelang. 2015/16 brach dieses Engagement für die syrischen Flüchtlinge schnell zusammen. Dass die Krankenkosten nicht längere Zeit geschultert werden konnten und auch jetzt vom Staat zu übernehmen sind, ist hierbei selbstverständlich.
Putin selbst ist zumindest ein Autokrat. Ob das russische „System“ nach Putins Absetzung oder Ableben (meine Vermutung in diesem Fall: Die Drohnen werden aus Ramstein gesteuert) schnell in sich zusammenbricht, bezweifele ich. Sein Vorgänger Boris Jelzin war nicht minder autoritär, hatte aber die kapitalistische, Entschuldigung: Marktwirtschaft, ins Land gelassen. Daher hatte jener trotz mancher Anfeindungen eine bessere Presse.
Von der Durchsetzung der ukrainischen Revolution des Maidan 2014 mit Hilfe der Nachfolgeorganisation der Organisation ukrainischer Nationalisten (OUN), welche im 2. Weltkrieg Hitler bis zum Ende 1945 aktiv auch gegen die Zivilbevölkerung in der Sowjetunion unterstützte, erfährt man in der Tagesschau wenig.
Auch den Friedensdemonstranten dürfte dies nicht bekannt sein, dabei hätten sie sich einfach nur die Trikots der ukrainischen Fußballnationalmannschaft bei der EM 2021 anschauen müssen. Das alte Wappen der OUN war auf deren Trikots zu sehen.
Es heißt, im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst. Beim Blick in die momentanen Nachrichten bewahrheitet sich dieser Spruch leider erneut. In meinem Gemeinschaftskunde Leistungskurs Ende der 70er Jahre wurde mir das kritische Denken anhand der Propaganda der Nazis oder Kommunisten vermittelt. Dagegen war die Medienlandschaft im Westen vor 40 Jahren ungleich offener und vor allem vielfältiger.
Wende ich dies nun auf die aktuelle Berichterstattung im deutschen Fernsehen an, kann ich heute keinen Unterschied mehr zur Propaganda in totalitären Systemen feststellen. Geschuldet ist dies meiner Ansicht nach dem Wegfall des konkurrierenden Wirtschaftssystems - hier die Auflösung des Warschauer Pakts und die Öffnung Chinas hin zum staatlich kontrollierten Turbokapitalismus, der nunmehr die amerikanische Finanzindustrie bedroht.
Egal, ob ein einsamer Autokrat wie Putin oder „der Chinese“ die Richtlinien der Politik vorgibt oder eine anonymisierte Gruppe von Menschen, die im Hintergrund der Aktienmärkte an den Fäden zieht: Ausbaden muss es immer die „kleine Mann*in“, egal ob in der Ukraine, in Russland oder in good old Germany.
Zum Schluss noch ein altes Zitat von Hermann Göring aus seiner Nürnberger Gefängniszelle:
„Natürlich, das einfache Volk will keinen Krieg [..] Aber schließlich sind es die Führer eines Landes, die die Politik bestimmen, und es ist immer leicht, das Volk zum Mitmachen zu bringen, ob es sich nun um eine Demokratie, eine faschistische Diktatur, um ein Parlament oder eine kommunistische Diktatur handelt. [..] Das ist ganz einfach. Man braucht nichts zu tun, als dem Volk zu sagen, es würde angegriffen, und den Pazifisten ihren Mangel an Patriotismus vorzuwerfen und zu behaupten, sie brächten das Land in Gefahr. Diese Methode funktioniert in jedem Land."
https://www.buchhandel.de/buch/Nuernberger-Tagebuch-9783596218851
Und es funktioniert in Russland und der Ukraine wie auch in Deutschland. Allein das Schüren der Kriegshysterie 1914 auf allen Seiten, welches in den 1. Weltkrieg mündete, sollte uns eigentlich eine Lehre sein.

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