Montag, 21. Oktober 2019

Hartmudo: Wismar 2/2

Nach der Koggenfahrt passierte nicht mehr viel. In der aufkommenden Dämmerung gingen wir zum Hotel zurück und ließen den Abend dort ausklingen. Ich saß noch mit Charles, Mary, Ulf und Nina lange Zeit in der Lobby, während uns die Bedienung die Licher brachte. Später, beim letzten Bier, waren Charles und ich auf uns allein gestellt, bis auch wir uns endlich zur Ruhe begaben.
Am nächsten Morgen gingen meine Löwin und ich nicht zum Markt, sondern gleich zum Frühstück. Überhaupt waren wir alle äußerst pünktlich, da wir schon gegen 10.00 Uhr einen Termin hatten. Heute sollte es zur Insel Poel gehen, die sich vor Wismar befindet und durch einen Damm mit dem Festland verbunden ist. Dort wurde 1945 die Cap Arcona von britischen Fliegern irrtümlich versenkt. Insgesamt kamen über 7000 ehemalige KZ Häftlinge ums Leben.
Also ab zum Hafen, rauf auf die Fähre und alsbald waren wir im Hafen von Kirchdorf auf Poel angelandet. Wir mussten nur ein kurzes Stück um die Ecke laufen, um zum Fahrradverleih zu gelangen. Eine nette ältere Dame zeigte uns den Weg dorthin. Dies natürlich nicht zufällig, denn die Dame war die von uns kontaktierte Biologin, die mit uns einen Exkurs zu den Salzwiesen am westlichen Ufer von Poel unternehmen wollte.
Das Motto dieser Tour lautete „manche Pflanzen mögen es salzig“. Denn auf den Salzwiesen wachsen allerlei seltene Gräser und Blumen, welche eine hohe Salzkonzentration vertragen und sich somit dort in Ruhe entwickeln können. So gegen 16.00 Uhr war anschließend noch eine Kremserfahrt geplant, ehe wir mit einem Bus nach Wismar zurück fahren wollten.
Die Salzwiese im Blick

So weit der Plan. Die Fahrräder entpuppten sich leider als schwer in der Handhabung. Eine Federung unter meinem Sattel bewirkte, dass mein Pöter ständig auf und ab gehoben wurde. Dazu ließ sich die Sitzhöhe eh nicht richtig einstellen, so dass ich die Beine beim Treten nie durchdrücken konnte.
Die Biologin führte uns über eine lange Steigung auf einer Kreisstraße in Richtung einer Ferienhaussiedlung. Ralle und ich waren gut drauf und hatten die anderen sehr schnell hinter uns gelassen. Als wir bei einer Zwischenrast nach einer längeren Abfahrt eine Pause eingelegt hatten, um auf die anderen zu warten, stellte sich heraus, dass meine Sestra Berta bereits an der ersten Steigung gescheitert war und aufgrund ihres Asthmas umgedreht war- Sie schob ihr Rad zum Fahrradverleih zurück.
Bud, der sich bis zum Zwischenhalt gequält hatte, fuhr sofort allein zurück, damit Berta nicht allein am Hafen rumhängen musste. Das Bud die Steigung überhaupt geschafft hatte, freute mich sehr, da er zu Fuß sonst immer seine Probleme hat. Derart dezimiert, fuhren wir über ein kleines Waldstück zu einer Salzwiese, dem Ziel unserer Fahrt.
Und während sich der Himmel zunehmend mit dunklen Wolken überzog, ohne dass es abregnete, stellte uns die Biologin verschiedene Gräser und Kräuter auf der Salzwiese vor. Sie ließ uns von den Gewächsen probieren und erläuterte uns die heilende Wirkung diverser Kräuter. Wir blieben hier knapp eine Dreiviertelstunde und bewunderten die Kühe hinter uns auf der Weide, ehe wir zurückradelten und an einem Aussichtspunkt einen Kilometer später noch einmal rasteten, um ein Bierchen zu schlürfen oder auch ein Stückchen Käse zu essen. Die Biologin verabschiedete sich hier von uns, nicht ohne noch einige Geldscheine in Empfang zu nehmen.
15.30 Uhr war es inzwischen geworden, als wir uns auf den Weg zurück machten, um zum Treffpunkt für die Kremserfahrt zu gelangen. Diesmal preschte ich alleine vorneweg, damit wenigstens einer rechtzeitig da ist. Bei leicht einsetzenden Regen und einem stark böigen Gegenwind kam ich auf meiner Hutschefiedel schnell ins Keuchen, zumal es erst einmal permanent bergauf ging. Dennoch erreichte ich Kirchdorf mit einem gewaltigen Vorsprung vor den anderen und merkte gleich, dass wir den Termin nicht schaffen konnten. Innerhalb von den verbleibenden 10 Minuten wäre ich nie rechtzeitig zum Treffpunkt gekommen.
Immerhin hatte Mary den Fahrer bereits zu kontaktieren versucht, leider aber keinen Erfolg gehabt. Weder beim Ponyhof, der die Kremserfahrt veranstaltete, noch auf dem Handy des Kutschers hatten wir Erfolg, als der Rest der Truppe nach einer Viertelstunde Kirchdorf erreicht hatte.
Wir hatten unsere Fahrräder dann gleich abgegeben, Berta und Bud eingesammelt und es erneut beim Ponyhof versucht. Als wir uns bereits damit abgefunden hatten, dass es dieses Mal nichts mit unserer Kremsertour wird und wir unverrichteter Dinge mit dem Bus zurückfahren müssten, kam der Kontakt mit dem Kutscher doch noch zustande. Er holte uns 20 Minuten später aus Kirchdorf ab. Wider Erwarten hatte er keine Getränke an Bord. Er meinte, wenn wir vorher Bescheid gesagt hätten... Das war fast das Einzige, was er während unserer Fahrt sagte.
unsere Kutsche

Wenn wir ihn allerdings angesprochen hatten, kamen die Infos über die Insel schon rüber. Er wollte sich halt nicht aufdrängen. Außer am Ende der Tour - da wollte er abdrängen. Und zwar den Linienbus! Mitten im Ort setzte er sich kackfrech vor den Bus und blockierte die Fahrbahn, so dass wir in Ruhe aussteigen konnten und diesen Bus erwischten. Andernfalls hätten wir ne geschlagene Stunde auf Poel ausharren müssen, bis wir nach Wismar zurück gekonnt hätten.
Im Hafen mit dem Bus angekommen, blieben wir gleich dort. Denn wir hatten in „Gottfrieds Steak und Fischrestaurant“ einen Tisch ab 19.00 Uhr bestellt. Dieser war aber um 18.00 Uhr schon frei, so dass wir die Gelegenheit ergriffen, um uns etwas früher den Fisch zu gönnen. Mein Filetteller mit Dorsch, Lachs und Scholle war äußerst lecker und harmonierte ideal mit dem Störtebecker, welches ich mir reichlich einverleibte.
Danach war der Abend quasi gelaufen. Wir nahmen wohl noch einen Abschiedstrunk in der Hotellobby und gingen dann zeitig zu Bett.
Montag, Abreisetag. Wir griffen beim Frühstück nochmals richtig zu. Ich liebe ja Rühreier! Die Koffer hatten meine Löwin und ich selbstverständlich bereits vorher gepackt, also direkt nach dem Aufstehen. Da unser Zug erst kurz nach 13.00 Uhr ging, hatten wir noch viel Zeit, um uns in Wismar noch etwas umzuschauen.
Meine Löwin und ich landeten zunächst in einem historischen Gebäude: Mit 1 000 Talern Startkapital eröffnete Rudolph Karstadt am 14. Mai 1881 in Wismar sein erstes „Tuch-, Manufaktur- und Confectionsgeschäft“. Seine neue Geschäftspolitik - billige, feste Preise und nur gegen Barzahlung - war damals noch ungewöhnlich. Der Erfolg gab ihm jedoch Recht. Bereits im Jahre 1906 unterhielt Karstadt 24 Kaufhäuser in Norddeutschland.
Dort kaufte ich mir einen Wollmantel für die bald kommenden kalten Tage. Anschließend landeten wir in einem Laden namens „Genußwelt“. Der vom Inhaber geführte Laden hatte nicht nur alle möglichen Naschereien mit Sanddorn (der mit Rum war am Besten!) zu bieten, sondern auch Gewürze, Lederwaren und Co.
Derart eingedeckt, schauten wir zum Abschluss schnell nochmal im Hafen vorbei, um ein Fischbrötchen zu essen. Diesmal griff ich zum Bismarckbrötchen... als auf einmal der Kutscher vom Vortag an uns vorbeikam. Er sagte, er wollte zum Golfplatz, weil er einen Einkaufstrolley hinter sich herzog.
Das war als Scherz gemeint. Denn eigentlich ging er gerade zu den Tafeln, um seine Hartz IV Leistung zu schonen. Ich mache es kurz: Zwei Wochen später hatten wir 20,- € an den Ponyhof mit einem netten Brief geschickt, auf das der Kutscher das Geld erhalten möge. Die Nummer mit dem Bus hätte er nicht so durchziehen müssen. Dafür wollten wir ihm nochmals danken.
Spätestens in dem Moment im Hafen, als er uns die Geschichte mit dem „Golfen“ erzählte, hatte jeder von de Trantüten mitbekommen, dass im Osten immer noch nicht gut gezahlt wird.
Die Rückfahrt gestaltete sich dank zweier Umstiege wenig spektakulär... bis zu dem Umstieg in Berlin. Da hatten wir uns stark ärgern müssen, weil unsere reservierten Plätze ohne Kommentar entfielen. Die Bahn hatte einfach andere Wagen eingesetzt und es nicht für nötig gehalten, die Fahrgäste auf dem Bahnsteig mittels einer Durchsage zu informieren. Meine Löwin und Ralle schrieben im Zug erbitterte Kritiken hierzu in das dafür vorgesehene Portal. Und schon kam der Schaffner an und versuchte uns den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wir hätten ja schließlich einen Sitzplatz bekommen. Außerdem wären die geänderten Waggonsd und der Wegfall der Reservierungen groß und breit auf der Anzeigetafel auf dem Bahnsteig angezeigt worden. Und so weiter.
Es war fruchtlos, uns mit dem Schaffner auseinanderzusetzen. Wir waren eine Viertelstunde vor Abfahrt auf dem Bahnsteig. Da stand nichts auf der Anzeigetafel. Und da, wo wir wegen der Wagenreihung stehen mussten, war die Anzeigetafel nicht einsehbar gewesen.
So hatten wir also auch bei unserer diesjährigen Kegelfahrt ein Problem mit der Bahn bekommen. Ansonsten war es wieder ein schöner Trip, der im Gegensatz zu manch anderen Aktionen relaxt und entspannt ablief. Mal sehen, wo es uns in zwei Jahren hin verschlägt.

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