Freitag, 8. März 2019

H. Lecter: Alf

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Am 10. Dezember letzten Jahres war ich am späten Vormittag bestürzt, als mein ehemaliger Kollege Frank-Walter (inzwischen im Ruhestand) meinem Team einen Besuch abstattete. Die Woche zuvor lief bereits das Gerücht über den Flur, dass der gerade mal seit 2 Monaten im Ruhestand befindliche Kollege Alf nach langem und schwerem Leiden verstorben sein sollte.
Nun erhielt ich die bittere Gewissheit; es stand am Wochenende in der Zeitung. Ich war bestürzt, obwohl sich mein Kontakt zu ihm in den letzten Jahren auf einige wenige Gespräche im Jahr verringert hatte. Das lag einerseits an seinen vielen Krankheitstagen, andererseits an einer gewissen Entfremdung, die in unserer Beziehung über die Jahre eingetreten war. Mittlerweile hatte ich mich in den letzten 5 Jahren mehr und mehr aus fast allen Privataktivitäten mit Kollegen zurückgezogen; dazu zählen für mich selbst kurze Gespräche in der Bürotür.
All die Geschichten und Szenen, die mir im Kopf herumschwirren, sind aus einer Zeit, in der Alf und ich gern auch mal mit anderen „Mitstreitern“ nach Feierabend einen picheln gingen. Sei es im „Köludu“ (König Ludwig Dunkel), im „Malaria (Moravia) Eck“ bei Pedder oder in der „Jever“ (Klause) – Zusammen mit Mike (leider auch schon tot), Sylvester, Wastl und Onkel Hotte hatten wir den einen oder anderen sichergestellt.
Und auch wenn die ganzen kruden Szenen den guten Alf in einem schlechten Licht erscheinen lassen, sei versichert, lieber Leser, dass Alf einer der witzigsten und auch liebsten Menschen gewesen war, die ich jemals in meinem Leben kennenlernen durfte. Zumindest bis zum Erreichen eines gewissen Alkoholpegels. Und keine Angst, meine Damen: Auf den Tisch hat er „ihn“ nie gelegt. Dazu hatte Alf viel zu gute Manieren, als dass ihm das hätte passieren können.
Gern denke ich zurück an die Zeit, als ich im August 1991 im Sozialamt als Sachbearbeiter angefangen hatte. Meine Vorgängerin auf dem Arbeitsplatz war gerade mal an meinem ersten Arbeitstag da und ich selbst hatte zwar die Voraussetzungen an Ausbildung (diplomierter Verwaltungsfachwirt FH – so viel Zeit muss sein) erfüllt, war aber seit 7 Jahren ohne Berufserfahrung direkt vom Fahrersitz eines City Car ansatzlos in die Amtsstube gewechselt.
In meiner Anfangszeit wurde mir jeden Tag ein anderer Kollege als Einarbeiter zugeteilt. Am liebsten waren mir von Anfang an Alf und Knödel Willi (leider auch schon verstorben). Wir waren dank unseres Hobbys (Saufen!) Seelenverwandte, lediglich Detzer (auch schon im Ruhestand) hatte in der Abteilung vergleichbare Referenzen vorzuweisen.
Und Alf bildete seinerzeit mit Knödel Willi ein unnachahmliches Gespann, bei dem ich mir zwischendurch immer mal wieder gerne Tipps holte, zumal beide immer ein offenes Ohr für mich hatten. Knödel Willi (Spitzname „häsischä Mesastecha“ – hessische Messerstecher) kam ursprünglich aus Offenbach und hatte den Slang und Humor eines Heinz Schenk schon mit der Wiege aufgesogen. Und Alf mit seiner schallenden Lache trug bereits damals ausschließlich Hemden der Marke Walbusch.
In ihrem Kühlschrank hatten sie im Eisfach ständig 2 Schnapsgläser vorrätig, die sie ab und an auch mit einem edlen Tropfen befüllten und leerten. Da konnte ich mich natürlich gar nicht lumpen lassen und zog gerne mit, Solidarität wird ja bekanntlich groß geschrieben.
Fasziniert war ich gleich zu Beginn meiner Tätigkeit. Ich saß ja genau gegenüber der beiden Schwerenöter und stand bei Knödel Willi vor dem Schreibtisch, als Detzer aus der Mittagspause kam und für die Beiden (und wohl auch für mich) einen 0,1 Liter Flachmann Zinn 40 mitgebracht hatte. Detzer stellte die Fläschelchen auf den Tisch, Alf kam um die Ecke von seinem Büro und dann ging die Bölkerei los. Mit wüsten Beschimpfungen pöbelten sich Detzer auf der einen und Knödel Willi / Alf auf der anderen Seite an. Voller Geifer und Hass, so schien es, beleidigten sie sich gegenseitig durch. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, wäre der Grad an Besorgnis hoch gewesen. So aber…

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