Donnerstag, 23. August 2018

Hartmudo: Mutter

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Am Dienstag, den 16.11. um 16.00 Uhr, fand die erste Besprechung nach der Beisetzung von Mutter in ihrer alten Wohnung statt. Meine Motivation zu dieser Veranstaltung war eher gering, denn ich ahnte schon, dass es wieder Stress geben würde. Denn obwohl ich mich mit Sunny anlässlich der Feier zu Buds 70. Geburtstag überraschend gut vertragen hatte, war mir unser Streit am Telefon wegen der Sicherstellung des Schmucks noch lebhaft in Erinnerung geblieben.
Müde stieg ich auf der Brücke zwischen Heidberg und Melverode aus der Straßenbahn aus und ging die Steigung zwischen Hochhaus und Autobahnauffahrt zur Wohnung meiner Mutter hinunter. Mit meiner Löwin hatte ich vorher besprochen, dass ich mich melde, wenn ich mit dem Termin durch bin. Ich wollte eventuell mit ihr Essen gehen. In der Vorwoche hatte ich das neue Butler Gutscheinheft erhalten, meine Löwin wusste aber noch nicht, ob sie dann schon bei ihrer Behandlung durch sein würde.
Nach relativ kurzer Wartezeit waren wir alle auf dem Parkplatz vor Mutters Wohnung, vielmehr vor dem Reihenhaus, in dessem 3. Obergeschoss sich Mutters Wohnung befindet, versammelt. Und während Berta ebenfalls allein gekommen war, brachte Sunny Reiner zur Verstärkung mit. Bekanntermaßen hat Sunny ja Ängste, wenn es um das Autofahren geht. Diese Ängste bekam sie erst etwas besser in den Griff, als es Mutter im Sommer schlechter ging.
Aber ich greife vor. Zusammen gingen wir hoch in die Wohnung und setzten uns an den Wohnzimmertisch. Berta allein auf dem Dreiersofa, ich allein auf dem Zweier an der Seite und Reiner nebst Sunny auf Stühlen gegenüber dem Sofa. Hierbei war die Stimmung gerade zwischen Berta und Sunny sichtlich angespannt, frostig wäre hier wohl der korrekte Begriff, der sich in der gesamten Körperhaltung meiner Schwestern ausdrückte.
Zu Beginn erklärte uns Berta, was sie bisher alles unternommen hatte. Sie hatte Kontoauszüge mitgebracht und einige Zahlungen ausgeführt. Hierbei hatte sie Schwierigkeiten mit der Nord LB, Mutters Hausbank, zu überwinden. Denn obwohl die Sachbearbeiterin der Bank in der Filiale im Heidberg ihr die Überweisung zusicherte, klappte diese nicht und bei der erneuten Ausführung fiel eine Gebühr an, nachdem Berta die endgültige Überweisung mit der Bank geklärt hatte.
Die zuständige Sachbearbeiterin war halt im Urlaub und die Vertreterin hatte das Ganze nicht gerallt, obwohl die Sachbearbeiterin eigentlich einen entsprechenden Hinweis in den Unterlagen hinterlassen wollte. Diese Gebühr wollte sich Berta zurückholen. Berta steigerte beim Erzählen dieser Begebenheit die Lautstärke, es war ersichtlich, das sie sich über die Bank richtig ärgerte.
Sunny dagegen nahm das sichtlich eher teilnahmslos hin. Es schien sie nicht im Geringsten zu interessieren, nur noch ein Gähnen hätte gefehlt. Bereits hier war deutlich zu sehen, dass Sunny Bertas Gemütslage mittlerweile scheissegal war. Diese „Peanuts" an Gebühren waren vielleicht wirklich nebensächlich, aber zumindest etwas Empathie für Bertas Ärger mit der Bank und damit auch ihres Einsatzes in der Sache hätte ich von Sunny erwartet.
Berta erwähnte auch die Notwendigkeit einer Steuererklärung. Hier stand sie mit Mutters Steuerberater in Verbindung und brauchte dafür auch noch Unterlagen aus der Wohnung. Wir sichteten daraufhin die Papiere, die wir schon zuvor beim ersten Besuch in der Wohnung herausgekramt hatten. Das "wir" meint hier Berta und mich; Sunnys Interesse würde nicht annähernd geweckt.
Stattdessen saß da die pure Langeweile am Tisch, Reiner hörte sich Bertas und danach auch meine Sachen wenigstens noch an. Nachdem also Berta mit ihren Aktivitäten bei der Nord/LB und den Rechnungen des Bestatters fertig war, kam ich endlich an die Reihe. Ob Telekom oder Versicherung, GEZ oder Rententräger. Ich hatte allen eine Kopie der Sterbeurkunde geschickt und stellenweise auch schon Antwort erhalten.
Ich merkte schon, dass meine weiteren Schritte für Sunny nicht so interessant waren. Als ich von meinen Anstrengungen bezüglich der Umschreibung der Wohnung im Grundbuch auf uns als Eigentümer berichtete, hatte ich endlich Sunny's Aufmerksamkeit. Hier müssten wir nur noch auf das Gericht warten, die uns allen die Umschreibung zuschicken würde. Die Testamentseröffnung hatten wir ja gerade vor kurzem per Post erhalten. Das ging von mir direkt zum Grundbuchamt und voila, jetzt mussten wir nur noch abwarten.
Das schien somit zu laufen und Sunny war sichtlich zufrieden. Einige wichtige Papiere nahm Berta an sich, weil sie diese in erster Linie für den Steuerberater brauchte. Ich dagegen nahm nur wenig an Post mit, Sunny wirkte hierbei merkwürdigerweise unbeteiligt. Reiner und sie hatten natürlich die wirklich wichtigen Dinge am Start. So erzählte Reiner dann mit ruhigen Worten doch tatsächlich, dass Wohnungen in dieser Gegend bei dieser Größe im Internet bei Immowelt mit 145.000 € zum Verkauf angeboten würden.
Wir kamen dann auch auf den Makler über Mutters und Bertas Steuerberater zu sprechen. Berta würde ihn ansprechen, ob er den Verkauf der Wohnung für uns regeln könnte. Sunny wollte hierzu auch noch eine Freundin von Dörte fragen, die in einem Maklerbüro arbeitet. Selbst ich konnte noch eine Konnektion anbieten. Über alte Tupperkontakte meiner Löwin hätten wir auch einen Makler an die Hand bekommen, bei dem wir quasi nur die Schlüssel abgegeben hätten und dann erst zum Notar wieder aktiv geworden wären.
Drei Möglichkeiten also, da legten wir uns noch nicht fest, weil erst noch die Wohnung ausgeräumt werden musste und im Zuge dessen Wertgegenstände veräußert werden sollten. Wir hatten ja für den Makler noch Zeit, zumal die Wohnung noch nicht vom Grundbuchamt auf uns umgeschrieben worden war. Vorher brauchten wir es bei irgendeinem Makler gar nicht erst zu versuchen. Von meiner Befürchtung wegen möglicher anderer Eigentumsverhältnisse an der Wohnung - ich sage nur Berliner Testament von Walter - erwähnte ich nichts, diese Befürchtung war zu diesem Zeitpunkt schon erledigt.
Nachdem wir soweit durch waren, sprachen wir über den Umgang mit den von Mutter so geliebten Wertgegenständen und dem anschließenden Ausräumen der Wohnung. Jetzt schaltete sich Reiner zunehmend aktiv ins Geschehen ein und machte seinem früheren Spitznamen aus glücklicheren Zeiten unserer Familie alle Ehre: „Turr-bo!" lief zu längst vergessener Hochform auf.
Für den Verkauf des Schmucks hatte er den Juwelier am Altstadtmarkt im Auge, der ein guter Freund von Frankie und Grace ist. Auch Berta hatte schon von ihm gehört und wäre ebenfalls auf ihn gekommen. Sogar meine Löwin hatte bereits an ihn gedacht, so dass wir uns alle einig waren, das wir den Schmuck ihm zum Verkauf anvertrauen würden. Sunny wachte in diesem Moment auf; Ihr fiel die Aufgabe zu, mit dem Juwelier einen Termin abzusprechen.
Sowohl Berta als auch Sunny wollten für sich eine Puppe haben, Mutter hatte ja reichlich von dem Zeugs. Bei den Teppichen zeigte Sunny noch etwas Interesse für einen dieser Staubfänger, ich weiß natürlich nicht mehr, welcher es war. Meinereiner reklamierte Vaters Reservistenbierkrug für sich. Schließlich wollte ich nicht ohne Erinnerungsstück rausgehen.
Sunny sammelte auch zwei bis drei Pelzjacken ein, sie kannte da jemanden, der diese vielleicht kaufen würde. Berta und ich hatten nichts dagegen, ich erwähne dies explizit, um an dieser Stelle klarzustellen, das Berta und ich Sunny gegenüber kein Mißtrauen hegten. Wie der weitere Verlauf zeigen sollte, war dies umgekehrt nicht der Fall.
Für das Ausräumen der Wohnung hatten wir noch keine genauen Vorstellungen. Reiner und ich bevorzugten die Beauftragung eines entsprechenden Unternehmens, ich brachte auch kurz einen Kumpel von Danny ins Spiel. Auch Sunny meinte, dass sie da jemanden kennt, der dann die Möbel nach Neuerkerode bringen würde. Hier würden wir später Angebote einholen, denn Sunny schlug auch noch einen Wohnungsflohmarkt vor, bei dem wir vor der Räumung noch das eine oder andere Stück zu einem angemessenen Preis verkaufen wollten, ehe der Rest zum "Schleuderpreis" an das Unternehmen gehen würde.
Sunny und Reiner hatten dies wohl schon mal in ihrem Dorf erlebt, das nach einer Anzeige in der lokalen Presse, also der Werbezeitung in jedem Briefkasten (in Braunschweig die NB), jeder Interessierte an einem Tag in die Wohnung kommen und dann dort alles, was nicht niet- und nagelfest ist, kaufen kann. Ein Flohmarkt halt. Sunny würde auch diesen Termin klarmachen.

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