Samstag, 14. Juli 2018

Contramann: Nachgetreten

Während der Fußball WM habe ich am Rande auf das gewohnte Russland-Bashing durch die deutschen Leitmedien geachtet. War es vor der WM noch das Gerede um diesen Doping Experten, der erst nicht zur WM einreisen durfte, dann auf einmal doch und der am Ende dank einer Warnung des Außenministeriums doch nicht fuhr…
Wenigstens war das heuchlerische Gefasel um das russische Doping mit Beginn der WM vergessen, da stand der Sport zum Glück mal wieder im Mittelpunkt. Heuchlerisch deshalb, weil auch im „Westen“ schon immer systematisch gedopt wurde. Während im Ostblock der Staat hinter diesen Betrügereien stand, war dies im Westen eher privatwirtschaftlich organisiert. Ich denke da an die Sprinter bei den Leichtathleten oder auch die Schwimmer.
Das weibliche Schwimmteam der DDR war da ja legendär gewesen. Schaut man sich heute die Mädels aus sämtlichen Nationen an, sieht man lediglich, dass die Pharmaindustrie Fortschritte gemacht hat. Im Übrigen ist der „Klümper-Cocktail“ seit den 70ern ein fester Begriff im deutschen Sprachgebrauch. Siehst Du hier:
http://www.sueddeutsche.de/sport/doping-in-westdeutschland-doping-mit-politischer-unterstuetzung-1.3442478
Aber eigentlich wollte ich doch über die WM und Russland noch was erzählen. Jetzt, so kurz vor dem Finale Frankreich gegen Kroatien, wachen die Medien aus ihrer Schockstarre aufgrund des frühen und verdienten Ausscheidens auf. Und, oh Wunder: Wie man den Herren Bierhoff und Grindel entnehmen konnte, war am Ausscheiden der „Mannschaft“ nicht der Russe, sondern der Türke schuld. Ist es wirklich beruhigend, dass die „Deutschen“ wieder in altbekannte Verhaltensmuster des vorherigen Jahrhunderts zurückfallen?
Und auch wenn ich Özils und Gündogans Posieren mit Erdogan selbst nicht so gut fand, weil ich von solch hochbezahlten Kickern, die ihr Geld eben auch für ein medienwirksames Auftreten verdienen, erwarte, dass sie abschätzen können, was sie mit so einer, wenn auch ungewollt, Wahlkampfunterstützung für Erdogan lostreten. Gündogan hatte sich wenigstens entschuldigt. Aber ausgeschieden sind Jogis Jungs nicht deswegen, sondern einfach, weil sie schlecht gespielt haben. Wenn einer schuld ist, dann nicht der Türke, sondern der Nivea Mann.
Aber das nur mal am Rande zu unserer Mannschaft. Wir sind raus, da kann es mit dem Russland Bashing weitergehen:
http://www.spiegel.de/sport/fussball/wm-2018-halbfinale-frankreich-vs-belgien-und-im-stadion-sind-plaetze-frei-a-1217758.html
Ei der Daus! Da waren im ersten Halbfinale am Dienstag doch noch Plätze frei. Bätschi! Die WM ist nicht so schön wie die vorherigen, insbesondere die in Brasilien, wo WIR Weltmeister geworden waren. Einige 1000 Plätze waren leer, aber eben auch schon vorher verkauft worden. Das könnte vielleicht daran gelegen haben, dass in diesem Halbfinale die Brasilianer erwartet wurden, die als Gruppenerster ihrer Vorrundengruppe dann am Dienstag in St. Petersburg gespielt hätten.
Schade nur, das die Brasilianer mit Heulsuse Neymar gegen die Belgier zurecht im Viertelfinale ausgeschieden waren. Heißblütig, wie die Brasilianer sind, waren die dann so enttäuscht, dass sie nicht mehr zum Halbfinale nach St. Petersburg gefahren sind. Das der Weiterverkauf der Tickets ohne Zustimmung der FIFA in Russland strafbar ist, mag ja sein. Aber da können doch die Russen nichts dafür, wenn die FIFA zu dämlich ist, die Weitergabe von nicht mehr benötigten Tickets an die Anhänger der Teams zu verscherbeln, die tatsächlich im Halbfinale stehen.
Natürlich steht dieser Artikel lediglich stellvertretend für all die anderen Berichte in den Medien. Neben den bekannten Dopingvorwürfen wurde schon im Vorfeld vor radikalen Hooligans und brutaler Polizei gewarnt. Das hatte sich dann nicht bewahrheitet; Große Fangruppen an Südamerikanern, insbesondere die Kolumbianer sahen vor einem Hotel feiernd ungezwungen und fröhlich aus; die hatten ihren Spass. Aus diesen Kreisen wurde eher von der schönsten Weltmeisterschaft seit langem, noch besser als die letzte in Brasilien, berichtet.
Da musste die Springerpresse natürlich schnell gegensteuern. Wie einst 1936 bei der Olympiade im Berlin des dritten Reiches würde sich der Staat von seiner besten Seite zeigen. Was folgte, wissen wir ja alle. Für solche Vergleiche ist man sich in der deutschen Qualitätspresse nicht zu schade. Ähnlich wie bei Felix Magath: Qualität kommt von Qual.
http://www.taz.de/!5492288/
Bei der Wahl Mitte März gab es über 76% Zustimmung der Wähler zu Putin. In freien Wahlen hatte Hitler diesen Wert nie erreicht. Natürlich wird Martin Schulz mit seinen 100% bei seiner Wahl zum SPD Parteivorsitzenden auf ewig unerreicht bleiben, aber Frau Nahles als aktuelle Vorsitzende lag da unter Putins Wert.
Als Jelzin 1991 an die Macht kam und Russland für den Westen einen ungezügelten Kapitalismus ermöglichte, rafften die Oligarchen alles zusammen, was nicht niet- und nagelfest war, während die Bevölkerung nichts zu fressen hatte. Es war Putin, der diese Ungerechtigkeiten eingedämmt hatte. Dafür lieben ihn die Menschen, das ist für einen linientreuen Springer Journalisten sicherlich unbegreifbar.
Nicht das jetzt der Eindruck entsteht, als wolle ich Putin zu einem Heiligen machen. Das ist er selbstverständlich überhaupt nicht. Der Mann ist ein Machtpolitiker, wie er im Buche steht. Aber ihn mit Leuten wie Saddam auf eine Stufe zu stellen und als Terroristen abzustempeln, geht schon mal gar nicht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen