Mittwoch, 28. März 2018

Hartmudo: Ku’damm 56

Am Sonntag Anfang März schleppte ich mich zu meiner Löwin ins Zimmer, um mich auf den Crosstrainer zu stellen. Meine Löwin hing derweil neben mir am Rechner, um für den Verein noch die Kasse zu machen. Wie üblich zu dieser Gelegenheit lief nebenbei der Fernseher. Warum meine Löwin ausgerechnet bei diesem Fernsehspiel auf ZDF NEO hängengeblieben war, fragte ich nicht nach.
Ku’damm 56 hieß der Film und spielte auch 1956 in West-Berlin. Ich sah als erstes ein Pärchen, dass in einer verrauchten Kneipe wild zu Little Richard tanzte. Das weckte zunächst meine Aufmerksamkeit, welche aber schnell nachliess, weil es sich bei diesem Film offenbar um die Geschichte der Besitzerin einer Tanzschule in Berlin mit ihren 3 quasi heiratsfähigen Töchtern handelte. Ich schwitzte also meine halbe Stunde auf dem Crosser ab und trank danach nen Wasser. Das Ende dieses Filmes, bei dem die 3 Schwestern unliebsame Überraschungen erleben durften, kriegte ich hinterher nur noch so am Rande mit. So ein langweiliger Fernsehfilm mit Ochsenknecht halt.
Meine Löwin fand heraus, dass es sich dabei um einen Dreiteiler handelte und wir lediglich den dritten Teil gesehen hatten. Besser gesagt... einen Teil davon gesehen hatten. Sie fand die Darstellung der Szenerie aus den 50er Jahren so toll und bat mich, nach den ersten beiden Teilen Ausschau zu halten, damit wir sie uns anschauen konnten.
Lange Rede, kurzer Sinn: Nach langer und vergeblicher Suche im Netz fand ich endlich heraus, dass wir uns sämtliche Folgen dieser Mini-Serie über Amazon Prime bequem an unserem Fernseher ansehen könnten. Meiner Löwin erzählte ich dies zunächst nicht, da ich sie überraschen wollte. Am Samstag, den 17. März, setzten wir uns um 20.15 Uhr vor die Flimmerkiste und dann hieß es nur noch: Film ab.
Die ersten beiden Teile haben wir gleich hintereinander weg gesehen. Meine Löwin zeigte sich im Gegensatz zu sonst hellwach und auch ich war hin und weg. Wir sahen die eindrucksvolle Milieustudie einer Zeit, von der viele Leute sagen, dass sie die schönste war und die kurz vor unserer Geburt passierte. Die Ära des Nierentisches, das Zeitalter des Wirtschaftswunders... und des Rock ‘n’ Roll.
Caterina Schöllack ist die Besitzerin einer rennomierten Tanzschule auf dem Kudamm, deren Mann seit der Kriegsgefangenschaft als verschollen gilt. In Wahrheit ist er zum Zeitpunkt der Handlung seit 2 Jahren entlassen und lebt als Lehrer in Ost-Berlin, weil er die Schuld, die er und seine Frau auf sich geladen hatten, sühnen will.
1936 hatte das Eheaar Schöllack die Tanzschule nach einem gewonnenen Tanzwettbewerb den jüdischen Besitzern abgenommen, die daraufhin in Dachau umgekommen waren. Diese unbequeme Wahrheit findet Tochter Monika im 2. Teil heraus, als sich ein Mann als Sproß der jüdischen Familie ausgibt. Dieser Mann ist ein Bekannter des Vaters, der sich aber seiner Tochter Eva bei einer Begegnung verleugnet.
Während Caterina heimlich eine Beziehung mit dem angestellten Tanzlehrer Assmann (Uwe Ochsenknecht gewohnt souverän) führt, ihre Töchter nach Strich und Faden belügt und ihnen die Grand Dame vorspielt, laufen die Geschäfte ständig schlechter, weil sie sich weigert, moderne Tänze in ihrem Programm anzubieten.
Die älteste Tochter Helga heiratet den angehenden Staatsanwalt von Boost, der äußerst herrisch agiert, um von seiner Homosexualität abzulenken. Ihre Schwester Eva ist Krankenschwester beim Psychiater Fassbender, der bereits im 3. Reich seine Patienten mit Elektroschocks gequält hatte. Eva schwankt zwischen der Sicherheit beim Doc (Mutter wäre begeistert) und dem Ostberliner Arbeiter Hauer, dessen Frau von Fassbender vergeblich mit Elektroschocks malträtiert wird.
Und da wäre noch Monika, die eigentliche Hauptperson der Story. Aus dem Internat einer Hauswirtschaftsschule rausgeschmissen, wird sie von der Mutter nur geringschätzig behandelt. Die Versuche der Mutter, Monika mit dem Fabrikantensohn Joachim Franck zu verkuppeln, enden in einem Fiasko. Franck vergewaltigt Monika und streitet die Tat ab. Nicht mal die eigene Mutter glaubt ihr, ja sie versucht sogar weiterhin, Monika mit dem lebensmüden Nichtsnutz von Fabrikantensohn zu verkuppeln.
Gerade noch vor dem Selbstmord im Tegeler See gerettet, wird Monikas Interesse für eine neue Musik durch den Bandleader der Tanzschulkapelle, Freddy Donath, geweckt. Mit ihm zusammen nimmt sie an Rock ‘n’ Roll Tanzwettbewerben teil, ja sie landen natürlich auch im Bett. Aber nebenbei bleibt die Verbindung mit Joachim Franck erhalten.
Ich bin gespannt, wie das Ganze weitergeht. Den dritte Teil werden wir auch noch einmal gucken. Und dann ist dann ja noch die Fortsetzung “Ku’damm 59”, dessen 3 Teile gerade auf dem ZDF in Erstausstrahlung zu sehen waren. Besonders faszinierend fand ich, dass hier die Bedeutung des Rock ‘n’ Roll für die Jugendkultur und Emanzipation vom Elternhaus, aber auch für die Vergangenheitsbewältigung der Deutschen gut dargestellt wird.
Meine Löwin und ich waren da einer Meinung. So wie diese TV Reihe die Geschehnisse anhand einer Familie erzählt, ist das gelebte Geschichte. Hierfür zahle ich gerne Gebühren an die GEZ. Die hervorragenden Schauspieler lassen einen mitfiebern, ohne dass hier bedeutungsschwangere Kamerafahrten und fehlende Beleuchtung zur Unterstreichung der negativen Stimmung a la Tatort notwendig sind.
Wir sind schon gespannt, wie die Geschichte um die Familie Schöllack weitergeht.

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