Samstag, 17. März 2018

Contramann: Die Tafel hat zu

https://www.welt.de/politik/deutschland/article174267089/Tafel-Streit-Wir-brauchen-nicht-hoehere-Saetze-sondern-bestmoegliche-Chancen.html
Nachdem die Verantwortlichen der Essener Tafeln für die Aussperrung von Flüchtlingen scharf gerügt worden waren, haben sich die Wogen ein wenig entspannt und wir können jetzt über wesentliche Dinge sprechen. In diesem Artikel der Welt werden hierzu zwei unterschiedliche Positionen präsentiert, die beide zielführend wären.
Da hätten wir zum einen die Erhöhung der Regelsätze in der Grundsicherung, d.h. für „Hartz-IV“ Empfänger wie auch für die nicht (mehr) Erwerbsfähigen, die ihr Geld vom „Sozi“ bekommen. Ulrich Schneider vom DPWV, häufiger Gast in den einschlägigen Talkshows, schwebt da eine pauschale Erhöhung der Regelsätze um 30% vor.
Johannes Vogel von der FDP dagegen hält nichts davon, selbst arbeitgebernahe Institute befürchten nicht zu Unrecht, dass dadurch lediglich die Anzahl der zu unterstützenden Menschen in die Höhe schnellt. Sie bevorzugen höhere Anstrengungen der Arbeitsverwaltung, um Menschen in Jobs zu bringen, von denen sie ohne Unterstützung leben können.
Wenn ich das dämliche Gesülze mal ordnen darf: Eine pauschale Erhöhung der Regelsätze für Erwerbsfähige ist tatsächlich ein falsches Signal, weil der Staat hier lediglich die Arbeitgeber von der Beteiligung ihrer Arbeiter an den immer fetter werdenden Gewinnen befreit. Nutznießer hiervon wären lediglich das Finanzkapital; der Staat müsste zur Finanzierung höherer Regelsätze Steuern erhöhen, die bislang überwiegend von Arbeitnehmern der abschmelzenden Mittelschicht getragen werden.
Der FDP-Vogel hat wiederum nur an die Erwerbsfähigen gedacht; da riecht man die Wirtschaftslobby schon sehr streng. Rentner sollten nicht nur Freibeträge auf Betriebs- oder Riesterrenten (seit 1.1.2018) erhalten, sondern auch auf ihre gesetzliche Rente. Es ist nicht hinnehmbar, dass z.B. ein Mensch, der über 30 Jahre gearbeitet hat, seine vielleicht 700,- € Rente zu 100% gegen seinen Bedarf an Grundsicherung aufrechnen lassen muss. Der „faule“ Arbeitslose ohne Anspruch auf Rente hat hinterher genau so viel Geld zur Verfügung wie die Aldiverkäuferin. Das halte ich nach wie vor für einen Skandal.
Und dass die staatliche Arbeitsvermittlung durch stärkere Bemühungen mehr Menschen in vernünftig bezahlte Jobs bringt, halte ich für ein Ammenmärchen. Ja wo sind sie denn, die vernünftig bezahlten Jobs, von denen man leben kann und vielleicht auch noch ne schwangere Frau sowie Kinder mit ernähren kann? Nein, die Löhne müssen zuerst steigen. Es ist nicht hinnehmbar, dass sich Aktienbesitzer wie Firmeninhaber dank Steuergeschenken en Masse vollstopfen und ihre Gewinne in wahnwitzige Immobilienprojekte investieren, weil sie schon nicht mehr wissen, wo sie die viele Kohle noch parken sollen.
Und während sich Rentner sowie Flüchtlinge und Arbeitslose samt Kindern bei den Tafeln gegenseitig beharken, fährt draußen der Audi SUV mit der Frau des Investmentbankers vorbei, die von diesem asozialen Pack schon genervt ist. Die Tafeln sollte es eigentlich gar nicht geben müssen, so schaut es doch aus. Leute, diese Leistung ist gar keine Leistung, es handelt sich lediglich um soziales Engagement von courargierten Bürgern, die die „Drecksarbeit“ machen, weil die Politik ihre Hausaufgaben nicht hinbekommt.
Dass sich dank dieser Gemengelage aus Versagern in den etablierten Parteien, Wirtschaftslobbyisten und sicherlich auch den Medien mehr und mehr Leute von diesem politischen System abwenden, sollte niemanden verwundern. Aber auch von der (geplanten) neuen GroKo kommen zu dieser Frage keine brauchbaren Vorschläge. Eine alljährliche Erhöhung des Kindergeldes um 2,-€ pro Monat z.B. ist da nur noch als Verhohnepipelung der Bürger zu betrachten.
Schlimm genug ist es, dass die Enttäuschten des Systems sich zur AfD hin orientieren, weil die – liest man das Parteiprogramm auch nur oberflächlich – eine Mischung aus FDP und CSU darstellt. Die Habenichtse dieses Systems sind die letzten, für die sich die AfD ins Zeug legen wird. Die brauchen lediglich ihre Wählerstimmen.
Und eines möchte ich zum Thema Tafeln noch einmal ganz deutlich bemerken: Wir reden hier über freiwilliges soziales Engagement. Das Aussperren einzelner Gruppen, wie die Flüchtlinge in Essen, ist von politischer Seite wie von den Sozialverbänden nicht zu beanstanden. Punkt. Bezahlt die Musik, dann könnt Ihr die Playlist vorgeben!
Erst stiehlt sich die Politik aus der Verantwortung und bietet dann nur halbgare Vorschläge. Wer wählt diese Idioten eigentlich?

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