Donnerstag, 8. März 2018

H Lecter: Onkel Hotte 13/x

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Morgens, ach was sag ich - am frühen Nachmittag! - wachte ich endlich auf und fühlte mich so richtig durchgemüllert. Ich realisierte, dass es ja bereits taghell war, als ich aus dieser schönen Bar mit dem Flair einer Rockerkneipe wie dem alten Kottan hinausstürmte, um in das Appartement zu fahren. Wobei der Begriff „Flucht" hier wohl eher passt.
Mühsam öffnete ich die Augen und schaute auf meine Uhr. Drei Uhr am Nachmittag, oh Mann. Mir war richtig kodderig, ich zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub. Immerhin war ich wenigstens soweit klar, dass ich nur noch zwei Stunden zur Verfügung hatte, um meine Klamotten zusammenzuräumen. Außerdem musste ich unbedingt noch zwei Stangen Kippen, vorzugsweise Camel ohne, kaufen. Die Kippen waren in den Läden auf der Insel noch einmal billiger als am Flughafen. Das wusste ich genau, war ja nicht das erste Mal auf Granni. Kippen aus dem Urlaub mitzunehmen, war selbstverständlich Pflicht gewesen in den 90ern.
Wo sich Onkel Hotte aufhielt, war nicht schwer herauszufinden. Aus dem Schlafzimmer hörte ich die Holzfäller bei der Arbeit. Hotte hatte offenbar mit Wastl auch ohne mich den einen oder anderen sichergestellt. Doch zumindest hatte ich einen schönen Ausklang dieses denkwürdigen Urlaubs auf Granni gehabt, das war es, was zählte.
Wenn ich nun bald 20 Jahre später an diesen Urlaub zurückdenke, hatte es mit Onkel Hotte sehr viel Spass gemacht, obwohl ich mit ihm in den Jahren noch am wenigsten zu tun gehabt hatte. Hey, der Krankenkassenangestellte zählt nicht! Wastl war so souverän wie immer, die anderen blieben dagegen blass in diesem Urlaub. Eigentlich verband mich mit Mike eine enge Freundschaft, wie ich seinerzeit zumindest dachte. Doch in diesem Urlaub war er eigentlich nur mit seiner Freundin unterwegs gewesen; auch die Anderen waren diesbezüglich nicht besser drauf gewesen.
Für unsere Mitreisenden war dieser Granni Urlaub halt mehr eine Reise für Pärchen. Hotte und ich harmonierten da allerdings besser als die Paare, bei denn die üblichen Sticheleien am Start waren. Wahre Liebe gibt es eben halt doch nur unter Männern. Allerdings wohl nur unter denen, die sich nicht streicheln und zusammen Plasticant spielen. Oh, das schreibt man ja mit „c"! Wusste ich auch noch nicht...
Mit letzter Kraft erhob ich mich von der Matratze und schlüpfte schnell in meine Turnschuhe, die heutzutage Sneaker heißen. Meine Hände zitterten dermaßen stark, dass ich das Feuerzeug mit beiden Händen umfassen musste, um die Flamme halbwegs ruhig zu halten. Nur so ging es - Kippe im Mund und die Sonnenbrille vor den Augen. Draußen gab es die gleißende Sonne, vor der ich mich glücklicherweise mit meinem Käppi schützen konnte.
Zu meiner nicht geringen Verblüffung hatte ich nicht einmal mit Kopfschmerzen zu kämpfen. Allerdings... Ich sage es mal so: Gran Canaria war schon damals ein Rentnerparadies. Und genau wie ein Rentner ohne Rollator schlurfte ich zum nächsten Supermarkt, um mir zwei Stangen Camel ohne zu kaufen. Gebückt und schlurfend wie ein Zombie schaffte ich es zurück.
Diese Reise hätte aber auch keinen Tag länger dauern dürfen. An diesem Nachmittag rächten sich die Exzesse der letzten Tage, ich würde in Braunschweig eine Pause einlegen müssen. Am letzten Abend hatte ich noch einmal alles gegeben, war jedoch geistesgegenwärtig genug, um nicht vollkommen zusammenzuklappen wie am ersten Abend auf dem Balkon, bewusstlos in der Abstellkammer.
Onkel Hotte wirkte auch irgendwie gerädert, schaffte es aber wie meinereiner, die Klamotten rechtzeitig zu packen, bevor wir mit einem Taxi zum Flughafen kutschiert wurden. Wastl war natürlich auch etwas grau im Gesicht, dafür aber längst nicht so in Trümmern wie Onkel Hotte und ich.
Den Krankenkassenangestellte sollte ich nicht mehr wiedersehen, war zumindest auch kein Verlust. Mike... Nun ja, das hatte ich bereits angedeutet. Dass er jetzt auch schon ein paar Jahre tot ist, ist bedauerlich, da er leider viel zu früh von uns gegangen ist. Es ist aber bezeichnend, dass ich zum Tod von Onkel Hotte so viel mehr zu berichten habe als im Zusammenhang mit dem Ableben von Mike. Frauen waren ebenfalls auf Granni mit dabei gewesen, aber allesamt im Gegensatz zur blonden Rockerbraut etwas fad.
Die Woche Granni mit Onkel Hotte wird mir immer unvergeßlich bleiben und für mich als Mitglied der deutschen Trinkerjugend war es eine Ehre, mit einem derart professionellen Trinker unterwegs gewesen zu sein. Nochmals Prost, Onkel Hotte, wo immer Dich der große Fährmann hingefahren haben mag.

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