Montag, 8. Mai 2017

H Lecter: Onkel Hotte 8/x

8
Nach dem Abend im Pflaumenbaum folgte der letzte komplette Tag auf Granni. Am darauf folgenden Tag, sprich späten Nachmittag, würde unser Rückflug nach Deutschland erfolgen. Es sollte ein ereignisreicher Tag werden.
Irgendwann waren Onkel Hotte und ich dann wach, wird wohl ganz später Vormittag gewesen sein. Bei dieser Gelegenheit möchte ich den kleinen Gag zwischen uns anbringen, denn logischerweise weiss ich nach all den Jahren nicht mehr, ob dies tatsächlich an diesem Tag oder sogar schon vorher passiert war. Aber es passt grad so schön rein.
Ich hatte Onkel Hotte ja gleich im ersten Teil als Menschen mit rassistischem und faschistoiden Weltbild beschrieben. So dürfte es nicht weiter verwundern, dass er sich die Tage über auf Granni die Nationalzeitung gekauft hatte, aus der er mir an diesem Morgen die Schlagzeilen und einige Kurzinfos referierte. Da Hottes Weltsicht eher nationalistisch zu nennen war, kommentierte er die einzelnen Artikel auch dementsprechend. Hier möchte ich nochmals entschieden klarstellen, dass bei Onkel Hotte die Sprüche bei weitem härter waren als sein eigentliches Handeln, denn im Grunde seines Herzens war Hotte ein friedliebender Mensch. Andernfalls hätte sich keiner mit ihm abgegeben.
Damit will ich ausdrücken, dass sein Gerede von „Bimbos" und ähnlichen Beleidigungen nur Pose darstellten. Hotte war immer der erste, der einen ausgab. Da war ihm die Hautfarbe latte’, beim Trinken kannte er keine Ressistements. Und trotzdem konnte ich ihm das mit der Nationalzeitung nicht so einfach durchgehen lassen. Um das zu kontern, hatte ich mir die TAZ besorgt.
Jawohl, liebe Leute. In den 90ern war das ne richtig „linke" Tageszeitung, nicht so ein verkapptes Alibi-Blatt für den karrieregeilen Sozialdemokraten. Da beide Zeitungen vom gleichen Tag waren, konnten wir uns an diesem späten Vormittag die Schlagzeilen beider Blätter genüsslich um die Ohren hauen. Das Schöne daran war, das wir beide das nicht so bierernst nahmen und dabei eine Menge Spaß hatten.
Heute würde ich das sicherlich ähnlich locker sehen können wie seinerzeit auf Granni. Damals war Helmut Kohl für mich ein Brechmittel als Kanzler. Meine Hoffnungen setzte ich auf Oskar Lafontaine und leider auch Gerhard Schröder, stand ergo auf Höhe der SPD. Die PDS fand ich da zwar auch schon interessant, aber nicht zuletzt dank meines Jobs war mir eher staatstragend zumute. Erst nach etlichen beruflichen Enttäuschungen, erst recht nach Einführung der sogenannten Hartz IV Gesetze, schwenkte ich endgültig auf die Linie der Linkspartei ein. Auf der Reise nach Granni kokettierte ich lediglich mit linkem Gedankengut.
Hotte war ja eh eine Seele von Mensch. Mit seinem erzkonservativen Gehabe - vorsichtig ausgedrückt - erzielte er den einen oder anderen Lacher. Darauf kam es ihm an. Berühmt und von mehreren Leuten verbürgt, ich war leider nicht dabei, ist die Story einer seiner Geburtstage. Er feierte in diesen Tag in einer Kneipe rein. Kurz vor Mitternacht, in einem unbeobachteten Moment, verließ Onkel Hotte den Raum, um sich nebenan eine Gummimaske über den Kopf zu ziehen.
Wie Fantomas, könnte man meinen, aber weit gefehlt. Mehrere Anwesende berichteten mir Jahre später, unabhängig voneinander, dass sie Schlag Mitternacht derselbigen, also Schlag, traf. Kam da doch der leibhaftige Führer Adolf Hitler aus dem Nebenraum und begrüßte die Anwesenden mit einem tadellos gerollten „R", Gestik und Stimme sollen ebenfalls täuschend echt gewesen sein.
Wenn man Onkel Hotte nie kennengelernt hat, so wie Du wahrscheinlich, wäre man sicherlich geschockt und auch angewidert. Würde mir jedenfalls so gehen. Aber wie gesagt... Alles nur Show. Seine ganze Motzigkeit überspielte seine Einsamkeit. Wirklich glücklich als ewiger Single war Onkel Hotte wohl nicht. Wenn er tatsächlich ein Popostecker gewesen sein sollte, hätte er sich lieber outen sollen.
Apropos Popostecker. Nachdem Hotte und ich uns genügend gegenseitig angepöbelt hatten, war es an der Zeit, an der Bar auf der Terrasse des „Balkon" nach dem Rechten zu sehen. Wir kamen auch gerade richtig zum mittäglichen Suff von Wastl und Mike. Jaa doch, der Krankenkassenangestellte war mit dabei und stand auch am Zapfhahn. Startete ich mit einem Pils, oder doch gleich mit Wodka Lemon? Das weiß ich leider nicht mehr, aber es war der eigentliche Einstieg in den Tag.
Denn anschließend, quasi nach dem Warm-Up, fuhren wir mit der Taxe in Richtung der Popostecker-Bar. Die Mädels waren an diesem Tag nicht mit dabei, die wollten sich am späten Nachmittag lieber sonnen. Ich selbst sollte die Mädels an diesem Tag gar nicht mehr sehen müssen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen