Samstag, 6. August 2016

Hartmudo: Mutter 1/x

Am 22.7.2016 war es soweit. Meine Schwestern Berta und Sunny hatten es schon lange befürchtet; auch meine Löwin erhob des Öfteren ihre mahnende Stimme. Mutter rief mich total verzweifelt an, weil es ihr nicht gut ging. Ihr war schwindlig und kodderig, keiner würde sich bei ihr melden.
Nun war dies für mich nicht wirklich neu, weil ich bereits am Dienstag vorher wegen der Beantragung einer Zuzahlungsbefreiung bei der Krankenkasse bei ihr war. Schon da fiel mir ihr schlechter Allgemeinzustand auf. Sie sah wirklich aus wie ein Zombie und wirkte auf mich sehr fahrig. Dies war ja auch kein Wunder, da sie seit Wochen jeden Montag zur Chemo wegen ihres Krebses geht.
Berta hatte dieses Problem vor über 15 Jahren und hatte Mutter dementsprechend eingeimpft, das sie immer viel trinkt und gut isst. Denn beides war ja noch nie ihr Ding. Außer Kuchen und Grafschafter Goldsirup aß sie nichts, das weiß ich noch aus meiner Kindheit. Und Wasser, Saft, Tee… war für sie eine elende Quälerei, das kennt man ja von älteren Damen.
Doch an jenem Dienstag habe ich das wieder nur registriert, aber unmittelbar nach Verlassen ihrer Wohnung wieder vergessen, besser gesagt: verdrängt. Dies ging mir schon seit längerer Zeit so, meinen Schwestern ebenfalls. Wir sind es schließlich zeitlebens gewohnt gewesen, dass Mutter ihren eigenen Kopf hat und äußerst aggressiv reagiert, wenn man ihr etwas vorschlägt oder sie sich bevormundet fühlt.
In unserem Elternhaus – da war mein Vater auf derselben Linie unterwegs – war es üblich, den Kindern nichts zu erzählen. Daran hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn Berta als älteste Tochter mittlerweile selber Rente bezieht. In den Augen Deiner Eltern bleibst Du Dein ganzes Leben lang ein Kind, das nicht alles wissen darf. Das Du erwachsen bist und ein eigenes, selbstständiges Leben führst, wird nur dann interessant, wenn Mutter irgendetwas zu schwierig ist.
Die Zuzahlungsbefreiung zum Beispiel. Da hatte ich ihr vor Wochen haarklein erklärt, warum sie dies machen soll. Sie verschenkt locker 300 – 400 Euro pro Jahr, weil sie ihre Zuzahlungen nicht bei der Krankenkasse, sondern dank ihres verf***ten Steuerberaters bei den außergewöhnlichen Belastungen in der Steuererklärung, wo dies natürlich bei einer Eigenbeteiligung von 2500 Euro jährlich untergeht.
Da saß sie nur stumm rum und guckte wie ein Auto, dann war ihr alles zu viel. Ich sagte ihr, das sie sich das überlegen solle und mich anrufen möge, wenn ich das für sie beantragen soll. Wenigstens fürs nächste Jahr. Und was hat sie gemacht? Bei der Krankenkasse angerufen, nichts verstanden und mir dann am Telefon vorgeworfen, ich hätte sie im Stich gelassen.
Deshalb war ich Dienstags da und versuchte es erneut. Diesmal wollte sie das machen, sie musste noch vom Arzt eine Bescheinigung der chronischen Erkrankung ausfüllen lassen, dann könnte ich den Antrag für 2017 und auch eine Rückerstattung abgeben. Das war das Ergebnis vom Dienstag, aber am Freitag war das nun wirklich nicht mehr wichtig.
An diesem 22.7. sprach ich insgesamt drei Mal mit ihr und redete auf sie ein, das sie den Ärztenotdienst anrufen soll. Nach dem zweiten Mal wollte sie endlich dort anrufen, als ich ihr erklärte, das der Notarzt zu ihr in den 3. Stock kommt und sie nicht zuerst mit der Taxe dorthin fahren muss. Vollkommen zu Recht wies meine Löwin mich danach darauf hin, dass ich nicht mehr rumeiern und zu ihr fahren sollte. Ich war wie vernagelt gewesen, eigentlich hätte ich das sofort machen sollen.
Andererseits wiederum war das genau richtig, weil Mutter doch tatsächlich den Arzt angerufen hatte. Dies sagte sie mir gehetzt beim dritten Anruf, weil sie da gerade Wäsche für eine Krankenhaustasche zusammenpackte. Zu einem vierten Gespräch kam es nicht mehr, weil da schon niemand mehr an der Leitung war. Ich informierte Berta über die Lage, da war aber besetzt, weil sie mit Sunny sprach. Kurz danach erreichte ich sie und da klärte sich die Lage.
Mutter wurde vom Arzt abgeholt und in die Klinik Salzdahlumer Straße verfrachtet. Berta und Sunny würden am Samstag dorthin fahren und nach dem Rechten schauen. Ich selbst nahm mir einen Besuch für Sonntag vor, damit wir nicht alle zur gleichen Zeit dort auflaufen. Ein bisserl verteilen ist da besser, zumal meine Löwin und ich am Samstag mit Detzer und Nelling in die Tschechei fahren wollten.
Zwischendurch: Die Zugfahrt in die Tschechei war super. In Johanngeorgienstadt waren wir in einem großen Supermarkt zum Kaufrausch animiert worden, anschließend gab es in einem Biergarten reichlich tschechisches Bier und den einen oder anderen Obstler. Mein paniertes Seelachsfilet war o.k., die Puffer mit der Knoblauchsoße dazu waren sogar richtig geil. Nach einem kleinen Rundgang durch die vietnamesische Modewelt ging es anschließend zur Rückfahrt zum Bahnhof. 2 Halbliterdosen quälte ich mir auf der Rückfahrt noch rein – ich brauchte sie wirklich nicht mehr.

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