Donnerstag, 14. Januar 2016

Hartmudo: Onehundredandeighty

Um den Jahreswechsel herum hatten meine Löwin und ich ein Faible für Darts entdeckt. Auf
Sport 1 lief die Darts WM der PDC (Professional Darts Federation) live. Die Einschaltquoten sind erstaunlich hoch, man könnte hier von einem Boom sprechen.
Die WM findet alljährlich im Londoner Alexandra Palace – liebevoll „Ally Pally“ genannt – statt. 3000 Zuschauer drängen sich in dem Saal an Biertischgarnituren, der Pidger kostet umgerechnet 27,- €. 4 Pints holt man da heraus und dementsprechend gut ist die Stimmung. Während oben auf der Bühne das Game stattfindet, wird unten im Saal gegröhlt und gesungen, das es eine wahre Freude ist.
Die Zuschauer, meist in Gruppen angereist, überbieten sich hierb ei in fantasievollen und vor allem lustigen Verkleidungen. So sieht man eine Horde Klon Krieger aus Star Wars neben den Schlümpfen im Publikum, auch sind verschiedene Nationalitäten anwesend. Zu unserer Belustigung ertönte dann auch bei Spielen mit holländischer Beteiligung ein unüberhörbares „Ohne Holland fahrn` wir zur EM“ durch den Saal.
Überhaupt waren die Holländer die einzigen Spieler, die den Briten etwas entgegensetzen konnten. Deshalb waren wir auch sofort Fan von Raymond van Barnefeld. „The Man“ läuft zu seinen Matches immer zur Musik von Survivor (Eye of the Tiger) in den Saal und wird von seinen Fans, der „Barney Army“, immer lautstark unterstützt. Der bald 50jährige Holländer hat ungefähr meine Figur und immer einen Tigerkopf auf dem Rücken seines Shirts.
Bevor ich weiter ins Schwärmen gerate, möchte ich noch erwähnen, das der Hype um diesen Sport erst seit kurzem besteht. So wurde der PDC erst 1992 als Abspaltung von der BDO von den damalige Top Spielern gegründet, weil die TV Einschaltquoten in den Keller gingen und die Spieler herausgefunden hatten, warum sich die Sender zurückzogen.
So war es derzeit üblich, auf der Bühne zu rauchen und das eine oder andere Pint einzusaugen. Für mich kein Hinderungsgrund, aber viele Fernsehzuschauer fühlten sich von den angesoffenen Speckbacken auf der Bühne abgestoßen. Heuer trinken die Stars auf der Bühne Wasser, geraucht wird im ganzen Saal nicht mehr. Geblieben sind die untersetzt wirkenden Akteure, denen man ein hartes körperliches Training nun wirklich nicht ansieht.
Wie beim Boxen marschieren die jeweiligen Kontrahenten zu ihrer Musik ein, egal ob AC DC oder was Poppiges, die Menge fängt schon da an zu toben. Auf der Bühne vor der Dartscheibe tanzen dazu noch 4 Go Go Girls, was die Festsaalstimmung nochmals in die Höhe schnellen lässt. Ganz wichtiger Mann ist übrigens der Ansager, der nach jeder Wurfsequenz die erzielte Punktzahl ins Mikro gröhlt.
Das Aus kam für Barney im Halbfinale

Am besten hierbei gefiel mir der Typ mit dieser Schlägervisage, der tatsächlich trotz seines Anzugs derart schräg aussieht, als hätte er mehr Jahre als die mögliche Höchstpunktzahl im Kittchen abgerissen. Wir sprechen hier über die 180, nur zu erreichen über die Triple 20.
Mit seiner knarzenden Stimme, die nach Whiskey und Roth Händle Ohne klingt, singt er die erzielten Punkte förmlich in die Menge. Vor allem bei „One- hundred- annd-eiiigh-tyyy!“ gehen im Publikum automatisch die Zettel mit der 180 hoch, begleitet von hymnenartigen Gesängen wie im Stadion. Es ist mir unbegreiflich, wie die Spieler bei dem Krach so ruhig und konzentriert bleiben können. Diese Jungs haben wirklich Nerven aus Stahl.
Das wohl schönste Spiel des Turniers, welches ich bis zum Ende erleben durfte, war das holländische Duell zwischen Michael van Gerwen (Mighty Mike) und Raymond van Barneveld (Barney). Der Altmeister Barney gewann gegen den Weltranglistenersten und haushohen Favoriten denkbar knapp mit 4:3 Sätzen und hatte sogar einen Matchball gegen sich abwehren können. Sein explosiver Freudensprung nach dem entscheidenden Doppeltreffer zeigte den Druck und die Anspannung, die in dieser Sekunde von ihm abfielen. Leider war dann im Halbfinale für Barney gegen „Jackpot“ Adrian Lewis Schluss.
Lewis, der übrigens zu „Papa`s got a brand new Pigbag“, einem zu Unrecht vergessenen Independent Hit einläuft, verlor dann das Finale gegen den „Flying Scotsman“ Gary Anderson, der bereits im Vorfeld zum engsten Favoritenkreis zählte, in einem packenden Finale mit 5:7. Hier war Lewis, der augenscheinlich unter Bluthochdruck leidet und dessen Haut rosa glänzte wie ein Schweinchen (Pigbag?), im Endeffekt chancenlos, weil er zu viele Chancen auf Spielbälle ungenutzt ließ. Hier war der Flying Scotsman unerbittlich, er haute Lewis eine 180 nach der anderen um die Ohren.
Einen Spieler gilt es noch zu erwähnen, dessen riesige Fanschar größer ist als seine Spielkunst: Peter Wright. „Snakebite“ hat immer ein anderes, quietschebuntes Shirt an und trägt einen Iro, dessen Farbe er auch jedes Mal verändert. Die rasierten Stellen seines Schädels sind ebenfalls in knallenden Farben bemalt. Man möchte meinen, das dieser Papagei gleich zu flattern anfängt, wenn dem mittvierzigjährigen Schotten nicht der jahrelange Biergenuss im Gesicht stehen würde. Seine technoartige Einlaufmusik kenne ich nicht, aber im Viertelfinale war für ihn Schluss. Trotzdem – der Mann ist eine Augenweide.
Das uns dieser Sport so fasziniert ist wirklich verwunderlich, aber dieser krasse Gegensatz zwischen totaler Konzentration der Spieler und dem lauten und angesoffenen Publikum ist nur hier zu sehen. Wir freuen uns schon aufs Jahresende, wenn die nächste Weltmeisterschaft im Ally Pally stattfindet.
Ansonsten verlief der Jahreswechsel relativ ruhig. Jenny und Kroll schauten am 2. Weihnachtstag zum Doppelkopf vorbei und auch mit Phil Heiligabend sowie Danny samt seiner Familie mit Schweizer Background am „Zweiten“ hatten wir viel Spaß. Silvester machten wir das übliche Geballere nicht mit und hatten einen gemütlichen Spieleabend mit Berta und Bud, bloß keine Aktion. Urmel und Ilka waren zwar bei Pocke und Patti zu Besuch, aber meine Löwin und ich waren nicht so in Partylaune. Das hängt übrigens nicht mit dem Metex zusammen, welches ich 2 Tage vor Weihnachten zum ersten Mal spritzte. So „musste“ ich bereits Heiligabend die von Phil geschenkte Wodkaflasche mit ihm leeren. Sei es drum, Neujahr gingen wir mit Pocke und Gästen um den Südsee.
Frische Luft genug, um den Alkohol des Silvesterabends aus der Birne zu kriegen und den Tod von Lemmy zu verarbeiten. Da ist ein „Großer“ von uns gegangen, wobei ich nach all den Jahren, in denen ich ihn hören und sogar zweimal live erleben durfte, eben auch bemerken muss, das es sich bei ihm ähnlich verhält wie bei Snakebite. Seine Bedeutung für die Rockmusik resultiert wohl eher aus seinem legendären Ruf und dem konsequent durchgezogenen Lebensstil. Da ist wahrlich kein Nachfolger in Sicht.
Und trotzdem: Prost, Lemmy.
Wir sehen uns.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen