Freitag, 8. Januar 2016

H Lecter: Angie 7/x

7
In jenen Jahren mit Angie war bei uns irgendwie immer was los. Dank der Taxenkutscherei, die ich noch vor meinem Sozialpädagogikstudium angefangen hatte, war ich fast täglich, d.h. an meinen 4 freien Abenden der Woche, im Gambit gegenüber. Angie verdiente ja im Altenheim auch ihr Geld, die Miete war gering und die Küche im Gambit reichte uns soweit hin, das zu Hause kaum gekocht werden musste.
Es war auch zu jeder Zeit unseres Zusammenlebens üblich, dass die jeweiligen Freunde uns beide besuchten. Außer in den Momenten, in denen sie sich mit ihrem jeweiligen Freund (soo viele waren es auch nicht) verständlicherweise zurückzog. Der Fernseher lief in jenen 3 Jahren unserer Wohngemeinschaft sehr selten, vielleicht mal zum Fußball.
Viel Zeit verbrachten wir in der Küche am runden Tisch, das Quasselkraut immer am Wickel. Unsere Wohnung war ja dank der Lage auch ständig Anlaufpunkt für den Freundeskreis beim Besuch des Gambit. In der Regel gingen wir dann auch mit, für den einen oder anderen Steinkrug, denn Angie spuckte ja wirklich nicht ins Glas.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir anfangs fast ständig Violent Femmes gehört hatten. Angie stand da richtig drauf; diese ruhige, melancholische Musik. Für mich ist das heute kaum noch zu fassen, wie wir da so abgehangen hatten. Mukke von Platte statt Fernsehen – na gut, RTL und SAT 1 waren noch nicht ganz am Start. Aber ich denke, die meiste Zeit waren wir dann doch woanders.
Zuhause war da fast nur noch Räucherstube. Ach ja, Tee und Kaffee tranken wir auch viel. Ich selbst rauchte ca. 2 Schachteln Camel ohne am Tag, Angie war da auch nicht untätig, bloß mit Filter. Und dann natürlich noch die anderen, etwas größeren Zigaretten. Bis zu 5-6 Blättchen waren da manchmal nötig.
Gerne erinnere ich mich da an das kleine metallische Purpfeifchen, mehr aber natürlich an die wunderschöne Graniniflasche, die wohl Udo, der alte Bastler, in akribischer Bastelei „gangbar“ gemacht hatte. Insbesondere mit Jürgen trainierte ich dort mein Lungenvolumen, aber die eine Geschichte mit Kroll fällt mir in dem Zusammenhang wieder ein.
Nebenan in der Ekbertstr. kannte Angie eine erlesene Riege von Althippies, die dort wie üblich im obersten Geschoss hausten. Zusammen mit 2 Schäferhunden hausten sie dort, typischerweise waren Bett und Hundekörbchen eine Symbiose eingegangen. Auch ansonsten waren Mensch und Tier schwer voneinander zu unterscheiden…
Aber genug davon. Wir rauschten dort ein, weil wir Nachschub brauchten. Der Tag ließ sich ganz angenehm an, bis einer der langhaarigen Fliesenleger die Graniniflasche rausholte und sie zur Benutzung fertigmachte. Das beeindruckende Gerät hatte den wohl größten von mir jemals gesehenen Pfeifenkopf.
Ob das der Grund war, weswegen ich mich von dem Mundstück fernhielt? Ich weiß aber noch, dass Kroll vor seinem tiefen Zug noch äußerst agil unterwegs war; wie Angie und ich eben auch. Doch urplötzlich, nach zwei bis drei tiefen Zügen, begab sich Kroll in die Horizontale.
Wir hatten erhebliche Mühe, ihn wieder wach zu kriegen und mussten ihn beim Hinausgehen aus der Wohnung stützen. Das einzusaugende Luftvolumen der Flasche war allerdings dermaßen riesig, das in Kombination mit der „Oktanzahl“ eine Veränderung von Krolls` Straßenlage unvermeidlich war. Das Bier hatte er jedenfalls nicht mehr ausgetrunken, er wollte wohl einfach nur noch schlafen.
Diese schlechte Erfahrung hinderte Kroll aber nicht daran, mich später mal während eines weiteren Versorgungsengpasses bei einem Besuch der Hippie WG zu begleiten. Wir klingelten unten an der Tür und warteten. Unser Besuch war angekündigt, deshalb waren wir verwundert, das niemand öffnete. Ich ging auf die Straße zurück, damit die Mannschaft sehen konnte, das Besuch da war.
Wahrscheinlich war das falsch, denn ich konnte noch erkennen, wie in dem betreffenden Stockwerk (3. Stock) die Gardine bewegt wurde. Offenbar war doch jemand da, aber die seinerzeit allgegenwärtige Paranoia hinderte die Bewohner am Öffnen der Wohnung. Hatte ich später nie mehr so erlebt.
Da mussten Kroll und ich wohl oder übel unverrichteter Dinge wieder abziehen. Ob wir woanders etwas besorgen konnten, weiß ich heute gar nicht mehr. Aber ich kann mich noch erinnern, dass wir seinerzeit niemals längere Zeit auf dem Trockenen saßen. Wenn alle Stricke rissen, dann fuhren wir halt mit Angie nach Gifhorn.
Dort kannte sie ja nicht nur Harry, sondern auch ne Menge anderer Leute, die mir glücklicherweise heuer nicht mehr über den Weg laufen. Für das Purpfeifchen hatten wir jedenfalls immer reichlich Munition.Wenn ich grad noch an diesen süßlich metallischen Geschmack denke…. Gesund war das sicher nicht.
Die blaue Giraffe hatte ich dann aber erst später, als Angie schon längst woanders wohnte. Das Ding ist ja bis heute legendär, passt hier aber nicht in die Storyline.

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