Sonntag, 8. März 2015

H Lecter: Angie 2/x

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Es dauerte nicht lang, bis Angie bei Pocke und mir einzog. Wie sich ziemlich zügig herausstellte, war sie eine ausgewiesene Raketenexpertin. Insbesondere den Treibstoff wußte sie stets zu organisieren. Unerschöpflich waren ihre Quellen.
Das Abhängen zu Dritt erwies sich in jenen Tagen als höchst unterhaltsam, zumal Angie auch dem Alkohol stets zugeneigt war. In jenen Tagen war sie stets fröhlich und munter unterwegs; Übellauniges Rumgenerve war ihr fremd.
Der Grund, weswegen sie bei uns einzog, war dagegen eher unerfreulich zu nennen: Vorher wohnte sie in der Schuntersiedlung in einer Wohnung über ihrem Exfreund. Da Angelika in ihrer typisch umgänglichen Art kein Problem mit der Nähe zum Exlover hatte, ist sie nach der Trennung halt kurzerhand in die Wohnung obendrüber eingezogen.
Leider war Hansi – der Verflossene – nicht nur nicht umgänglich, sondern eher manisch depressiv veranlagt. Er hatte wohl bei Angie die Tür eingelatscht und trat im besoffenen Koppe wohl sehr aggressiv auf, worauf Angie auf Dauer keinen Bock hatte, verständlicherweise.
So blieb sie denn wochenlang bei uns in der Nußbergstraße und nächtigte bei Pocke. Die seinerzeit arbeitslose Altenpflegerin kannte eine Menge Leute, insbesondere aus Gifhorn, und nahm uns auch gerne dorthin mit. Besser gesagt wir sie, weil sie ja kein Auto hatte. Ich denke heute auch noch, dass dieser seinerzeit sehr familiäre Zusammenhalt ihr als ehemaligem Heimkind sehr gut tat, weshalb der Kontakt nach ihrem Auszug bei uns auch nicht abriß.
Ob die Festivals im Sommer oder auch die üblichen Besäufnisse zu dem Abhören der neuen „Scheiben“ – stets war sie bei uns und unserem Umfeld ein gern gesehener Gast. Ihre hervorragendste Eigenschaft war sicherlich die Fähigkeit, einen bei Bedarf auf den Pott zu setzen, ohne einen zu beleidigen. Das konnte außer ihr niemand.
Soweit ich mich erinnere, zog sie dann doch wieder in die Schuntersiedlung. Allerdings in eine andere Wohnung, soweit ich mich erinnern kann. Sie hatte alsbald auch wieder eine neue Liebe gefunden. Der ca. 1,65 Meter große Bau Ing Student aus Osnabrück stammte ursprünglich aus Portugal und war ein ganz Netter. Leider habe ich ihn später aus den Augen verloren, weil sie sich irgendwann getrennt hatten.
Weit vorher aber – Pocke und ich wohnten noch in der Nußberg - zog Angie in den Walkürenring. Das Problem bei der Anmeldung war allerdings, dass der Vermieter – die Nibelungen GmbH – auf einen Bürgen bestand. Was lag da näher, als mich um die Abgabe der Bürgschaftserklärung zu bitten?
Sie hatte wohl irgendwann vorher mal irgendwelche Mieten nicht bezahlt und konnte natürlich auch keine Kaution stellen. Da war ich ihr gerne behilflich – bei der Bürgschaft wohlgemerkt. Kaution war dann doch nicht.
Ebenso beim Umzug. Nett wie ich nun mal bin, habe ich beim Schleppen in die Wohnung auch geholfen. Ich weiß noch um den nieselnden Regen, der auf meinen verschwitzten Körper einprasselte. Da ich zu dem Zeitpunkt passenderweise eh erkältet war, hatte ich mir mit dieser Aktion eine wunderschöne Nasennebenhöhlenentzündung eingefangen.
Da hatte ich also so richtig was von der Aktion. Auch als sie dort kein Jahr später wieder ausziehen musste, weil sie die eine oder andere Miete nicht gezahlt hatte. Logischerweise wollte die Nibelungen das Geld von mir als Bürgen sehen. Da war ich dann auch wieder richtig begeistert!
Zum Glück hatte ich die Idee, mal ausnahmsweise ins Bürgerliche Gesetzbuch zum Thema Bürgschaften zu gucken. Ich verweigerte die Kostenübernahme mit der Begründung, dass die Bürgschaft durch die nicht von mir zu erwartende Unzuverlässigkeit von Angie nicht greifen würde.
Die Nibelungen ließ sich tatsächlich darauf ein! Liegt allerdings, rückblickend betrachtet, dann wohl eher doch an dem Umstand, dass ich seinerzeit selbst keine Kohle hatte und bei mir somit nichts zu holen gewesen wäre.
Warum Angie die Miete nicht gezahlt hatte? Weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich hatte sie mir damals schon erzählt, dass sie dringend andere Schulden, für die sie natürlich auch nichts konnte, zuerst bezahlen musste.
Ich kannte sie ja noch nicht soo lange, so dass ich ihr das seinerzeit noch abkaufte. Unserer Freundschaft tat dieser Vorfall also keinen Abbruch. Kosten hatte ich ja auch nicht zu tragen. Nur ein bisschen Aufwand mit Schriftkram an die Nibelungen.
Das alles mit dem Walkürenring war also ein kleiner Vorgeschmack dessen, was ich mit Angie in den kommenden Jahren noch erleben durfte.

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