Donnerstag, 19. Juni 2014

Contramann: Fahrradhelme

Vielleicht ist es ja das Sommerloch, das solche Meldungen die Gemüter erregen:
Auch ohne Helm haben Fahrradfahrer Anspruch auf vollen Schadensersatz bei einem Unfall. Aha. War das bisher anders? Da muss ich vorweg den Vorfall in Gänze schildern:
Eine Radfahrerin klagte auf Schadensersatz, weil sie von einem Unfall mit einem parkenden Auto eine Schädelfraktur zugezogen hatte. Die Autofahrerin hatte nicht geschaut und derart überraschend die Tür geöffnet, das die Radfahrerin in die geöffnete Tür knallte und sich beim Sturz am Kopf verletzte.
Das Oberlandesgericht Schleswigsprach der Radfahrerin quasi eine Teilschuld zu, weil sie ohne Fahrradhelm unterwegs war und „heutzutage“ allgemein bekannt sei, das ein Fahrradhelm die Verletzungsgefahr vermindert. Die Schadensersatzsumme wurde deshalb um 20% gekürzt. Und das, obwohl das Tragen eines Helmes nach wie vor nicht vorgeschrieben ist.
Mit diesem Urteil erregte das OLG Schleswig bundesweit Aufsehen. Die Radfahrerin wollte sich dies allerdings nicht bieten lassen und ging in die Revision vor den Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Und der BGH stellte nun in seinem Urteil eindeutig fest, das die Radfahrerin keine Mitschuld an ihren Verletzungen durch den Unfall habe, auch wenn sie keinen Helm trug. Schließlich ist das Tragen eines Helmes eben nicht gesetzlich vorgeschrieben. Dass es 2011 nicht dem allgemeinen Verkehrsbewußtsein entsprochen hätte, aus Sicherheitsgründen einen Helm zu tragen, ist hierbei eigentlich nicht entscheidend und verwirrt eher.
Aber nun gut. Die Fahrradfahrerin ist doch noch zu ihrem Recht gekommen. Allerdings, und deswegen ist Contramann verärgert, gingen jetzt im Netz die Diskussionen los, ob ein Fahrradhelm per Gesetz zur Tragepflicht erklärt werden solle oder eben nicht.
Zum Einstieg hierzu dieser schwachsinnige Kommentar in der Welt:
„Helme sind kein unnötiges Accessoire“ meint der Kommentator. Er schwadroniert vom Blick in die Notfallaufnahme der Krankenhäuser und führt dies als Beweis für die Sicherheit von Fahrradhelmen. Hierbei verschont er uns von Fakten. Er stellt die Sicherheit von Fahrradhelmen einfach fest. Ist halt so.
Wenn Contramann etwas haßt, dann sind das derart selbstgefällige Behauptungen, die, von nachprüfbaren Fakten gänzlich befreit, einfach in den Raum gestellt werden u8nd ohne Not zur allgemeingültigen Wahrheit erklärt werden.
Faktum ist aber dies hier:
Eine Helmpflicht für Fahrradfahrer ergibt einen volkswirtschaftlichen Schaden, weil dann einfach weniger Leute mit dem Rad fahren. Das führt einerseits zu mehr Autoverkehr mit den bekannten negativen Folgen für die Umwelt und andererseits verstärkt gesundheitliche Probleme wie Diabetes und Herzerkrankungen noch weiter ansteigen.
Hierzu gibt es im Netz genug Untersuchungen, die ich jetzt aber nicht verlinke. Mir ist das noch zu theoretisch. Ich polemisiere lieber. Denn über was für einen Gegenstand reden wir da eigentlich?
Ein Fahrradhelm ist ja nun nicht wirklich ein Helm – so wie ein Integralhelm für den Motorrad- oder Mopedfahrer. Dieser ist dafür konstruiert, den Kopf zu schützen, auch wenn der Schädel nach einem Zusammenstoß munter auf dem Asphalt vor sich hinschlittert, beispielsweise auf dem rechten Ohr.
Bei einem derartigen Unfallverlauf wäre der mit Plastikriemen befestigte Fahrradhelm schon längst weggeplatzt. Einen ungefährten Eindruck von der dann zu erwartenden Verletzung bekommst Du, wenn Du einen Schwingschleifer mal kurz übers rechte Ohr fahren läßt.
Dieses Unfallszenario ist übrigens wahrscheinlicher als ein reines Aufprallen des Körpers auf die Kopfoberseite. Und nur dort ist man dank der umgedrehten Servierschüssel halbwegs geschützt. Denn das Material aus Schaumstoff und Plastik ist zwar angenehm leicht und federt schön nach, wenn man mit der flachen Hand und voller Kraft von oben draufhaut. Mach das mal mit nem Vorschlaghammer, um einen Frontalaufprall mit einem 60 – 70 km/h schnellen Auto zu simulieren.
Spätestens dann weißt Du, warum ein Fahrradhelm so gern mit einer Melonenschale verglichen wird.Gut, Vielleicht mildert der Plastikhelm einen Aufprall auf dem Kopf auch stark genug, daß das Hirn eben nicht Matsch ist und das Unfallopfer überlebt. Dann aber anzunehmenderweise als brabbelndes Stück Fleisch im Pflegeheim. Lieber tot als so, möchte ich meinen.
Es ist doch so, daß ein Fahrradhelm keine Unfälle verhindert, sondern maximal Unfallschäden eindämmt. Und das noch nicht einmal zufriedenstellend. Der gern getroffene Vergleich mit dem Anschnallgurt im Auto hinkt hier, weil der Autofahrer durch das Chassis einen „Rundumschutz“ beim Aufprall von Haus aus als Vorgabe hat. Der Gurt selbst fixiert nur den Körper, damit er nicht sonstwohin fliegt und zermanscht wird. Im Gegensatz zum Airbag schützt er also nicht direkt, sondern eher indirekt.
Der Fahrradfahrer hat diesen Rundumschutz nicht, aber einen mit Styropor gefederten Hartplastikhut – weil mehr ist es ja nicht – auf. Man müßte also das Auto komplett von der Karosse befreien und den Fahrer mit einem Helm, von mir aus auch Integralhelm, ausstatten. Nach dem Aufprall wäre dann wenigstens der Kopf heil und könnte bei den Körperwelten noch für Aufsehen sorgen.
Das eigentliche Mißverständniss der „Fahrradhelmjünger“ liegt aber woanders. Typischerweise ist der Deutsche davon überzeugt, allein dank der bestandenen Führerscheinprüfung ein guter Autofahrer zu sein. In den meisten anderen Ländern dieser Welt ist diese Prüfung samt der Ausbildung hierzu zwar nicht so üppig, aber dafür wird man auch nicht zum Dussel erzogen.
Der deutsche Autofahrer hat nämlich lediglich gelernt, wer wann Vorfahrt hat – mithin wer bei einem Unfall Schuld hat. Gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr oder gar Mitdenken wird gerade nicht vermittelt. Es gilt der Grundsatz: Hab ich Grün, hab ich Recht. Vollgas!
Oder wie im Falle des Gerichtsurteils: Mein Auto steht am Straßenrand, ich höre kein Auto also brauche ich beim Türöffnen auch nicht nach hinten gucken. Übrigens stand die Autofahrerin in diesem Fall im Halteverbot!
Doch für den deutschen Michel ist Mitdenken bekanntermaßen nicht angesagt. Schließlich lassen wir ja denken und konzentrieren uns auf das Wesentliche, als da wären nicht aufzufallen und besser zu sein als der Nachbar.
Aber ich schweife schon wieder ab, das ist halt noch ein anderes Thema. Fakt ist, daß man mit verstärkter Umsicht im Straßenverkehr mehr und mehr Unfälle vermeiden könnte. Außer der Achtsamkeit durch die Verkehrsteilnehmer selbst wäre noch breitere Fahrradwege im gut asphaltierten Zustand oder auch autofreie Zonen denkbar.
Der Autofahrer hat nun mal stärkere Argumente als Radfahrer oder Fußgänger, die ja mangels Motorisierung geschützt werden müssen. Unjd das geht halt besser durch weitere Verbote und Einschränkungen für die motorisierten Verkehrsteilnehmer als durch Drangsalierungen der schwächeren Verkehrsteilnehmer. Deutschland ist aber leider Autofahrerland, so das ich hier keine Verbesserungen erwarte.
Viele Fahrradhelmjünger verglichen Fahrräder mit Motorrädern. Letztere haben ja auch Helmpflicht. Ganz Pfiffige merken da noch an, das durch die höhere Geschwindigkeit eines Motorrades auch ein sichererer Helm notwendig sei. Contramann sagt hierzu nur, dass Autofahrer bei Unfällen häufigst Kopfverletzungen erleiden. Ergo: Helmpflicht für Autofahrer – in der Formel 1 haben ja auch alle nen Helm auf. Und wenn wir schon dabei sind; Die Fußgänger auch! Und die Leute mit dem elektrischen Rollstuhl, die Rollatorenraser ….
Es reicht meines Erachtens vollkommen aus, die Trennlinie zur Helmpflicht bei der Motorisierung zu ziehen. Das würde bedeuten, daß auch ein E-bike helmpflichtig wäre. Autofahrer sind übrigens nur deshalb von einer Helmpflicht frei, weil dier Integralhelme unpraktisch in der Sicht zur Seite oder nach hinten sind.
Zusätzlich könnte ich noch eine Helmpflicht bei sportlicher Betätigung sehen. Also für Jogger, Roller und Skater sowie den gemeinen Rennradfahrer, eine aussterbende Art. Dann aber mit Protektoren und Integralhelm statt einer umgedrehten Plastikschüssel.
Zum Schluß muß ich dann noch über den Richter des Oberlandesgerichts schimpfen. Die Rechtslage war ja nun eindeutig, die Schuld lag zu 100% bei der Autofahrerin. Was soll ich vom Rechtsverständnis eines Richters halten, der bei dieser glasklaren Schuldfrage der Radfahjrerin noch eine Teilschuld zuspricht, obwohl derselbe Richter einräumt, dass die Radfahrerin sich gesetzesgemäß verhalten hat.
Richter, die meinen, daß Gesetze anders lauten müßten als sie es sind, oder die wissentlich gegen geltendes Recht sprechen,wollen wir in Deutschland nicht mehr. Die hatten wir schon 1000 Jahre zu lang.

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