Montag, 5. Mai 2014

Hartmudo: Der letzte Bulle

Am letzten Sonntag im April , meine Löwin und ich waren von Berlin und der Erstkommunion noch ermattet, freuten wir uns abends auf den neuen Tatort mit Falke. Wotan Wilke Möhring ist einer meiner Lieblingsschauspieler und den 1. Tatort von Falke hatte ich auch schon genossen.
Aber dieser hier… war der Schlechteste, den ich seit Jahren gesehen habe. Wir haben beide tapfer bis zum Ende durchgehalten, obwohl ich bereits nach 10 Minuten angeboten hatte, einen Straßenfeger von Durbridge reinzuschieben.
Der Tatort fing düster an – im Dauerregen. Die Bundespolizei fährt einen Großeinsatz im JadeWeserPort Wilhelmshaven. Bei der Stürmung der Wohnung eines Verdächtigen kommt es zur Explosion, wobei eine Polizistin, mit der Falke offenbar schon Körperflüssigkeiten ausgetauscht hatte, getötet wird. Parallel dazu erstürmt ein Einsatzkommando einen Großraumcontainer, in dem kongolesische Flüchtlinge zur Arbeit in Schlachthöfen eingeschleust wurden.
Falke trifft mit seiner Assistentin kurz nach dem Zugriff ein. Ein Schleuserring soll aufgedeckt werden, klingt ja erstmal interessant. Aber mit zunehmender Spieldauer wird es wirr und unübersichtlich. Hier sieht man deutlich, was passiert, wenn Pseudointellektuelle versuchen, einen Kriminalfall für das Öffentlich-Rechtliche Fernsehen anspruchsvoll zu inszenieren.
"Das sind Arbeiterhände. Hab ich von meinem Vater. Der war Schweißer bei Blohm & Voss." Sagt Falke zu einem Lotsenarbeiter und zeigt diesem seine Pranken, um ihn bei der Ehre zu packen. Das ist etwas schwach, um Falke als Mann des Volkes erscheinen zu lassen.
Überhaupt stiert Falke größtenteils ins Leere und sinniert offenbar über die verlorene Liebe, aber Gefühle zeigt er nur, wenn er seine neuen Kollegen zusammenscheißt. Das wirkt im permanenten Regen zwar bedeutungsschwanger, nervt aber von Minute zu Minute mehr.
Wie man einen echten norddeutschen Jung überzeugend darstellt, kann man gut im Polizeiruf 110 bei Bukow und König beobachten. Wenn sich dort die Emotionen Bahn brechen, sitzt Du mit offenem Mund vor der Glotze, Entenpelle inbegriffen.
Aber bei Falke? Nichts, Nada. Er erinnert zwar etwas an Westernhagen, erreicht aber nicht dessen Souveränität, was dem schlechten Drehbuch geschuldet ist. Kleine Gefühlsduseleien wie der kleine schwarze Junge, der mit seinem Vater in Deutschland bleiben darf, retten den Krimi auch nicht, denn einen Zusammenhang mit dem Plot hat dieser Sidestep nicht im Geringsten.
Zum Schluß stellt sich heraus, dass es sich eher um das Verschieben und Antesten von neuen Waffen eines im Dunkeln bleibenden Konzerns im Kongo handelt. Irgendwelche Überwachungskameras liefern der „Zentrale“ dieses Konzerns verschwommene Bilder; damit verbundene Waffen töten dann auch unliebsame Zeugen.
Ebenso hanebüchen ist die Szene, in der Falkes Assistentin einen sicher gestellten Laptop zur Untersuchung ins Hauptquartier bringt. Leider wird ihr der Laptop aus dem Auto geklaut, weil sie auf dem Weg noch mal kurz raus mußte. Häh? Pinkeln oder was. Wie hohl ist das denn?
Erklärt wird dies wohl durch die ständige Überwachung, aber schwach ist das allemal. Einzig und allein in der Sequenz, als Falke mit seinem alten Kumpel, dem Wilhelmshavener Oberkommissar, am Wasser ein Pils trinkt und sich beide über Familie und Häuschen unterhalten, zeigt Falke sein sympathisches Lächeln. Das ist für 90 Minuten zu wenig.
Unlogische und wirre Handlung, die Figuren unglaubwürdig und blaß gezeichnet. Das war ganz schlechtes Kino, zumal die Fehlplanung JadeWeserPort, vergleichbar mit Stuttgart 21 oder dem Berliner Flughafen, einen  Superstoff für einen Krimi bietet.
Aber außer schönen Bildern des menschenleeren Containerhafens bietet der Tatort wirklich nichts, was eine überschwängliche Kritik wie die Im Spiegel Online rechtfertigt:
http://www.spiegel.de/kultur/tv/tatort-aus-wilhelmshaven-kaltstart-mit-wotan-wilke-moehring-a-965140.html
Die angedeutete Outlaw Attitüde, u. a. mit Musik von Clash, hatte ich bisher nicht erwähnt, weil mir das als Charakterisierung zu billig ist. Dann schon lieber Till Schweiger, aber ehrlich. Schlimm, dass ich so etwas sagen muß.
Gleich am nächsten Tag war wieder Krimitag. Satt 1 startet die 5. Staffel „der letzte Bulle.“ Zum Start wird gleich eine Doppelfolge serviert und schon nach 10 Minuten waren wir wieder begeistert.
Wenn sich da Mick Brisgau mit seiner Katze eine Thunfischdose teilt und passend dazu ein Song von Lou Reed im Hintergrund ertönt, da braucht Henning Baum nicht wie Möhring im Tatort böse gucken oder die Kamera aus einem dunklen Winkel aufnehmen, um Brisgau als Kerl und einsamen Wolf zu beschreiben.
Hier wie auch in anderen Szenen entwickelt Baum durch sein vielfältiges Mienenspiel eine erheblich stärkere und damit glaubwürdigere Präsenz als der Bundespolizist Falke am Vorabend.
Kringge als leicht verwirrter Anzugträger liefert auch wieder einen starken Part als Bulle vom LKA, dem ein Bestechungsversuch untergeschoben werden soll. Meisner, die Wirtin Uschi sowie – neu dabei - Jürgen Tarrach als immer essender Streifenbulle Udo runden das über 4 Staffeln liebgewonnene Bild ab.
Ferchert, der Ex-Chef, scheint Dreck am Stecken zu haben und Tanja, die Exfreundin von Brisgau und Polizeipsychologin, wird wohl noch in den nächsten Folgen zusätzliche Effekte setzen. Da bin ich mir sicher.
Was Viele sicher nicht wissen: Der amerikanische Kabelsender TNT hat letztes Jahr ein Remake vom letzten Bullen gedreht; die Franzosen zogen nach. Für ein in Deutschland entwickeltes Format ist das ein großer Erfolg; normalerweise geht das ja immer anders rum.
Und das die 5. Staffel einen über die komplette Staffel gehenden Plot besitzt, dürfte auch in der deutschen TV Landschaft für die letzten Jahre beispiellos sein. Trotz der scheinbaren Länge schaffen es die Verantwortlichen, den Spannungsbogen durch immer neue Wendungen hoch zu halten.
Nur, dass statt Iggy`s „Real wild Child“ jetzt U2 als Titelmusik ertönt, stört mich ein bißchen. Aber die gewohnt gute Musikauswahl aus den 80ern läßt mich dies schnell vergessen. Zumal sich die Mannschaft dann doch wieder bei Uschi vor der Theke trifft. So soll es sein.
Anders als im Tatort wird hier gelacht und geweint. Gefühle werden nicht durch künstlerische Bildeinstellungen bleischwer serviert. Hier kommt alles leicht daher und wirkt dadurch – anders als der Tatort – echt.
Einigen mag dieses Produkt des Privatfernsehens als zu schlicht oder gar zu amerikanisch sein. Die „Tiefe“ der Charaktere kommt nicht richtig zum Vorschein. Bla bla bla.
Leute, das Leben ist so banal und trivial wie im letzten Bullen. Ist Euch das noch nicht aufgefallen? Dann zieht den Pflock aus Euerm Herzen und dann spürt Ihr es auch.

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