Montag, 8. Juli 2013

H Lecter: Jopi 1/2

Ich glaube, neben Kroll kenne ich niemanden so lange wie Jopi. Knappe 50 Jahre sind das schon her.
Wir sind in derselben Straße in Melverode aufgewachsen und wurden auch zusammen eingeschult. Militschstraße, die Reihenhäuser. Wenn Du reinfährst auf der linken Seite. Jopi wohnte am Ende der 1. Reihe (Kroll fast am Anfang), ich wohnte schräg dahinter in der
2. Reihe. Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir hauptsächlich im Garten von Jopis Eltern gespielt hatten.
Bei meinen Eltern waren ja Besuche von Nachbarskindern nicht so gern gesehen. Als Kind störte mich das nicht so. Wahrscheinlich ist mir als Erwachsener deshalb eine „offene“ Wohnung so wichtig geworden. Heuer sieht das – leider – doch wieder anders aus. Gegen die Gene der Eltern kommt man halt nicht an.
So spielten wir also häufig bei Jopi im Garten. Eine Tischtennisplatte gab es dort. Und auch die Spiele bei Geburtstagen auf der Terrasse (Topfschlagen, Stelzenlauf, Eimer unter die Füße und ganz besonders der Hüpfball) sind mir noch in guter Erinnerung. An eine schöne Sache jedoch kann ich mich jedoch besonders gut erinnern.
Der Schlesiendamm verläuft parallel zur Militschstraße, quasi hinter den Reihenhäusern. Mittlerweile rattert dort die schon Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts geplante Straßenbahn gen Stöckheim. Dazu jetzt die Straße, Fußgängerweg. Große, graue Steinwände als Schallschutz und ansonsten grüner Rasen mit vereinzelten Bäumchen.
So sieht er heute aus. Mitte/Ende der 60er war das noch freiliegendes Brachland. Ein Trampelpfad entstand im Laufe der Jahre. Ansonsten war es unberührte Natur. Ein kleines Stück inmitten von Melverode und im Winter hatten wir dort unseren Rodelhügel.
War auch schön, aber im Sommer hatten Jopi und ich ein besonderes Freizeitvergnügen.
Einer stand auf nem kleinen Hügel und der Andere schlich sich an. Wir waren wohl beide gerade eingeschult – „Hinter“ dem Schlesiendamm war übrigens das Schulgelände.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich auf einem kleinen Hügel stand und versuchte, Jopi in dem schilfähnlichen Gras zu entdecken beim Versuch, sich unbemerkt anzuschleichen. Die verräterische Bewegung der Blätter oder Halme zu erkennen war gar nicht so einfach. Der ganze Schlesiendamm war im Sommer ja auch schön zugewachsen.
Wenn ich mich anschlich, teilte ich mir den Boden mit Käfern und Ameisen. Jopi war bei diesem Spiel besser als ich. Das lag wahrscheinlich daran, dass er schon damals eine Brille trug. Da sieht man halt besser.
Dieses Spiel im Sinn, hatten wir als Erwachsene auch noch mal so einen Auftritt. Als ich in der Nußberg mit Pocke zusammen wohnte, kam Jopi eines Nachmittags vorbei. Mit knapp Mitte 20 hat man als Student (Jopi) oder Arbeitsloser (ich) auch noch die Muße, um an einem schönen Sommertag einen Kaffee zu trinken und über die Welt und überhaupt zu philosophieren. Große Raketen taten ihr Übriges, so dass wir an besagtem Nachmittag irgendwann ziemlich straff waren.
Aber unternehmungslustig. Schon damals war Datenschutz ein großes Thema; eine große Volksbefragung stand vor der Tür. Wir argwöhnten seinerzeit, das wir von Organen des Staates ausspioniert wurden. Permanent. Die vielen Raketen schärften unser Bewußtsein hierfür. Das war keine Paranoia – neeeeein!
Jedenfalls reifte in uns die Erkenntnis an jenem Nachmittag, das es nunmehr an uns sei, doch einmal den Spiess umzudrehen. Jetzt beobachten wir mal den Staatsapparat! Hierzu gehört bekanntermaßen die Polizei. Und die fährt ja dauernd Streife.
Streifig war ich allerdings, als ich mich dann zu Jopi in das Auto setzte. Ich glaube es war ein Fiesta. Ich saß voll konzentriert auf dem Beifahrersitz, um unsere Beobachtungen zu protokollieren.
Es dauerte auch nicht lange, bis wir hinter einem Streifenwagen hingen. Kastanienallee, Altewiekring – in der Ecke ging es los. Wir fuhren direkt hinter dem Organ der uns bedrohenden Staatsgewalt. An der Ampel, auf der Linksabbiegerspur. Egal, wir waren dran. Jopi ließ den Feind nicht entkommen und ich protokollierte während der ganzen Fahrt unsere Mission.
Die Bullenschleuder hielt außer vor Ampeln nicht einmal an. Über eine Stunde lang hatten wir die grünweiße Karre vor uns im Fokus, bis uns so langsam die Lust verließ. Wahrscheinlich ließ einfach nur die Wirkung der vielen Raketen nach. Die Bullen jedoch schienen uns nicht entdeckt zu haben. Wir hatten da wohl sehr viel Schwein gehabt.
Es sollte der einzige Einsatz der „Gerechtigkeitsliga“ bleiben und das war auch gut so. Außer einer Stadtrundfahrt wurde von der Polizei nichts weiter geboten.

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