Ich glaube, neben Kroll kenne ich
niemanden so lange wie Jopi. Knappe 50 Jahre sind das schon her.
Wir sind in derselben Straße in
Melverode aufgewachsen und wurden auch zusammen eingeschult.
Militschstraße, die Reihenhäuser. Wenn Du reinfährst auf der
linken Seite. Jopi wohnte am Ende der 1. Reihe (Kroll fast am
Anfang), ich wohnte schräg dahinter in der
2. Reihe. Ich kann mich noch gut
erinnern, dass wir hauptsächlich im Garten von Jopis Eltern gespielt
hatten.
Bei meinen Eltern waren ja Besuche von
Nachbarskindern nicht so gern gesehen. Als Kind störte mich das
nicht so. Wahrscheinlich ist mir als Erwachsener deshalb eine
„offene“ Wohnung so wichtig geworden. Heuer sieht das – leider
– doch wieder anders aus. Gegen die Gene der Eltern kommt man halt
nicht an.
So spielten wir also häufig bei Jopi
im Garten. Eine Tischtennisplatte gab es dort. Und auch die Spiele
bei Geburtstagen auf der Terrasse (Topfschlagen, Stelzenlauf, Eimer
unter die Füße und ganz besonders der Hüpfball) sind mir noch in
guter Erinnerung. An eine schöne Sache jedoch kann ich mich jedoch
besonders gut erinnern.
Der Schlesiendamm verläuft parallel
zur Militschstraße, quasi hinter den Reihenhäusern. Mittlerweile
rattert dort die schon Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts
geplante Straßenbahn gen Stöckheim. Dazu jetzt die Straße,
Fußgängerweg. Große, graue Steinwände als Schallschutz und
ansonsten grüner Rasen mit vereinzelten Bäumchen.
So sieht er heute aus. Mitte/Ende der
60er war das noch freiliegendes Brachland. Ein Trampelpfad entstand
im Laufe der Jahre. Ansonsten war es unberührte Natur. Ein kleines
Stück inmitten von Melverode und im Winter hatten wir dort unseren
Rodelhügel.
War auch schön, aber im Sommer hatten
Jopi und ich ein besonderes Freizeitvergnügen.
Einer stand auf nem kleinen Hügel und
der Andere schlich sich an. Wir waren wohl beide gerade eingeschult –
„Hinter“ dem Schlesiendamm war übrigens das Schulgelände.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass
ich auf einem kleinen Hügel stand und versuchte, Jopi in dem
schilfähnlichen Gras zu entdecken beim Versuch, sich unbemerkt
anzuschleichen. Die verräterische Bewegung der Blätter oder Halme
zu erkennen war gar nicht so einfach. Der ganze Schlesiendamm war im
Sommer ja auch schön zugewachsen.
Wenn ich mich anschlich, teilte ich mir
den Boden mit Käfern und Ameisen. Jopi war bei diesem Spiel besser
als ich. Das lag wahrscheinlich daran, dass er schon damals eine
Brille trug. Da sieht man halt besser.
Dieses Spiel im Sinn, hatten wir als
Erwachsene auch noch mal so einen Auftritt. Als ich in der Nußberg
mit Pocke zusammen wohnte, kam Jopi eines Nachmittags vorbei. Mit
knapp Mitte 20 hat man als Student (Jopi) oder Arbeitsloser (ich)
auch noch die Muße, um an einem schönen Sommertag einen Kaffee zu
trinken und über die Welt und überhaupt zu philosophieren. Große
Raketen taten ihr Übriges, so dass wir an besagtem Nachmittag
irgendwann ziemlich straff waren.
Aber unternehmungslustig. Schon damals
war Datenschutz ein großes Thema; eine große Volksbefragung stand
vor der Tür. Wir argwöhnten seinerzeit, das wir von Organen des
Staates ausspioniert wurden. Permanent. Die vielen Raketen schärften
unser Bewußtsein hierfür. Das war keine Paranoia – neeeeein!
Jedenfalls reifte in uns die Erkenntnis
an jenem Nachmittag, das es nunmehr an uns sei, doch einmal den
Spiess umzudrehen. Jetzt beobachten wir mal den Staatsapparat! Hierzu
gehört bekanntermaßen die Polizei. Und die fährt ja dauernd
Streife.
Streifig war ich allerdings, als ich
mich dann zu Jopi in das Auto setzte. Ich glaube es war ein Fiesta.
Ich saß voll konzentriert auf dem Beifahrersitz, um unsere
Beobachtungen zu protokollieren.
Es dauerte auch nicht lange, bis wir
hinter einem Streifenwagen hingen. Kastanienallee, Altewiekring –
in der Ecke ging es los. Wir fuhren direkt hinter dem Organ der uns
bedrohenden Staatsgewalt. An der Ampel, auf der Linksabbiegerspur.
Egal, wir waren dran. Jopi ließ den Feind nicht entkommen und ich
protokollierte während der ganzen Fahrt unsere Mission.
Die Bullenschleuder hielt außer vor
Ampeln nicht einmal an. Über eine Stunde lang hatten wir die
grünweiße Karre vor uns im Fokus, bis uns so langsam die Lust
verließ. Wahrscheinlich ließ einfach nur die Wirkung der vielen
Raketen nach. Die Bullen jedoch schienen uns nicht entdeckt zu haben.
Wir hatten da wohl sehr viel Schwein gehabt.
Es sollte der einzige Einsatz der
„Gerechtigkeitsliga“ bleiben und das war auch gut so. Außer
einer Stadtrundfahrt wurde von der Polizei nichts weiter geboten.
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