Samstag, 1. Mai 2021

Hartmudo: Egoiste statt Liberte 2/2

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Damals (wie heute) flüchteten sich die Menschen in ein politikbefreites Privatleben. Angesichts der Ohnmacht des Einzelnen gegenüber der Staatsgewalt erscheint mir dies mittlerweile als ein gut gangbarer Weg, um möglichst unbeschadet aus dem ganzen Schlamassel herauszukommen. Denn selbst wenn sich meine heutige Opposition später als richtig herausstellen sollte, wird dies dann keinen interessieren. Die gescheiterte Aufarbeitung der NS Ära sowohl in der BRD als auch in der DDR sollten hier als Beleg genug sein.
„Man will ja keine Schwierigkeiten bekommen“ - wie sehr hatte ich diesen Satz einer meiner Kolleginnen anfangs des Jahrtausends ins Lächerliche gezogen. Und das vollkommen zu Recht, hatte ich doch bereits Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts Demonstrationen gegen die Lagerung von Atomwaffen in der BRD besucht.
Zu der Zeit hatte ich mich auch im Sozialhilfeverein engagiert und aktiv mit dafür gesorgt, dass die Besetzer der Böcklerstraße vom Sozialamt Mietkosten anerkannt bekommen hatten. Daneben organisierte ich ein Frühstück für SH-Empfänger und arbeitete an einem Zeitungsprojekt mit, welches zugegebenermaßen erfolglos war.
Ich kann mich auch noch gut an die Anti-Hartz IV Demos erinnern, wo die Betroffenen nicht mitmarschiert waren. Nur solche Dussel wie meine Löwin und ich. Das Engagement für die ÖDP wie auch die Leitung eines Gesprächskreises der Nachdenkseiten lief genauso ins Leere. Die Leute, die es betraf, waren einfach zu schlaff oder aber es wirkten Leute mit, die nicht wirklich zu einer kooperativen Zusammenarbeit fähig waren. Letzteres betrifft den Gesprächskreis.
All das hatte ich in der Vergangenheit bereits ausführlicher beschrieben. Zusammenfassend blieb bei mir die bittere Erkenntnis, dass ein politisches Engagement ein langer und zäher Prozess ist, den ich offenbar nicht durchgehalten habe oder aber falsch angegangen bin. Gerade auf der Arbeit machte ich zusätzlich noch die Erfahrung, dass ich mit meiner Meinung alleine dastand. Dort galt ich dann als „der grüne Kollege.“
Was für ein Witz, wenn ich da an die heutigen Grünen denke. Egal ob Finanzkrise 2008, Flüchtlingskrise 2015/16 oder jetzt Corona - wie bereits erwähnte hatte ich selbst im engeren Freundeskreis oder der Familie erregte Diskussionen geführt, bei denen ich mich immer weiter hineingesteigert hatte. Dies diente leider eher zur Belustigung meiner Diskussionspartner, die häufig emotional eher zurückhaltend agierten und sich allein deshalb im Recht wähnten, während ich mich ihrer Meinung nach ins Abseits begab.
Und jetzt in der Coronapandemie bin ich an dem Punkt angekommen, wo es reicht. Ein konkretes Engagement ist hier wohl eher nicht machbar. Eine Mitarbeit in Gruppen, die gegen die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus agieren, ist nicht drin. Mittlerweile bin auch ich bereit, mich impfen zu lassen, um nicht ausgegrenzt zu werden. Da bin ich wieder bei dem Verhalten unserer Elterngeneration während der Nazi-Herrschaft oder in der DDR.
Vor allen Dingen will ich auch nicht mehr den Märtyrer für Andere spielen, insbesondere auf der Arbeit. Nicht der sein, der seine Meinung äußert und dann im Zweifelsfall als Nörgler und Quertreiber hingestellt wird, während sich die Kollegas bedeckt halten, um ja nicht in die Schusslinie zu geraten.
Da habe ich in der Vergangenheit schon genug zur Unterhaltung meiner Kollegen beigetragen, das können jetzt mal die Jüngeren übernehmen. Vorgenommen hatte ich mir das schon des Öfteren,. Immer dann, wenn ich mal wieder gemerkt hatte, dass ich über das Ziel hinausgeschossen war. Wenn mich etwas prickt, dann lasse ich mich leider viel zu leicht zu emotionellen Reaktionen hinreißen. Oh, die Zurückhaltung wird mir sehr schwer fallen.
Doch es kann nicht so schwer sein, andere Meinungen auszuhalten und einfach mal nur zuzuhören. Ist es ja auch nicht, bloß.... an irgendeinem Punkt - in der Regel wenn ich die andere Meinung für absolut falsch halte - fahre ich dann aus der Haut. Mein Nervenkostüm ist eher dünn und nicht für den Winter geeignet.
Nun denn, dann nehme ich mir ab jetzt halt vor, mir andere Meinungen ruhig anzuhören. Für den Fall, dass ich es nicht mehr schaffe, die Ruhe zu bewahren, muss ich es schaffen, das Thema zu wechseln. Oder halt zu gehen, falls mein Gesprächspartner mich festzunageln versucht, eben weil er auch nicht ruhig bleiben kann.
Jetzt - gegen Ende April - kann ich sagen, dass dies eine gute Vorgehensweise ist. Fast alle in meiner Umgebung hatten schon vor mir eine eher sachliche statt emotionelle Betrachtung der Corona Maßnahmen beherzigt. Da ich meine zeitweise Unbeherrschtheit immer öfter zügeln konnte, verliefen sämtliche Gespräche über Corona friedlich. Übrigens auch kürzer, falls es bei den diversen Unterhaltungen überhaupt noch mal zur Sprache kam.
Schließlich reicht es ja hin, wenn ich mein Gift über diesen Blog verspritze. Contramann wird sich schwerlich beruhigen lassen. Und wer bin ich, dass ich Contramann zügeln könnte?

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