Dienstag, 13. April 2021

Sam Phillips 3/8

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Leider konnten die von Elvis gesungenen Balladen Sam Philips nicht überzeugen, aber er mochte die Stimme von Elvis und bat Scotty Moore und Bill Black, der in der Nähe von Elvis wohnte, diesen unter ihre Fittiche zu nehmen und mit ihm zu proben, um dem noch etwas schüchternen Elvis mehr Sicherheit zu verleihen.
Eine schöne Anekdote ist hier noch das Erschrecken von Bill Blacks Ehefrau, als Elvis zum ersten Mal bei den Blacks auftauchte. Schwarze Lederjacke, rosa Hose und vor allem der vor Fett triefende Ducktail von Elvis hinterließ bei ihr keinen positiven Eindruck.
Jedoch standen Scotty Moore und Bill Black Anfang Juli wieder mit Elvis Presley in dem Studio der Union Avenue und spielten zusammen „That`s all right“, ein Cover von Arthur „Big Boy“ Crudup, ein. Sam Philips schnitt gleich die erste Aufnahme mit; Er war sofort elektrisiert. Das war genau das Feeling, auf das Sam Philips seit Jahren gewartet hatte. Ohne Schlagzeug, nur 2 Gitarren und der Bass. Dazu der eindringliche Gesang von Presley. Auch ich bekam etwas Entenpelle, als ich nach Lektüre dieser Anekdote „That`s all Right“ mal wieder hörte.
Bis zu seiner Einberufung in die Army bekam Elvis diese Intensität nur selten hin; nach seiner Entlassung beim Militär waren seine Aufnahmen sicherlich nicht mehr bahnbrechend. Als B-Seite der flugs gepressten Single nahm das Trio mit „Blue Moon of Kentucky“ einen schneller eingespielten Countrysong von Bill Monroe auf.
Hier fügte Sam Philips Rhythm `n`Blues und Country zum Rockabilly zusammen. Nicht zuletzt wegen dieser Aufnahme wurde Sam Philips später als Erfinder des Rock `n`Roll bezeichnet.
Man darf aber die Anfänge des Rock & Roll nicht lediglich auf Sam Phillips und Sun Records reduzieren.
Um so mehr gilt das im Übrigen für die Spielart des Rockabilly, der die eigentliche "Vorstufe" der "weißen" Rockmusik darstellt. Da gab es parallel noch eine ganze Meute an unabhängigen Plattenfirmen; stellvertretend seien hier die Brüder Lansky von Chess Records oder auch die Erteguns von Atlantic Records genannt.
Zudem waren mit Bill Haley, Chuck Berry oder auch Fats Domino und Little Richard zur selben Zeit ja auch noch andere Künstler am Start. Der Ruhm von Sam Phillips rührt in erster Linie von der Entdeckung Elvis Presleys her. Dieser Ausnahmemusiker wäre vielleicht bei anderen Firmen zugegebenermaßen nicht entdeckt worden, weil die Künstler dort zumeist von A & R Managern gecastet wurden.
Dies war bei Sam Phillips in Memphis anders. Bei ihm konnte jeder, der eine Gitarre halten oder ein anderes Instrument spielen konnte, in dem kleinen Studio vorspielen. Wenn Sam Phillips überzeugt war und Potenzial in dem Musiker erkannte, wurde die Session aufgezeichnet. Sam war zudem noch Fan der Musik und nicht lediglich Geschäftsmann wie die meisten seiner Konkurrenten. Eben dies führte dann auch häufig zu Fehlschlägen, von denen er sich aber nicht entmutigen ließ.
Und noch am selben Abend der Aufnahme dieser ersten Single von Elvis Presley wusste Sam Philips, was er da in den Händen hielt. Freudig erregt rief er seine Frau Becky an; er hätte gerade die Platte aufgenommen, die „ihr Leben verändern würde“.Ich denke, dass kann man so stehen lassen. Klingt besser als „Erfinder des Rock `n`Roll.“
Schon am nächsten Abend spielte ein total begeisterter Dewey Phillips die Platte in seiner Show beim (weißen) Radiosender WHBQ in Memphis. Er spielte die Platte rauf und runter und erhielt erstaunlich viele Anrufe und Zuschriften. „That`s Alright“ kam zwar nicht in die nationalen Charts, verkaufte sich aber 20.000 mal und belegte Platz 4 der lokalen Charts in Memphis.
Dennoch sprach sich das Phänomen Elvis Presley über die Region Memphis hinaus schnell herum und seine Auftritte waren stark frequentiert. Seine laszive Ausstrahlung ließ die weiblichen Zuhörerinnen aufschreien und/oder in Ohnmacht fallen. Die Jungens eiferten ihm hinterher und die Tolle wurde zum Muss für jeden jungen Mann, der ein Mädchen aufreißen wollte. Auch James Dean und Marlon Brando griffen dies in ihren Filmen auf.
Trotz weiterer herausragender Singles wie „Good Rockin`Tonight“ oder „Mystery Train“ verkauften sich die Singles nicht wirklich gut. Erst als sich Elvis mit dem Manager Colonel Parker einließ, stellte sich der aberwitzige Erfolg ein. Nicht ganz uneigennützig vermarktete Parker seinen Schützling.
Zuerst eiste er Elvis von seinem Vertrag bei Sun Records los, um bei der großen RCA richtig abzusahnen. Hier konnte Elvis ganz anders gefördert werden und erreichte auch schnell Millionenumsätze und wurde zu einem weltweiten Phänomen. Dennoch blieb Elvis der Familie Philips privat weiterhin freundschaftlich verbunden und tauchte in den nächsten Jahren immer mal wieder überraschend im Haus der Familie auf.
Als Elvis 1955 noch die letzten Aufnahmen für Sun einspielte, hatte Sam Philips mit Johnny Cash und Carl Perkins schon Nachfolger für seinen Star entdeckt. Die kreischenden Teenager bei den Auftritten von Elvis im Südosten der USA blieben nicht ohne Folgen. Mehr und mehr junge Musiker begaben sich zu Sam Phillips und versuchten ihr Glück.
Denn was in der Geschichte der Rockmusik mit der Zeit in den Hintergrund rückte, war die Wirkung der Modefigur Elvis Presley: Seine Tolle, schwarze Lederjacke und am besten noch eine hautenge Lederhose verfehlten ihre Wirkung auf das jugendliche Publikum nicht. Diese überwiegend weißen Jugendlichen mussten nicht mehr in den Krieg (Korea war vorbei) und begehrten gegen die prüde Nachkriegsära auf.
Da kam dieser hübsche junge Mann, der auf der Bühne gern auch mal sein Becken lasziv kreisen ließ, gerade zur richtigen Zeit. Hinzu kam die ungewohnte Rauheit und vor allem das Tempo dieses neuen Musikstils, der offensichtlich stark an „Negermusik“ erinnerte. Für die Kriegs- und Elterngeneration kamen Künstler wie Elvis direkt aus dem Dschungel.
Ich denke, dass Sam Phillips, der ja selber ein „Mösenfröhlich“ (O-Ton vom Langen) gewesen war, nicht nur auf diesen neuen Sound abfuhr, sondern ziemlich schnell merkte, dass er mehr Platten seiner Künstler verkaufen konnte, wenn er auch die Erscheinung bzw. den Körper des Musikers in den Vordergrund rückte.

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