Samstag, 13. Februar 2021

Sam Phillips 2/8

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Trotz dieses Flops sollte sich in den nächsten Jahren die Freundschaft zwischen dem eher nüchtern agierenden Sam und dem sämtlichen Räuschen zugeneigten Dewey für beide auszahlen. Dewey spielte jahrelang in seiner nicht nur lokal beliebten Show die von Sam produzierten Scheiben und zog damit die Talente für Sun Records an, die sich in der 706 Union Avenue die Klinke in die Hand gaben.
Doch bevor Sam Phillips Sun Records am 27. März 1952 Sun Records in den Räumen des Memphis Record Service gründete, produzierte er ausschließlich für andere Labels. Später bekannte wie unterschiedliche Künstler wie B:B: King oder Slim Rhodes schätzten die familiäre Atmosphäre in der Union Avenue und ließen hier ihre Sessions von Sam Phillips abmischen. Hauptsächlich produzierte er jedoch für Chess Records in Chikago.
Womit wir bei Jackie Brenston and his Delta Cats wären. Das am 3. oder 5. März 1951 aufgenommene „Rocket 88“ war dank eines Schadens am Gitarrenverstärker ein früher Erfolg der Studioarbeit von Sam Phillips. Der Song selbst wurde wohl vom eigentlichen Bandleader Ike Turner geschrieben, welcher Sam Phillips von B.B. King empfohlen wurde.
Turners Band quetschte sich mit 5 Leuten und ihrem Equipment in ihre alte Karre. Sie fuhren in Richtung Memphis, nachdem sie von Phillips den erlösenden Anruf zum Studiotermin erhalten hatten. Auf dem Weg löste sich wohl der Röhrenverstärker vom Dach, wodurch die Membran einen Riss bekam.
Warum auch immer... Sam Phillips hatte die Idee, die Membran notdürftig mit Packpapier zu flicken. Dank des dadurch entstandenen Sounds gilt „Rocket 88“ heute als erste Aufnahme mit einer verzerrten Gitarre und damit des Rock `n`Roll überhaupt. Dieser eher zufällig entstandene Sound wurde später zum Vorbild der Fuzz Guitar.
Sam Phillips überzeugte Ike Turner im Studio davon, dass der Tenorsaxofonist Brenston anstatt seiner den Gesangspart übernahm. Das damals ungewohnt raue Saxofon des 17jährigen Raymond Hill sowie Turners Klavier im Hintergrund trugen mit zum Kultstatus dieser Aufnahme bei. Sam Phillips kaufte der Band die Rechte ab und lizensierte Chess Records mit der Veröffentlichung des Titels. „Rocket 88“ hielt sich im Sommer 1951 über einen Monat lang auf Platz 1 der nationalen Rhythm & Blues Charts.
Am Mischpult

Über den Erfolg zerbrach die Band, weil sich Turner aufgrund der Namensfixierung auf Brenston übervorteilt sah. Da hatte der finanziell ständig klamme Sam Phillips bereits seinen nächsten Schützling gefunden. Howlin Wolf verzauberte Phillips mit seiner düsteren Erscheinung und mit „Moanin`at Midnight“ erreichte dessen erste Single gleich Platz 10 in den Rhythm & Blues Charts. Bis 1953 konnte Phillips Howlin Wolf bei seinem kurz zuvor gegründeten Sun Label halten, dann ging Howlin Wolf endgültig zu Chess nach Chikago.
Howlin Wolf fand ebenfalls über B B King seinen Weg zu Sun und war der Künstler, welcher Sam Philips am meisten beeindrucken konnte. Seine eher zurückhaltende Art legte er erst im Studio in der Union Avenue ab, wenn er sich mit seiner Gitarre und den düsteren Texten in eine Intensität hinein steigerte, die Sam Philips von seinen Künstlern sehen wollte.
Erwähnenswert aus dieser Frühzeit des Labels ist noch eine Doo Wop Gruppe. Die Prisonaires nannten sich so, weil sie sich genau dort befanden: Im Tennesee State Penitentiary in Nashville. Für ihren Hit aus dem Jahr 1953 „Just walkin`in the Rain“ wurden sie von bewaffneten Wächtern zur Aufnahme in das Sun Studio gefahren.
Ebenfalls 1953 verzeichnete das Label Sun Records mit „Bear Cat“ von Rufus Thomas einen ersten Hit, der es am 28. März 1953 bis auf Platz 3 der Rhythm `n`Blues Charts im Billboard schaffte. Der spätere Soul Star auf dem Stax Label spielte lediglich zwei Singles für Sun ein. „Bear Cat“ war eigentlich eine Persiflage auf Big Mama Thornton`s „Hound Dog“. Sam Philips hatte hier den richtigen Riecher und konnte sich an den Erfolg der großen alten Bluesdame anhängen.
Neben den Prisonaires hatte er mit Little Milton, Billy (the Kid) Emerson oder Doctor Ross noch weitere gute und später bekannte schwarzer Musiker unter Vertrag. Weiße Künstler wie Hardrock Gunther oder Doug Poindexter waren da eher die Ausnahme. Doug Poindexter ist überhaupt nur erwähnenswert, weil in seiner Begleitband „the Starlite Wranglers“ Scotty Moore (Guitar) und Bill Black (Bass) spielten.
Sam Phillips wartete schon seit der Gründung des Memphis Record Service auf den Musiker, der den Blues der Schwarzen mit dem Hillbilly der Weißen verbinden würde. Er hatte keine Vorstellung davon, wie das genau klingen sollte. Er hatte einfach nur dieses Bauchgefühl. Bei all den Problemen zwischen Schwarzen und Weißen war er davon überzeugt, Milliardär zu werden, wenn er nur den Weißen finden würde, der das Feeling der "schwarzen" Musik dem zahlungskräftigen weißen Publikum schmackhaft machen könnte.
Im Juni 1953 kam dieser schüchterne junge Mann zum Memphis Recording Service, um von seinem ersten Verdienst bei einem Maschinenreparaturservice (LKW Fahrer wurde er erst Ende desselben Jahres) eine Single für seine Mutter aufzunehmen. Ein Original dieser Pressung von „My Happiness / That`s when Your Heartache begins“ erzielte anlässlich einer Auktion im Jahr 2015 einen Preis von 300.000 Dollar.
Bis zu ihrem Tod 1988 blieb Marion Keisker bei der Darstellung, dass sie diese beiden Songs in Abwesenheit von Sam Philips aufgenommen hätte. Laut Sam Philips jedoch hatte er diese Session selbst abgemischt. Er gestand aber Marion Keisker zu, dass er sich den Namen Elvis Presley nur dank des Zuspruchs von ihr fortan gemerkt hatte.
Und am 26. Juni 1954 kam dann Elvis Presley ins Studio, nachdem Marion Keisker ein Jahr lang auf Sam Philips eingeredet hatte, dass er mit Elvis arbeiten sollte. Und da Philips mit Sun Records gerade stagnierte, entschloss er sich, es mit Elvis zu versuchen. In dieser ersten „richtigen“ Session stellte er Elvis lediglich Scotty Moore und Bill Black an die Seite.

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