Dienstag, 23. Februar 2021

Hartmudo: Mutter

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Sunnys Beleidigungen nach unserem Besuch bei der Nord/LB waren mir keine weiteren Gedanken wert, zumal ich mich ziemlich schnell auf Berta konzentrierte. Berta nahmen diese hasserfüllten Beleidigungen durch Berta sichtlich mit. Auf dem Weg zum Auto weinte sie hemmungslos.
Sanft streichelte ich ihren Arm, um sie zu trösten. Doch Berta war viel zu sehr verletzt, als dass sie meine Geste überhaupt mitbekommen hätte. Dass sie von Sunny als Lügnerin hingestellt wurde, war sicherlich zu viel für Berta. Doch zum Glück enthielt sie sich jetzt jeglichen Kommentars.
Falls sie sich umgedreht und Sunny ihrerseits angegangen hätte, wäre höchstens für die nicht vorhandenen Passanten (zum Glück) interessant gewesen. Ich glaube, dann wären die Fäuste geflogen. So aber gingen Berta und ich stumm weiter, begleitet nur von der immer leiser werdenden Stimme von Sunny, während Bertas Heulen und Schluchzen immer lauter wurde. Der DJ nennt dies wohl Fading.
Bud wartete auf dem Polizeiparkplatz auf uns. Er brauchte uns nicht zu fragen, wie es gelaufen war. Bertas Tränen waren redsam genug. Bud atmete lediglich tief durch, murmelte etwas davon, dass es jetzt endlich vorbei wäre, und fuhr los. Nach Lehndorf, wo meine Löwin bereits auf uns wartete.
Bud wie Berta nahmen meine Einladung zum Kaffee gerne an. Bei Berta und mir bestand jetzt absoluter Redebedarf; im Auto waren wir noch in einer Schockstarre gefangen ob des Theaters, welches Sunny nach der Bank im Einkaufszentrum entfacht hatte. Vor allem Berta, die am Boden zerstört war, konnte ich nach dieser Aktion nicht einfach so nach Hause fahren lassen.
Denn ihre größte Angst bestand darin, dass auch noch der Rest der Familie, also wir beide, im Streit auseinander gehen würden. Dies erwähnte sie im Auto wohl auch ausdrücklich. Derartige Befürchtungen waren zwar grundlos, doch ich konnte dies nicht lediglich durch Beteuerungen der Treue meinerseits bekunden.
Hinzu kam, dass nach diesem missglückten Nachmittag keine Notwendigkeit mehr bestand, sich weiter mit Sunny Auge in Auge auseinanderzusetzen. So pervers es sich anhört: Dies war eher ein Grund zu feiern als zu trauern. Wir brauchten einen sichtbaren Abschluss. Einen, der den Schlusspunkt setzte und uns wieder positiv in die Zukunft blicken ließ. Was gibt es da besseres als eine Tasse Kaffee?
Meine Löwin sah Berta nur kurz an und nahm sie dann sofort in den Arm. Ohne das sie wusste, was überhaupt vorgefallen war, erkannte sie an Bertas tränenreichen Augen, dass es am Nachmittag mal wieder heftig abgegangen war. Natürlich wollte sie auch über das Geschehen informiert werden. Da war selbst sie neugierig; Bei Streitigkeiten in der Familie nimmt sie grundsätzlich Anteil, zumal sie selbst mit betroffen war.
Nachdem wir alle am Esszimmertisch Platz genommen und Kaffee bzw. Tee nebst Keksen vor uns stehen hatten, begannen Berta und ich mit der Schilderung des Vorfalls. Unter Tränen brach es dann bei Berta durch. Dass Sunny sie als Lügnerin hingestellt hatte, war für sie besonders verletzend. Sie wertete dies als einen weiteren Versuch von Sunny, einen Keil zwischen mir und Berta zu treiben.
Schließlich sei es schon immer Sunny gewesen, die gelogen und Berta bereits in der Kindheit unterdrückt hätte. Und immer wieder äußerte sie ihre größte Sorge, dass der Kontakt zu mir und meiner Löwin wegen dieser ganzen Erbschaftsstreitigkeiten und den Intrigen seitens Sunny abbrechen könnte.
Da wäre für sie garantiert die Welt zusammengebrochen; das hätte sie bestimmt nicht verkraften können. Meine Löwin und ich waren über den heftigen Schwall an Gefühlen, die aus Berta hervorbrachen, sehr berührt und versuchten sofort, Bertas Ängste zu zerstreuen. Vehement versicherten wir Bud und Berta, dass sich an unserem Verhältnis zueinander nichts ändern würde. Berta brauchte von uns in dieser Situation ein klares Bekenntnis zu ihr und die Sicherheit, dass wir die ganze Angelegenheit ohne Schaden an unserem zukünftigen Umgang miteinander überstehen würden.
Für meine Löwin und mich stand dies eh nicht zur Debatte. Und so nach und nach konnten meine Löwin und ich dazu übergehen, Berta mit Buds Hilfe etwas aufzubauen. Ein Scherz hier, ein Scherz da - ganz langsam ging es Berta besser. Nach kurzer Zeit konnten wir zusammen wieder etwas lachen und entspannten uns.
Da stand der Obstler bereits auf den Tisch; Berta flössten wir zur Beruhigung den einen oder anderen ein. Auch hierbei ließ ich meine Sestra nicht im Stich, daneben nagelte ich schnell mal fünf Gin Tonic weg. Und während sich die Stimmung beruhigte und drohte, ins Positive umzukippen, wollte ich kurz auf mein Smartphone schauen und sehen, ob Sunny nicht noch eine ätzende Whatsapp abgesondert hatte.
Mein Smartphone? Wo war mein Smartphone? Es war weg. Wie ein Hammerschlag durchfuhr mich der Schock, auf einmal wurde mir ganz heiß. Wie weggewischt waren die erleichterten Gedanken der letzten Minuten, weil wir uns ausgesprochen hatten und uns jetzt bewusst wurde, dass all der Ärger der letzten Monate zu Ende gegangen war.
Sofort brach meine Paranoia wieder durch. Und sie ist stark in unserer Familie, die Paranoia. Sunny! Sunny musste mir das Smartphone weggenommen haben, als ich es auf dem Schreibtisch von Frau Peters liegen gelassen hatte, weil ich zum Geldautomaten gerannt war und die Kohle abgehoben hatte.
Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr steigerte ich mich in die Paranoia hinein. Auf meinem Smartphone war ja auch mein Adressbuch drauf. Da hätte Sunny leicht an Harald über mein Smartphone eine fiese Nachricht - in meinem Namen - senden können. Am folgenden Sonntag wollten meine Löwin und ich mit Harald und seiner Freundin Maria ins Eintracht Stadion gehen; Karten hatte ich schon.
Ich bildete mir doch tatsächlich ein, dass Sunny mich über eine Whatsapp Nachricht bei Harald madig machen würde. Dazu noch die anderen Adressen. Zu meinen Kollegen, meinen Freunden. Mein Puls ging höher und die Vernunft sank in den Keller.
Die vielen Kinder, die per Facebook von ihren Mitschülern gemobbt worden waren, fielen mir ein. Das derartige Mails, von Sunny mit meinem Smartphone abgesendet, trotz des ganzen Stresses ein absolut schwachsinniger Gedanke war, kam mir nicht in den Sinn. Solch schräge Gedanken sind meiner Familie nicht fremd. Ob Mutter, Sunny oder auch Berta: Unter Stress tendieren wir alle zu solchen Fehleinschätzungen.

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