Donnerstag, 23. April 2020

Hartmudo: Mutter

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Natürlich rief mich Sunny wegen ihres Gespräches mit dem Makler nicht zurück, obwohl sie es versprochen hatte. Ein weiteres Anzeichen für Bertas Vermutung, dass Sunny das Konto bereits vor dem Telefonat mit mir dicht gemacht hatte. Obwohl, eigentlich nicht. Sunny konnte sich aber ausrechnen, dass ich auch sehr sauer war und mitgekriegt hatte, dass sie Mutters Konto sperren ließ.
Ich meinerseits war entsetzt über Sunny, weil sie mich in ihrer Paranoia wie ein wildfremdes Arschloch behandelte, den man einfach mal so belügt. Wie abgrundtief kann man sinken, um den eigenen Bruder so vorzuführen? Wenn die Achtung voreinander derart sinkt, dann ist eine Versöhnung auch nicht mehr vorstellbar. Irgendeinen Grund braucht es bei einer Trennung ja immer.
So unschuldig war ich selbst daran natürlich auch nicht, niemand sollte seine eigene Schwester als „Fotze" titulieren dürfen, doch ich hatte es getan. Insofern ist das dann doch wieder o.k., wenn Sunny daraufhin jegliche Rücksichtnahme mir gegenüber vermissen ließ. Ich hatte mich zwar sofort nach dem Ausspruch bei ihr binnen Sekunden entschuldigt gehabt, aber eine derart schwere Beleidigung lässt sich nicht einfach mit einem „tut mir leid, das nehme ich zurück. Das gehört sich nicht" aus der Welt schaffen.
Am frühen Samstag Abend rief mich Berta zuhause an. Ihr hatte die Sperrung von Mutters Konto durch Sunny doch sichtlich zugesetzt. Zwei Nächte lang konnte Berta nachts nicht schlafen und lief rastlos durchs Haus. Sie konnte diese erneute Kränkung durch Sunny nicht verwinden und musste ihren Frust jetzt endlich los werden.
Berta hatte ihre Vermutungen über die Kontenschließung sicherlich mehrmals im Geiste durchgekaut. Dass war ihren Ausführungen deutlich anzumerken, da sie (fast) in der Art eines Hercule Poirot argumentierte. Diese Art von Grübeln ist mir selbstverständlich nicht fremd; schließlich ist Berta meine Sestra.
Nach Bertas Ansicht konnte es nur so abgelaufen sein, dass Sunny das Konto vor ihrem Anruf bei mir sperren ließ. Da die Bank im Heidberg am Mittwoch Nachmittag traditionell geschlossen ist, hätte sie also nur noch am Donnerstag Morgen zur Bank gefahren sein können, falls Sunny erst nach dem Telefonat mit mir aktiv geworden wäre.
Doch eben dies schloss Berta kategorisch aus. Denn Sunny jobbt bekanntlich Vormittags beim Bauern und hätte somit erst danach in den Heidberg fahren können. Und da wäre Berta auch schon bei der Bank gewesen. Hinzu kommt, dass sich bei der Bank die Mitarbeiter nur noch erinnern konnten, dass Sunny die Sperrung an eben jenem Mittwoch ausgelöst hatte, vielleicht schon am Dienstag. Berta konnte keine konkretere Aussage erhalten.
Verwirrend, oder? Mittwochs müsste Sunny ja auch beim Bauern gejobbt haben, da passt das also nicht... Doch halt - sie hat dann eben nicht gearbeitet oder später, so Berta (Warum dann nicht auch am Donnerstag, frage ich mich). Damit wären wir bei Mittwoch früh mit Sunny's Besuch im Heidberg und am gleichen Vormittag erfolgte dann ihr Telefonat mit mir. Eventuell ist sie aber auch schon Dienstag Nachmittag zur Kontensperrung in den Heidberg gefahren. Dann hätte sie ihre Arbeit auch noch an beiden Vormittagen ausführen können.
Abermals versuchte ich Berta zu beschwichtigen, indem ich ihr sagte, dass es zwecklos ist, sich im Nachhinein darüber aufzuregen. Im Endeffekt bleibt es beim gleichen Ergebnis: Berta konnte ab jetzt nur noch gemeinsam mit Sunny bei der Bank auflaufen, um Kontoauszüge zu erhalten oder auch nur Rechnungen bezahlen zu können. Und Berta hatte schlichtweg Angst, dass sie Sunny gegenüber handgreiflich werden würde, wenn sie sich zusammen dort treffen müssten.
Jetzt wunderte ich mich nicht, dass Berta zwei Nächte lang durch ihr Haus lief, weil sich ihre Gedanken im Kreis drehten und die erlittene Kränkung durch Sunny alles überstrahlte. Natürlich war es mir auch wichtig, ob Sunny Mutters Konto vor oder nach unserem Telefonat blockiert hatte. Aber in dem Moment - also beim Telefonat mit Berta drei Tage später - konnte es nur noch um folgendes gehen: Wie gehen wir mit diesem Ergebnis um?
Wenigstens konnten Berta und ich uns noch über die weitere Vorgehensweise verständigen, nachdem der erste Frust abgearbeitet worden war. Es standen auf alle Fälle noch die Rechnungen des Steuerberaters und evtl. vom Finanzamt wegen einer Steuernachzahlung an. Über den Makler und BS Energy dachten wir da noch nicht einmal nach. Berta konnte sich partout nicht vorstellen, sich deshalb mit Sunny bei der Bank zu treffen. Sie befürchtete sogar, dass die Schikane durch Sunny so weit gehen könnte, dass Sunny aus purem Gnatz den Termin so legen würde, dass Berta dann „springen" müsste. Am Ende würde vielleicht sogar gar nichts passieren, Berta war sichtlich besorgt.
Da hatte ich die rettende Idee. Berta könnte doch versuchen, den Adressaten für die Rechnungen vom Finanzamt oder Steuerberater von sich auf Sunny ändern zu lassen. Dann hätte Sunny die A...Karte und müsste aktiv werden und uns informieren, nicht umgekehrt. Den ganzen „Schriftkram" hatte Sunny bislang ignoriert und Berta sämtliche Arbeiten und Laufereien erledigen lassen. So würde Sunny endlich mal erleben, wie das ist.
Berta war sofort hellauf begeistert und wollte dies so einrichten lassen. Letztendlich, ich nehme das hier mal vorweg, funktionierte es hinterher noch anders, da sich das Finanzamt und auch der Steuerberater weigerten, hierbei mitzuspielen. Meine Löwin, genial wie sie ist, hatte den rettenden Einfall. Berta und ich zahlten jeweils unseren Anteil und schickten die Rechnungen zu Sunny, die ihrerseits den Rest zahlen musste. Alles von unseren privaten Konten unter Nennung unserer Namen, anders ging es ja nicht.
Das Konto war dicht, da ging nichts mehr. Wegen dieser ganzen Aktion war ich mittlerweile auch wie Berta der Überzeugung, dass wir zuerst sämtliche Rechnungen bezahlen sollten, bevor wir irgendwelche Beträge von Mutters Konto unter uns aufteilen. Zu dem Zeitpunkt hatten wir ja noch nicht mal einen Käufer für Mutters Wohnung gehabt und die Kosten liefen bei der Hausverwaltung ebenfalls weiter. Hausgeld, BS Energy... Da hätten wir ansonsten auch noch stückeln müssen.
Zum Abschluss waren Berta und ich uns einig, dass wir Sunny nicht zurückrufen würden. Sollte sie sich doch selber melden.

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