Freitag, 20. September 2019

Hartmudo: Vitalium


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Eine Dreiviertelstunde lang quälten wir uns diesen Hang hinauf und standen endlich vor dem Bismarkturm. Die letzten paar Schritte schafften wir auch noch. Die ersten Gebäude, die wir erreichten, waren natürlich die Toiletten. Wir wunderten uns... Draußen, nicht drinnen? Wir gingen weiter, erst einmal am Gasthof vorbei, um auf einem kleinen Plateau von oben auf Bad Lauterberg hinab sehen zu können. Wir hatten einen herrlichen Blick auf die Odertalsperre hinunter.
Blick auf die Odertalsperre

Zwei bis drei Minuten ließen wir das auf uns wirken, danach gingen wir in den Gasthof hinein. In dem mit dunklem Holz ausstaffierten Gastraum waren nur zwei Tische belegt, an einem saß das Gastwirts Ehepaar. Normalerweise hätte ich ein Bier bestellt, doch an diesem Tag war es selbstverständlich anders. Meine Löwin und ich bestellten ayurvedischen Tee. Orange Ingwer, der geht immer. Patti begnügte sich mit einem stillen Wasser, Cooper ebenso.
Ich konnte einen schönen Platz am Fenster ergattern. Als ich dort aus dem Fenster hinaus späte, konnte ich draußen ein sehr schönes Vogelhäuschen erspähen, direkt am Fenster. Blaumeise, Rotkehlchen und Dompfaff gab sich ein Stelldichein und pickten an den ausgelegten Körnern und am Meisenknödel herum. Das war so schön, dass ich ein Foto davon schießen musste und es Pocke per WhatsApp direkt zuschickte. Wir waren froh, die schwere Strecke geschafft zu haben und unterhielten uns in ausgelassener Stimmung.
In meinen Gedanken war ich hoch erfreut, dass ich trotz des ganzen Fastens die extreme Steigung geschafft hatte. Meiner Löwin und Patti wird es wohl ähnlich gegangen sein, Cooper sagte wie üblich nichts dazu. Nach dieser Stärkung bezahlte ich und wir machten uns auf den Rückweg, nicht ohne nach dem besten Weg zu fragen. Denn meine Löwin konnte nicht denselben Weg zurückgehen, da sie um ihr Knie Angst hatte. Berg runter ist für ein Knie schlimmer, besonders, wenn es auch so schon angeschlagen ist. Nach der Verabschiedung von den Gastwirten gingen wir alle draußen noch einmal auf die Toilette. Cooper ging natürlich nicht dorthin.
Als ich da so in der Arschkälte stand, war ich froh, jetzt nicht dort sitzen zu müssen. Die Mädels konnte ich da nur bedauern. Nachdem wir den Parkplatz verlassen hatten, trennten sich unsere Wege. Patti ging mit Cooper denselben Weg zurück, meine Löwin und ich nahmen die Wirtschaftsstraße, die zum Gasthof führte, um nach Bad Lauterberg zurückzukehren. Diese Straße verlief relativ flach.
Auf den Weg machten wir Pläne für die Zeit nach dem Heilfasten. Wir wollten dies bezüglich am Ball bleiben und unsere Ernährung auf die gesunde Schiene weiter umstellen. Jessica hatte sich zwischendurch noch schnell gemeldet, am Sonntag sollten wir zu ihr und Danny kommen. Dora und Herbert waren so frei,sich bei ihnen anzukündigen, um Jela, unser gerade geborenes Enkelkind, zu sehen. Danny und Jessica kennen die beiden nicht so gut, da sollten wir Sie unterstützen.
Unser Plan für die Zeit nach dem Fasten sah wie folgt aus: Meine Löwin und ich würden zu Hause mit dem Heilfasten noch eine ganze Woche weitermachen. Die beste Ehefrau von allen war total begeistert, dass sie während der Kur nicht mehr die ganzen Tabletten nehmen musste, selbst auf das Insulin konnte sie verzichten. Dank ihres Sensors konnte sie es überprüfen. Die Zuckerwerte waren seit Beginn dieser Kur ständig im grünen Bereich - und das ohne Tabletten und Injektionen.
In jener Folgewoche wollten wir morgens Säfte mit zur Arbeit nehmen. Für mich sollte das bis zum Abend reichen, da wollten wir zusammen Gemüsebrühe trinken. Nach der dann zweiten Woche ohne feste Nahrung sollte es zum Ausfasten mittags Salat geben, welchen wir am Abend vorher zubereiten würden. Danach wollte ich auf der Arbeit immer morgens mein Hafermüsli genießen. Den kleinen Hunger zwischendurch könnte ich mit Nüsschen versüßen, Scheiß-egal, was Frau Wacker dazu sagt.
Witzigerweise gingen wir denselben Weg nach Bad Lauterberg zurück, den ich 3 Tage zuvor mit Pocke und Patti ein Stück weit gegangen war. In Bad Lauterberg angekommen, wanderten meine Löwin und ich noch zu Rossmann in die Fußgängerzone weiter, kauften dort hochmotiviert Gemüsebrühe und Heilerde für die Woche zu Hause. Mühsam kämpften wir uns danach den Hügel hinauf, betraten nach den letzten 48 Stufen endlich das Vitalium.
Meine Güte, mein Pullover war vollkommen durchgeschwitzt. Kaputt und müde setzten wir uns im Eingangsbereich auf die Bank und tranken Gurken- bzw Zitronenwasser. Wir hatten gerade noch Zeit, unsere Jacken aufs Zimmer zu bringen, danach war es bereits Zeit für das Abendessen. Pocke und Patti kamen auch gleich hinzu. Es gab wieder Gemüsesaft und Excelsior Suppe, dazu natürlich den üblichen Tee und Orangenspalten. Meine Löwen war so freundlich, Patti eine Orangenspalte zu überlassen, weil Patti darauf Appetit hatte. Bereits kurz nach dem Bismarkturm hatte Patti meine Löwin per WhatsApp gefragt, ob wir aus der Stadt eine Orange mitbringen könnten. Doch leider hatten wir diese Nachricht nicht gelesen, so dass Patti auf ihre Orange verzichten musste.
Ab halb Sieben gingen Patti und Pocke in die Sauna. Derweil gingen meine Löwin und ich in den Aufenthaltsraum zum Take Five. Nach nur einer Partie, welche ich auch noch verloren hatte, wurde es Zeit für den Vortrag des Doktors über Basen und Säuren. Der Beginn war um 19:45 Uhr angesetzt. Der Saal war richtig voll, das Interesse offenbar groß. Pocke zeigte sich auch interessiert, nur Patti blieb zum Stricken im Appartement.
Ausführlich schilderte der Doktor das Leben und Wirken von Sebastian Kneipp, ehe er in den letzten 20 von 60 Minuten zur Basen- und Säurenernährung überschwenkte. Auf Pockes Frage, wie genau die Säuren den Körper schaden würden, blieb der Doktor eine genaue Antwort schuldig und flüchtete sich ins Allgemeine. Nicht allein deshalb verließen wir den Saal mit gemischten Gefühlen.
Hinterher beim Kartenspielen (11 nimmt) erklärte Pocke den Grund seiner Frage näher. Auch die Eskimos oder die Asiaten sind für gesunde Ernährung berühmt, essen aber vor allem säurelastig. Fisch und Reis sind doch eigentlich auch gesunde Lebensmittel. Meine Löwin meinte hierzu, dass sich der Doktor im Vortrag auf verarbeitete Lebensmittel bezog. Beide waren sich jedoch einig, dass sein Vortrag nicht so toll war, so do I.
Wir spielten schnell unsere 2 Runden 11 nimmt, dann zogen wir uns in unsere jeweiligen Refugien zurück. Immerhin war es bereits 22.30 Uhr - die Frau mit den Wickeln erschien bekanntlich früh. Selbstverständlich brachte ich zuerst meine Löwin ins Bett, bevor ich mich selbst hinlegte.
Wir unterhielten uns noch ausgiebig über das Basenbuch, denn nach kurzem Blättern in jenem Buch wurde ich richtiggehend sauer. Adressat meines Unmuts war Frau Wacker, die Autorin dieses Machwerks und „Päpstin“ des Basenfastens. Das man den nach der Schulmedizin gesunden Knoblauch meiden soll, obwohl er in einigen unabhängigen Listen an Lebensmitteln als basisch aufgeführt ist, hatte mich bereits am vorigen Abend genervt.
Jetzt musste ich sogar noch lesen, dass Hirse als Getreide sauer sein soll, Buchweizen dagegen nicht. Das verstehe wer will. Dann empfiehlt Frau Wacker gar noch Trockenfrüchte als „gesunden“ Snack zwischendurch im Büro; das ist doch Zucker pur! Da passt es sich, dass im Glas eingelegte Oliven mit Knoblauch und Essig selbstverständlich zu vermeiden sind. Dillgurken im Glas dagegen sind wieder in Ordnung. Auch die sind sauer eingelegt - o.k. milchsauer vergoren, sagte meine Löwin. Trotzdem Schwachsinn!
Da hinter Frau Wacker merkwürdigerweise auch noch eine Reformhauskette gleichen Namens steht, war der Drops für mich gelutscht. Meine Löwin pflichtete mir bei und begab sich zur Ruhe. Hey, wir hatten an diesem Abend sogar einmal die Glotze ausgelassen! Ich huschte in mein Zimmer, las noch ein paar Seiten in meinem Buch und knipste kurz vor Mitternacht das Licht aus.

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