Sonntag, 8. September 2019

H. Lecter: Alf


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Es gibt noch ein weiteres Etablissement in El Arenal, welches wir bei unseren jährlichen Besuchen auf Malle aufgesucht hatten. Ich meine den grünen Esel. Oder hieß es doch grüner Kaktus? Nein – es war die grüne Eule! Jedenfalls landeten wir dort eines Abends mehr aus Zufall heraus. Nachdem wir nämlich bei unserem ersten Malle Aufenthalt zunächst die Balnearios (Ballermänner) am Strand der Reihe nach abgegangen waren, stellten wir schnell fest, dass nur zwischen den Balnearios 5 bis 7 der Bär steppte.
Ab Balneario 8 wurde es ruhiger, danach herrschte quasi Totentanz. Ich denke, dass dort allerhöchstens in der Hauptsaison ein wenig Stimmung einkehrte. Das war dann aber auch eher schon eine Ecke von Arenal, in der die Holländer oder Engländer anzutreffen waren. Dort ging es sichtlich gemächlicher zu, bedient wurden wir trotzdem. Ich kann mich dunkel noch an eine Bar im englischen Teil hinter der Strandpromenade erinnern, in der wir nach langem Fußmarsch und daher halb verdurstet eingekehrt waren.
Alf war hier schon weit vorangeschritten und verhielt sich auffallend still; Ein sicheres Anzeichen dafür, dass er nicht mehr viel Mischungen brauchte. Den Rückweg an der Strandpromenade entlang schaffte er dennoch ohne Hilfe. Die Anstrengung dieses Spaziergangs tat ihm sichtbar gut.
Mittlerweile waren wir wieder im deutschen Viertel angekommen und überraschenderweise durstig. Da traf es sich gut, dass wir zwischen all den Bars und Mercados (Supermärkte) einen Stichweg ins Landesinnere entdeckten, in dem – fast versteckt – ein deutsches Lokal schlummerte, in dem man Samstag Nachmittags Bundesliga live sehen konnte. Dazu wurden auch Schnitzel mit Pommes gereicht. Yes, wir waren bei „Marlies und Klaus“ gelandet.
In diesem von einem älteren deutschen Ehepaar geführten Lokal ging es gesittet zu, also ganz nach unserem Geschmack. Es gab deutsches Bier und deutsches Essen. Auf den Außenplätzen (Innen waren wir nur zum Pieseln) standen Blümchen auf schönen Platzdeckchen. Eine dunkle Holzvertäfelung gehörte ebenso dazu wie die rustikale Bierzeltgarnitur. Das freundliche Wirtsehepaar ließ bei uns dank des trockenen Humors heimatliche Gefühle aufkommen. Kurz gesagt, hatten wir eine typisch deutsche Eckkneipe gefunden.
Und im selben Gebäude, kurz hinter „Marlies und Klaus“, da ging eine Treppe in den Keller runter. Über der Treppe hing ein Schild, auf dem stand: „El Buho Verde“. Ja was könnte das denn bedeuten? Genau, wir reden hier über die grüne Eule. Darunter stand, etwas kleiner, „Oben Ohne“ – für jeden Deutschen gut verständlich.
Ich bin immer noch der Meinung, dass es noch hell war, als wir die Treppe in dieses Etablissement hinuntergingen. Unten standen wir dann in einem größeren Raum, der von der mitten in den Raum ragenden Theke dominiert wurde. Dominierend war auch der auf den Sitzpolstern und Vorhängen zu mehreren gemütlichen Nischen vorherrschende dunkelrote Plüsch. Wir waren auch nicht die ersten Gäste.
Vor uns waren bereits einige adrett gekleidete junge Damen anwesend. Ihre Freunde, sämtlich kräftig gebaut und an den Armen tätowiert, standen diskret an der Seite herum. Die Damen hatten Durst und wollten etwas Sekt trinken. Offenbar waren ihre Freunde nicht bereit oder in der Lage, ihnen einen Sekt auszugeben. Da nahmen die Mädchen all ihren Mut zusammen und fragten die deutschen Touristen – also uns, ob wir nicht bereit wären, mit ihnen ein Gläschen Sekt – gern auch Flasche in einer der Nischen – zu trinken.
Höflich wie wir nun mal waren, tranken wir mit den Mädchen den erbetenen Sekt. Ein Gläschen, wohlgemerkt. Bis auf Alf, denn der begab sich mit einer jungen Dame in eine der Nischen mit einer ganzen Flasche. Jedenfalls sind wir nach dem Sekt – draußen war es schon dunkel – nicht zusammen ins Hotel gegangen. Also wir Jungens jetzt.
Die Lady, der ich das Glas Sekt ausgegeben hatte, kam aus Tschechien oder Polen, war damals ja noch Ostblock. Ob sie zum Studieren auf Mallorca verweilte oder irgendeiner anderen Tätigkeit nachging, weiß ich gar nicht mehr. Ich gewann den Eindruck, dass sie sich einfach nur etwas unterhalten wollte. Doch meine Sinne hatte ich trotz des vielen Alkohols noch einigermaßen beisammen. Je länger wir uns mit den Mädels unterhalten würden, umso größer wäre die Gefahr, dass die Freunde der Mädels unsere lauteren Absichten falsch verstehen könnten. Eifersüchtige Männer können rabiat werden und die Jungs guckten von Minute zu Minute grimmiger, obwohl sie sich diskret im Hintergrund hielten.
Mit Klaus-Ewald war ich alsbald aus dem Laden verschwunden, nicht ohne meiner Lady alles Gute für ihr weiteres Leben zu wünschen. Buck und Max waren wohl fast zeitgleich mit uns draußen, inwieweit Moritz da auch gleich mitkam… Richtig, Alf! Der blieb noch da. Er hatte mir vor Betreten des „Bucho Verde“ noch leise zugeraunt, dass er seine Geldscheine im Socken versteckt hätte. Was er mir wohl damit sagen wollte?

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