Samstag, 23. Februar 2019

Hartmudo: Mutter


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An diesem Nachmittag war das Treffen zur Vorbereitung des Wohnungsflohmarkts in Mutters Wohnung angesetzt. Freitag, der 25. November war kühl und nasskalt. Unangenehm also, genau wie ich diesen Termin empfand. Lieber wäre ich zu einer Zahnoperation gegangen als zu diesem Treffen.
Um 16.00 Uhr wollten wir uns alle in Mutters Wohnung treffen. Alle, das heißt auch unsere jeweiligen Ehepartner. Meine Löwin kam deshalb in den zweifelhaften Genuss einer RTL-reifen Darbietung. Aber zuerst einmal mussten wir ja dorthin fahren. Das war allerdings eine sehr stille Fahrt, denn keiner von uns beiden sagte einen Ton, waren wir doch nach der Arbeitswoche ausgelaugt ohne Ende.
Erschwerend hinzu kam für meine Löwin ihre gerade diagnostizierte Venenentzündung im linken Bein. Oder anders gesagt: Nach der Arbeit fuhr sie zum Orthopäden und danach holte sie mich ab. Den Termin hätte ich auch ohne sie wahrgenommen, das hätte sie sich nicht antun müssen. Doch meine Löwin ist vergnügungssüchtig und wollte mich natürlich in der zu erwartenden geselligen Runde unterstützen, das ließ sie sich nicht nehmen.
Nach der gesprächsarmen Fahrt waren wir die letzten vor Ort. Sowohl Berta und Bud als auch Sunny und Reiner saßen in ihren Autos. Schon die Blicke der Vier - jeder schaute mit seinen Augen starr geradeaus - deutete auf einen spannungsgeladenen Nachmittag hin. Ich rief ein mühsames „Hallo" in Richtung von Sunny und Reiner, blieb bei der Begrüßung von Berta und Bud bewusst cool.
In einer grünen Plastikwanne hatte Berta die in der Vorwoche beim Juwelier nicht zerkloppten und daher noch heilen Schmuckstücke (metallfrei) mitgebracht. Der Plastikschmuck lagerte in verschiedenen Ledertäschchen, so wie auch schon am letzten Samstag. Kommentarlos nahm ich die Wanne in die Hand und machte mich an den Aufstieg in den dritten Stock.
Sunny und Reiner gingen hinter mir. „Guck mal, ist das die Tasche?" hörte ich Sunny leise zu ihrem Mann flüstern. Die Antwort bekam ich nicht mit, auch machte ich hiervon hinterher nicht so einen Bohei wie wegen Sunnys fast gleichem Ausruf am Tresen am Wochenende zuvor beim Juwelier. Ich war so richtig genervt von der ganzen Aktion, weil ich mir vom Wohnungsflohmarkt nicht sehr viel versprach. Und bei der Stimmung, die zwischen uns herrschte, hatte ich keine Lust, mir für die paar Euro das Wochenende versauen zu lassen.
Meine Abneigung spürte ich förmlich direkt am Körper. Ich war abgespannt ohne Ende und fühlte mich wie gerädert, saft- und kraftlos halt. Stumm gingen wir alle zusammen die Treppen bis zum dritten Stockwerk, bis zu Mutters Wohnung noch. Voller Stolz möchte ich hier nochmal meine Löwin erwähnen, die sich trotz großer Schmerzen im linken Bein die Stufen bis zur Wohnung hinauf quälte.
In der Wohnung angekommen, ging gleich das Gemaule von Sunny los. Wir wollten doch einen Tapeziertisch mitbringen; Reiner und sie hatten schon vor Tagen ihren Tapeziertisch sowie Decken mitgebracht. Wir anderen dagegen hätten nichts mitgebracht.
Recht hatte sie, denn ich hatte wohl im Vorfeld großspurig etwas von einem Tapeziertisch gesagt. Aber wie ich bereits mehrfach erwähnte, war ich wegen dieser Schwachsinnsaktion derart abgenervt, dass ich mich innerlich sperrte. Ich wollte nicht, basta! Im Nachhinein kann ich Sunnys Unmut über die mangelnde Begeisterung von Berta und mir verstehen, da sie sich als einzige hier engagiert hatte.
Etwas engagiert, wohlgemerkt. Denn mit einem großen Umsatz war bei dem kurzfristig angesetzten Wohnungsflohmarkt nicht zu rechnen. Und das wir jetzt auf die Schnelle in zwei oder drei Stunden die gesamte Wohnungseinrichtung auspreisen könnten, nebenbei noch einzelne Stücke auf Tischen präsentieren würden, daran glaubten Berta und ich eh nicht. Bei meiner Löwin und mir kam dann noch die gerade überstandene Arbeitswoche hinzu, außerdem gab es in den vergangenen Wochen, gerade auch Wochenenden, immer wieder Trouble oder Nerv wegen der Abwicklung von Mutters Nachlass, vorher mit der Heimunterbringung etc.
Reiner arbeitet zugegebenermaßen auch, aber der redete sich permanent damit raus, das er „mit der Sache nichts zu tun" hätte. Aber es ist auch mit Abstand einiger Monate müßig, darüber zu hadern, warum an diesem Tag die Situation noch weiter eskalierte. Selbst ein wenig Verständnis für Sunny ändert ja nichts an der Tatsache, das sie sich an diesem Nachmittag von Minute zu Minute weiter in eine aggressive Furie verwandelte.
Denn da Berta und ich auf ihre Vorwürfe, nichts mitgebracht zu haben, nicht weiter eingingen und eher mit Gleichgültigkeit reagierten, uns eher wie in Trance bewegten, wurde Sunny in ihrer Sprache immer schriller, keifender. Sollte es wirklich so gewesen sein, das Sunny einfach nur mal austestete, wieweit sie gehen kann?

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