Donnerstag, 11. Januar 2018

Contramann: Bash, Amazon, Bash!

Wie jedes Jahr an Weihnachten gibt es ein Amazon Bashing. Selbst auf den Nachdenkseiten. Ich als bekennender Amazon Käufer sehe das anders, bleibe aber trotzdem links. Brüder zur Sonne, zur Freiheit! Ok – here we go:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=41662
Jetzt ist es soweit. Ein Beitrag von Jens Berger auf den Nachdenkseiten, mit deren Tendenz ich nicht übereinstimmen kann. Dass die Löhne für die Paketboten zu niedrig sind, einverstanden. Da bin ich voll bei Berger. Aber hier ist mal wieder die Politik gefragt. Und diese hat – wie spätestens seit Helmut Kohl üblich – in vollem Umfang versagt. Die vielen Ausnahmen vom Mindestlohn reizen die Logistikunternehmen, die erwünschten Gewinnmargen durch entsprechenden Druck auf die Mitarbeiter zu erzielen. Das gilt es abzustellen, da dürften Herr Berger und ich einer Meinung sein.
Im Übrigen organisiert Verdi jedes Jahr vor Weihnachten Streiks gegen Amazon, weil das Unternehmen ihre Mitarbeiter nicht nach den Tarifen des Einzelhandels bezahlen will, sondern die Logistikbranche als maßgebend ansieht. Der Job als Packer bei Amazon ist sicherlich anstrengend; ich möchte so eine Arbeit auch nicht machen müssen. Überwachung der Mitarbeiter, wenig Pausen etc. Das ist im Lager bei Ikea oder XXXL Lutz aber auch nicht anders. Und da kommt keine Gewerkschaft auf die Idee, die Löhne der Lagerarbeiter an die der Verkäufer anzupassen.
Denn bei den Gewerkschaften wie auch bei Herrn Berger ist Amazon aufgrund der gelebten Steuervermeidung (alles legal – die Politik hat dies zu regeln) der Bösewicht, der am Ende hinter den unzumutbaren Arbeitsbedingungen bei den Paketdiensten steckt. Dabei wird vollkommen ausgeblendet, dass auch die Konkurrenz wie Otto oder Zalando oder oder oder die Preise der Paketdienste ohne Ende drückt. Und auch diese Unternehmen sehen zu, dass sie Steuern sparen. Das machen übrigens sämtliche internationalen Konzerne, nicht nur Amazon.
Am Ende singt Berger ein Hohelied auf den Einzelhandel. Dies kann ich nur als Versuch werten, den Leuten den Verzicht auf Bestellungen bei Amazon schmackhaft zu machen. Denn auch Herr Berger wird wissen, dass im gelobten Einzelhandel eine Fachberatung nicht mehr stattfindet, auch nicht mehr in der Fülle an Informationen wie bei Amazon möglich ist. Die Verkäufer im Buchhandel müssen sich zumeist selbst erst einmal im Internet schlau machen, das am besten gar noch bei Amazon, um überhaupt eine Beratung durchführen zu können.
Ganz ehrlich… Da kann man dann auch jeden hinstellen. Will man Verkäufer dann passenderweise nicht auch nach dem Logistiktarif bezahlen, wenn diese außer Dekorieren und Einsortieren keine weiteren Funktionen ausüben? Dazu ist der Job nicht so anstrengend wie der eines Packers bei Amazon. Das sollte evtl. doch vorhandene Unterschiede in der Qualität der Mitarbeiter bezüglich der Arbeitsanforderungen ausgleichen. Den Buchhändler, der sich im gesamten oder wenigstens Großteil des Sortiments auskennt, gibt es im Internetzeitalter nicht mehr. Wahrscheinlich hat es ihn in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts noch gegeben, aber seitdem… Absolut überbewertet, wenn ihr mich fragt.
Abgesehen davon muss sich der Käufer mindestens einmal zum nächstgelegenen Laden (zumeist in der Stadt) erst einmal hinbegeben, auch wenn eine telefonische Bestellung im Vorfeld machbar ist. Da reden wir über Fahrtkosten und selbstverständlich Umweltbelastung, wenn ich in mein Auto extra für ein oder zwei Bücher steige. Das halte ich nach wie vor nicht weiter für erstrebenswert. Die Chance des Einzelhandels, hier beim Buchhandel, liegt woanders.
Anstatt zu versuchen, wie weiland die Droschkenkutscher die Zeit anzuhalten, sollten sich Buchhändler spezialisieren, so dass sie wieder eine Beratung in einer Nische anbieten können. Hierbei zieht ein Laden dann besser als Amazon, weil man dort Gleichgesinnte trifft und sich austauschen kann. Die dadurch entstehende Kommunikation – womöglich in Verbindung mit Autorenlesungen – kann Amazon nicht bieten. Ein Cafe sollte auch integriert werden, Leseecken fallen mir spontan auch noch ein. Graff in Braunschweig ist da schon auf einem guten Wege, allein die Spezialisierung müsste noch ausgeprägter erfolgen.
Aber ich befürchte, hier geht es wie üblich nur darum, bestehende Pfründe zu sichern. Daher wird das Ladensterben von alteingesessenen Händlern weitergehen, bis nur noch Amazon und Co sowie einige Wagemutige mit einem vernünftigen Konzept überleben. Diese Entwicklung lässt sich auch nicht durch die fortgesetzte Dämonisierung von Amazon aufhalten. Je eher Verdi und auch Herr Berger dies begreifen, desto besser.
Allerdings wäre ich auch dafür, Steuerschlupflöcher für internationale wie nationale Konzerne zu schließen und die Arbeiter im Logistikgewerbe besser zu bezahlen. Dann darf das Paket auch ruhig 3,-€ mehr kosten, da bin ich dabei.

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