Sonntag, 4. September 2011

Contramann: Zwischendurch bemerkt


Als ich Anfang 2008 anfing, meiner Enttäuschung über die politische Entwicklung in diesem Land als Contramann niederzuschreiben, nahm ich mir das große Ganze vor: Finanzindustrie, Medien, unfähige Politiker usw. Ideen, es besser zu machen, hatte ich auch.
Und ich hatte mich gefragt, warum sich nichts ändert. Alle sind enttäuscht, aber keiner wählt die Parteien, die dies ändern wollen. Ob sie es auch wirklich ändern würden sei dahingestellt. Aber wen wenn nicht „Die“ kann ich wählen, wenn die Umverteilung von Arm zu Reich umgedreht werden soll? Als „Die“ gelten für mich in erster Linie die Linke und die Piratenpartei.
Stasi-Bonzen, Chaoten und am Besten „die Kommunisten sind mit der DDR ja kläglich gescheitert“ - all dieses habe ich als Argumente dann zu hören bekommen. „Ich geh nicht mehr zur Wahl“ ist auch nen tolles Argument, als ob die „Nichtwähler“ automatisch an der öffentlichen Meinungsbildung beteiligt werden.
Allerdings habe ich seinerzeit einen wesentlichen Punkt meist außer Acht gelassen: Die Bequemlichkeit der Leute, speziell die der „Benachteiligten“. Wobei man die Zahl der Benachteiligten nicht zu klein rechnen sollte. Leute, denkt dran: Irgendwann wollt Ihr auch mal in Rente!
Und die wird in vielen Fällen so hoch sein wie die Grundsicherung. Schon den Namen nach ergibt sich die Höhe der Grundsicherung – nämlich als Existenzsicherung. Damit ist nicht der Lebensstandart gemeint, sondern Hartz IV oder auch Sozialhilfe. Das gilt auch für den Studenten, der nach seinem Studium über diverse Praktika (unbezahlt) mit Mitte 30 endlich einen festen Job bekommt. Zu Konditionen, bei denen er sich vorher das Studium überlegt hätte. Ausgebrannt mit Anfang/Mitte 50. Danach gelegentlich Tätigkeiten über die Bundesagentur für Arbeit (brrrr) oder das Jobcenter vermittelt und bezahlt. Zwangsrente mit 60 und dann.....
Das wäre die Karriere, wie sie mir und meiner Generation blühen würde, müßten wir heute als 20jährige ins Leben starten. Wir sind noch den Rundumservice vom Staat gewöhnt. Die heute 20jährigen sind da desillusionierter und erwarten hier – zu Recht – nichts. Das führt dazu, das sie entweder gleich aufgeben oder sich richtig anstrengen. Und wenn Du richtig Gas gibst, ist sich jeder selbst der Nächste. Nach Außen hin wird die große Einigkeit zur Schau gestellt, während unterm Tisch schon die Schienbeine punktiert werden.
So dämmern die „Looser“ dem Tod entspannt entgegen und die „Elite“ boxt sich durch bis zum Zusammenbruch. Diese beiden Wege kennt meine Generation zwar auch schon, aber sie sind nicht so zahlreich. Wie ein Ertrinkender klammern wir uns an das, was wir erreicht haben – an materiellen Dingen. Und wenn bei dem einen oder anderen das zur Schau gestellte Leben zusammenfällt, hat er ja bestimmt selbst schuld dran, bestenfalls Pech. Das so etwas systemimmanent ist, bemerkt kaum jemand. Zumindest stört es ja keinen.
Diese Gesellschafts- und Wirtschaftsform, auch Kapitalismus genannt, hat lediglich Gewinnmaximierung zum Ziel. Was des Einen Gewinn, ist des Anderen Verlust – so und nicht anders geht es zu am Finanzstandort Deutschland. Ganz platt nochmal zum Mitschreiben: Je mehr Arbeitslose, desto billiger wird die Arbeitskraft. Kostendruck, Globalisierung oder die Höhe der Löhne in China sind nicht die Notwendigkeiten von Rationalisierung oder fehlenden Lohnzuwächsen, sondern Ausreden, um Gewinne zu maximieren.
Aber das merken die Meisten schon gar nicht mehr, zumindest wollen sie es nicht wissen. Jeder kämpft für sich allein und wundert sich, warum er an schlechten Tagen keine oder kaum Hilfe erhält.
Und weil man ja schon für sich allein sorgen muß, macht es wenig Sinn, sich überhaupt für das „Allgemeinwesen“ zu interessieren. So jagt ein Event das Nächste, notfalls TV. Bloß nicht für Politik interessieren. Das geht sogar so weit, daß viele Leute nicht mal ihre eigenen Angelegenheiten regeln können.
Ja natürlich hilft Dir der Mann im T-Punkt beim Ausfüllen des Formulars für den Handy- und/oder DSL-Vertrag. Der will ja auch was verkaufen, das ist sein Job. Im Jobcenter will halt keiner die Dienstleistung verkaufen – soweit sollte das Denkvermögen eigentlich noch reichen. Wer da glaubt, denselben Service wie im T-Punkt zu bekommen, sollte vielleicht ab und zu mal den Fernseher ausschalten oder wenigstens AUFWACHEN, hallooooo......
Sicher kann man freundliches Auftreten und Hilfestellung im Amtsdschungel erwarten – auf Anfrage. Aber Angaben wie Name oder Adresse kann man schon allein hinschreiben – bist ja schon groß.
Dies ist nur ein Beispiel, andere gibt es zu Hauf. Ich bin nach wie vor erstaunt, wie viele Leute unbedarft durchs Leben gehen. Gerade eigentlich „intelligente“ Mitbürger sind häufig derart abgestumpft, daß sie nichts mehr mitkriegen. Bloß nicht nachdenken, man könnte ja auffallen.
Deshalb meidet man politische Sendungen, selbst Nachrichten, von vornherein und achtet nur noch darauf, wo die Meinung so hinläuft. Dann aber schnell hinterher, so macht man nichts falsch.
Früher schauten die Leute die Tagesschau, um am nächsten Tag mitreden zu können. Heute genügt der Blick in díe Bild oder – für Abiturienten – den Spiegel, um zu wissen, was erwartet wird. Da marschiert man dann gleich mit.
Aber genug vom Gejammer. Eben feiern SPD und Grüne den Wahlerfolg in Meck Pomm. CDU und FDP lecken ihre Wunden. NPD blieb im Landtag und die Linken hatten leichte Zugewinne, stagnieren quasi. Da kann sich Otto Normalverbraucher beruhigt zurücklehnen. Alles bleibt beim Alten, wie beruhigend.
Bis Otto Normalverbraucher feststellt, daß die Firma rationalisieren muß. Oder Lohnverzicht zum Erhalt des Arbeitsplatzes? Dann ist er allein.
Nackt im Wind......
Wolen wir hoffen, daß da nicht irgendwann einer auftaucht, der für diese Leute die richtigen Antworten parat hat und dann richtig durchstartet. Hatten wir schon.

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