Mittwoch, 29. Januar 2025

Hartmudo: Superwumms

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Und an diesem Abend war er wieder da, dieser Moment. Mir wäre es schon Recht gewesen, wenn das Treffen ausgefallen wäre. Aber dies war eben einer der Momente, wo ich meine Ängste einfach ignorierte. Lieber mich unwohl fühlen als den Kopf in den Sand zu stecken.
Vornehmlich in den 80er Jahren im letzten Jahrhundert hatte ich öfters solche Situationen erlebt, in denen ich mich z. B. Freitags gegen Neune alleine zum Pano und Koka aufmachte, weil mir zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen war. Und dann ging ich durchs Pano, Kottan und das Koka, setzte mich an die Theke, trank mindestens ein bis zwei Biere und ging dann unverrichteter Dinge nach Hause. Da lief mir nicht selten kein bekanntes Gesicht über den Weg, trotzdem zog ich das häufig durch.
Anfangs zitterte ich noch wie Espenlaub, doch das gab sich mit der Zeit. Der Abend im Lufteck war da natürlich eine andere Situation, da ich wusste, wen ich da treffe.
Um 18.00 Uhr hatten wir uns verabredet; ich erschien auf die Minute pünktlich und war dennoch der Letzte. Es saßen bereits alle 7 - 8 Leute unseres illustren Kreises zusammen. Mit meiner Ankunft wurde sogar schon die zweite Runde bestellt.
Noch eine halbe Stunde bis zum Anpfiff des Spiels. Eintracht steckte mitten im Abstiegskampf und brauchte jeden Punkt; auch bei den Düsseldorfern, die im Rennen um die Aufstiegsplätze etwas ins Hintertreffen geraten waren.
Ich setzte mich neben Buck und bestellte mir ein Pils - alkoholfrei! Wolters alkoholfrei ist zwar noch eins der besseren Bier-Surrogate, aber wer davon mehr als eine Flasche mit Genuss konsumiert, der leidet an Geschmacksverirrung. Ich quälte mir an diesem Abend doch tatsächlich drei Pullen in meinen geschundenen Magen, ohne spucken zu müssen, ehe ich zum sprudelnden Mineralwasser übergegangen war.
Das war allerdings nicht der Grund, weshalb ich relativ schwer in die Gespräche reinkam. In allzu vielen Momenten fühlte ich mich wie ein Fremdkörper, war in meinen eigenen Gedanken versunken. Die übliche Lockerheit ging mir an diesem Abend ab; meine Mimik war eher an Bela Lugosi angelehnt.
Meine Kollegen fragten mich interessiert nach meiner Befindlichkeit, aber so genau erklären konnte ich es nicht, was da in mir vorging. Heute weiß ich, dass meine Erklärungsversuche nicht wirklich Erfolgsaussichten gehabt hatten.
Denn wenn man es nicht selbst erlebt hat, kann man es nicht nachempfinden, da hilft auch keine noch so umfangreiche und ausführliche Beschreibung. Ergo gingen die Jungs schnell zu den üblichen Themen über.
Einzig Buck hörte mir längere Zeit zu, was aber nicht verwunderlich war. Schließlich ist er auch mein Teamleiter - und ein guter, wohlgemerkt. Der Mann kümmert sich um seine Leute. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass ich nach dem wochenlangen Grübeln zu dem Schluss gekommen war, dass meine psychische Niedergeschlagenheit zumindest zu einem großen Teil auf meine Arbeit und dem dortigen Umfeld zurückzuführen sei.
Im Jahr zuvor hatte ich auf der Arbeit die eine oder andere Enttäuschung erleben dürfen. Vor allen Dingen fiel mir da die Urlaubsvertretung für zwei meiner Kolleginnen im Sommer ein, als mit einem Mal ein ganzer Schwung an Betriebskostenabrechnungen eingetrudelt war und ich zudem noch eine Woche wegen einer Corona-artigen Erkrankung (der Test war zwar negativ gewesen, aber die Symptome wie Schüttelfrost und Fieber zogen mir den Stecker) nicht auf Sendung gewesen. Als alle Vertreterinnen wieder da waren (auch ich), hatte ich gerade noch eine Woche Zeit gehabt, um mein Sachgebiet aufzuräumen.
Wir reden da über einen zwei Finger breiten, dicken Stapel an Posteingängen; die entsprechend größere Menge an übrig gebliebenen Eingängen meiner Vertreterinnen, die ich nicht geschafft und nunmehr den wieder anwesenden Kolleginnen anvertraut hatte, wurde mir zum Vorwurf gemacht. Im Gespräch am letzten Arbeitstag vor meinem Jahresurlaub.
Dabei war ich unmittelbar vor jenem Gespräch noch so glücklich und guter Laune gewesen, weil ich nicht nur meinen Postberg innerhalb nur einer Woche dank zweier Home Office Tage abgebaut hatte, sondern zusätzlich noch die Anschreiben für die Verlängerungsanträge hinbekommen hatte. Die Kritik stand im krassen Gegensatz zu meiner eigenen Wahrnehmung an jenem Tag - als ob der Stöpsel aus der Badewanne gezogen worden war und ich dadurch fröstelnd in der Wanne vor mich hin bibberte.
Entsprechend war die Stimmung in meinem zweiwöchigen Urlaub gewesen; Erholung geht anders. Sicherlich hätte ich in dem Gespräch meine Sicht der Dinge darstellen sollen; mein Teamleiter konnte das ja schließlich nicht riechen. Aber jetzt mal im Ernst: Wer fängt 10 Minuten vor Urlaubsantritt an, sich auf ein tiefschürfendes Gespräch einzulassen bzw. sich über Kolleg*innen aufzuregen?

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