Freitag, 29. Dezember 2023

Uncle Fester: grad gelesen Dezember 2023

Frank Goosen - Sweet Dreams
Da isser wieder: Unser Mann aus Bochum. Rücksturz in die Achtziger ist der Untertitel dieser Sammlung von Kurzgeschichten mit Figuren, welche man aus Bücher von Goosen schon kennt. Und da Goosen auch nur fünf Jahre jünger als ich ist und wohl auch schon in den 80ern vergleichbare Neigungen verspürte - als da wären Mucke, Saufen, Fußball und Frauen (in der Reihenfolge), fühlte ich mich wie gewohnt gut unterhalten und entspannt.
Zum wesentlichen Wohlfühlfaktor trägt auch der flüssige und gewohnt unkomplizierte Schreibstil bei. Das Fehlen einer verkopften Intellektualität der Handlung mögen die Feuilletonisten des Spiegels oder der Zeit zwar vermissen, aber die liebevoll gezeichneten Charaktere kommen auch gut ohne aus.
Schon aus den früheren Erzählbänden kennen wir die Clique um Pommes, Mücke, Spüli und dem Ich-Erzähler Frank. Die permanenten Sticheleien zwischen dem konservativen Möchtegern Mösenfröhlich (danke für den Begriff, Langer) Mücke und dem verhinderten Revoluzzer Pommes bilden perfekt die damaligen (und sicher auch heutigen) Haupttypen an männlichen Charakteren ab.
Spüli dagegen ist eher ein zurückhaltender Typ, dessen Coming-Out allerdings noch aussteht. Die Identifikationsfigur Frank jedenfalls stellt mehr oder weniger den teilnehmenden Beobachter dar und bastelt ansonsten hauptsächlich Mixtapes auf Kassetten für die von ihm angehimmelten Mädchen zusammen. Dies natürlich hauptsächlich erfolglos, genau deshalb ist er ja die Identifikationsfigur.
Nun hat Goosen aktuell eine Romantriologie mit alternativen Protagonisten erschaffen. Hierin übernimmt Brocki die Rolle von Mücke, während Fränge Pommes darstellt. Förster ist Frank und Spüli ist hier nicht existent. Geschichten aus der Sturm- und Drangphase dieses Dreigestirns dürfen in diesem Band natürlich nicht fehlen, obwohl sich die Figuren schon mehr als ähneln, wie eben beschrieben.
Bei der Lektüre von Goosens literarischen Schaffen hatte ich bereits in der Vergangenheit den Eindruck gewonnen, das Goosen seine Jugend in seinen Werken verwurstet hatte. Möglicherweise hatte er bereits in den 80ern ein Tagebuch oder zumindest Notizen erstellt, auf deren Basis Goosen Romane und Erzählungen erstellen konnte.
Meine Güte, wenn ich das damals nur auch mal gemacht hätte! Denn auch ich habe ähnlich gute Geschichten zu erzählen und habe dies per H Lecter auf diesem Blog veröffentlicht, deshalb bin ich ja auch ein so großer Fan von Frank Goosen.
Die sprachliche Qualität von ihm, immerhin eine Hälfte von „Tresenlesen", erreiche ich leider nicht. Auf jeden Fall ist diese Zeitreise in die 80er jedem zu empfehlen, der in diesem Jahrzehnt in das Erwachsenenleben durchgestartet ist. Für mich war es jedenfalls beruhigend zu erfahren, dass es anderen - hier Frank Goosen - auch nicht besser ergangen war als mir.

Sven Pfitzenmaier - Draußen feiern die Leute
Auf dieses Buch bin ich eher zufällig gestoßen. Da der Roman irgendwo in einem Dorf zwischen Hannover, Peine und Hildesheim spielt, der Autor Pfitzenmaier in Celle geboren wurde und für diesen seinen Debütroman den Aspekte Literaturpreis 2022 erhalten hatte, sprang ich ins kalte Wasser und besorgte mir diesen Roman.
Nicht zuletzt der Plot hatte mich gereizt: Die drei jugendlichen Außenseiter Timo, Valerie und Richard aus einem niedersächsischen Dorf machen sich auf die Suche nach vermissten jungen Leuten aus dem ganzen Land. Ein mutiger und schriller Roman aus der Provinz wurde mir hier versprochen und am Ende in keinster Weise gehalten.
Nach den ersten 50 Seiten war ich bereits so genervt, dass ich den Roman eigentlich beiseite legen wollte. In der Hoffnung, dass es mit der Zeit besser werden würde, kämpfte ich mich jedoch durch die Seiten hindurch. Die mehr oder weniger mystische Story schien ja auf einen Höhepunkt an Ende hinaus zu laufen, aber nicht einmal das hat der Autor hinbekommen.
„Manche Sätze möchte man sich einrahmen", urteilte die FAZ. Meine ohnehin nicht hohe Meinung von Feuilletonisten der große Medien wird durch solche Aussagen nur noch bestärkt. Ob Uschmann, Goosen, Dusse oder Juli Zeh: Sätze für die Ewigkeit finden sich dort zu Hauf, da muss man nicht auf einen Neuling aus der niedersächsischen Provinz warten.
Wie schon erwähnt, ist das Ende des Romans besonders ärgerlich. Nicht nur, dass das Schicksal der verschwundenen Jugendlichen auch weiterhin im Dunkeln bleibt - nein. Die einzelnen Handlungsstränge fasern einfach aus, eine „Moral von der Geschicht" gibt es nicht.
Denn grob gesagt handelt es sich bei diesem Roman lediglich um eine modernere Version des Rattenfängers von Hameln. In einer anfangs sehr versponnenen Sprache werden Timo, Valerie und Richard vorgestellt.
Der Klappentext suggeriert ja ein Zusammenwirken der Drei bei der Suche nach den verschwundenen Jugendlichen, doch tatsächlich passierte dies im Roman eben nicht. Viel wichtiger für diesen Roman sind die drei russischstämmigen Hänger Dima, Danik und Dr. Dobrin, welche sich dank Einbrüchen den Wodkakonsum finanzieren und auf Druck des Dorfsheriffs den Handel mit Marihuana und Kokain beginnen.
Den Stoff besorgen Sie sich über den mystischen Verbrecher Rasputin, der mit Hilfe seiner Assistentin Martha die Jugendlichen einsammelt und zu einem unbekannten Ziel verschleppt. Rasputin erwähnt hierzu an einer Stelle im Roman lediglich eine Marihuana Plantage in England, nimmt diese Aussage aber kurze Zeit später zurück.
Anders als im Klappentext angegeben sind die drei Russen die prägnantesten Figuren dieses Romans, welche an deren Ende mit Richard auf einer Parkbank sitzen und Bier trinken. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann trinken sie noch heute. Zu wenig für einen hoch dotierten Literaturpreis, finde ich jedenfalls.

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