Samstag, 14. November 2020

Hartmudo: Amsterdam 2/5

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Samstagmorgen, ein neuer Tag begann. Erst jetzt nahm ich unser Zimmer im Ibis so richtig wahr. So wie ich es einst einmal in Hamburg erleben durfte, war die Nasszelle aus einem Stück Plastik gegossen und nachträglich eingebaut worden. Dies ist nicht gerade luxuriös, aber sehr praktisch und leicht zu reinigen.
Wir erhielten also die gewohnte Ibis Qualität, hatten hier aber aufs Frühstück verzichtet, was weiß Gott kein Fehler war. In solchen Hotelketten besteht das Frühstück zumeist aus in Plastik eingeschweißten Kleinformaten aus dem Großmarkt. Im Hamburger Ibis war das so gewesen. Und 14,- € für so ein Frühstück... Da schauten wir lieber selbst.
Die putzmuntere Jela blickte aus ihrer Karre vergnügt umher, während ihr Papa so ab 8.15 Uhr mehr und mehr auf die Tube drückte. Schließlich quälte ihn der Hunger und Phil, der sich in Amsterdam grob auskannte, suchte auf Google Maps immer noch nach der richtigen Lokation für ein gutes Frühstück.
Wir kamen bei der Suche an einigen Cafes vorbei, die jedoch sämtlichst geschlossen hatten. Auch Jessicas Unterstützung bei der Recherche auf Maps brachte uns da nicht weiter. So landeten wir dann tatsächlich erst kurz nach 9.00 Uhr, der anscheinend allgemeinen Öffnungszeit für Touris, die in einem original holländischen Cafe frühstücken wollen, in einer Omeletterie.
Bei „Get your egg on“ gab es - Überraschung! - nur Eiergerichte, vornehmlich als Omelette. Nachdem wir hier mit Ach und Krach einen Platz ergattern konnten, stürzten wir uns gleich darauf genüsslich ins Vergnügen. Dass die Prinzessin eher die süße Variante mit Nutella und Danny eine herzhafte Rustikalität bevorzugte, war vorauszusehen gewesen.
Nach einer knappen Stunde waren wir durch und satt geworden. Die dort servierten Variationen an Omeletts hatten meine Fantasie angeregt; An einem der kommenden Wochenenden würde ich das auch zu Hause mal ausprobieren wollen (Das machte ich hinterher allerdings doch nicht).
Durch die schmalen Gassen kämpften wir uns bis zum Hauptbahnhof durch, wo wir eine Fähre zum „A´Dam Lookout“ nehmen wollten. Hier hatte meine Löwin für uns alle Karten im Vorverkauf gebucht. Als vorbildlich möchte ich an dieser Stelle den Fährbetrieb über die Amstel erwähnen. Denn dieser städtische Betrieb funktionierte reibungslos - und das für lau! Da könnte sich eine deutsche Großstadt wie Hamburg eine Scheibe von abschneiden.
Das A’Dam Lookout befindet sich auf der Spitze des A’DAM Turmes in Amsterdam Nord, falls einer von Euch auf Nervenkitzel steht. Denn die Attraktion hierbei - die meine Löwin für alle außer Jela gebucht hatte - besteht in der höchsten Schaukel Europas.
ganz oben die Schaukeln

Hoch oben, in 100 Metern Höhe, schaukelt man am Rande der Aussichtsterrasse über diesen Rand hinaus und hat einen wunderschönen Blick auf die Stadt. Gesichert ist man hierbei lediglich durch den Bügel, den wir alle von Skiliften her kennen. Ich erwähne dies hier, weil ein Skilift normalerweise nicht schaukelt und mir dadurch eine zusätzliche Sicherheit gibt.
Ich gebe unumwunden zu, dass mich beim Anblick der Schaukeln die Angst fest im Würgegriff hielt. Andererseits wollte ich nicht als Feigling dastehen. Zunächst schlichen wir aber eine komplette Runde auf der obersten Etage des Turms herum und genossen den Blick über die Metropole unseres Nachbarlandes.
Ich sonderte mich von den anderen ab und erkundete die Terrasse erst einmal alleine. Ich hoffte, dass meine Löwin die Schaukelei vergessen hatte oder ich mich aus irgend einem anderen Grund drücken konnte. Doch der Zeitkorridor für unsere übers Netz vorab gebuchten „Flugzeiten“ rückte immer näher.
So stand ich dann mit zitternden Knien zwischen 12.00 und 12.20 in der Schlange, um kurz darauf mit meiner Löwin die Doppelschaukel zu betreten. Wir wurden mit dem Bügel fixiert und dann mechanisch hochgezogen. Unter meinen Füßen befand sich 100 Meter tiefer eine Rasenfläche, die einen Sturz nur unwesentlich abgefedert hätte.
Jetzt war es zu spät für eine Flucht. Es ergriff mich eine innere Ruhe, die man auch als Todessehnsucht bezeichnen könnte. Nach lediglich einer Minute hätte ich es überstanden; Umdrehen und in die Kamera lächeln... das traute ich mich schon gar nicht mehr. Die erhöhte Anziehungskraft der Erde konnte ich in diesem Moment förmlich spüren. Wie ein Magnet wurde ich vom Erdboden angezogen.
Auf der Doppelschaukel neben uns flogen Danny und die Prinzessin bis zu einem 70 Grad Winkel (geschätzt) hinauf, während wir nur sanft hin und her schwangen. Dann wurden meine Löwin und ich unerwartet wieder herabgelassen. Sollte der Spuk etwa schon vorüber sein? Würde ich das erste Zweitligaspiel von Eintracht noch erleben dürfen?
„Bitte wechseln sie die Partner. Sie beide zusammen sind zu schwer für die Schaukel. Da können sie nicht so hoch schwingen.“ So die Aussage einer der drei Hilfskräfte, die über den reibungslosen Ablauf des Geschehens wachten.
Diese Frau schaute mich mit großen Augen an, als ich - statt an eine andere Schaukel zu gehen - den Bereich fluchtartig mit den Worten: „Nein danke, mir reichts!“ verließ und mich in Sicherheit brachte. Für diese Entscheidung benötigte ich keine Bedenkzeit, sie kam aus tiefstem Herzen. Keine zehn Pferde hätten mich erneut auf eine dieser Schaukeln setzen können.
Die Scham über meine Schwäche und das Kneifen vor der Herausforderung hielt sich in Grenzen, obwohl ich der Prinzessin im Vorfeld großspurig zugesagt hatte, mit ihr zusammen zu schaukeln. Wenigstens konnte sie dank meiner Feigheit ein zweites Mal schaukeln. Leidtragende war hier die treue Seele Candela, die auf Jessicas Ticket todesmutig zu einem weiteren Höllenritt über den Abgrund überreden ließ.
Wie ich im Anschluss von den anderen erfuhr, war allen Schauklern unserer Gruppe - bis auf die Prinzessin - mulmig gewesen. Meine Löwin z.B. argwöhnte, dass sie mit ihrer Hose unter dem Sitzbügel hindurch rutschen könnte. Wenigstens hatten sich alle ihren Ängsten gestellt. Nur ich hatte gekniffen, was Danny allerdings laut seiner Aussage bei einer derartigen Gelegenheit ebenso gemacht hätte.

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